Driving over Leopold (3): Lada Niva:Der Russe in mir

"Der Lada 4x4 ist Kult." So heißt es zumindest im Prospekt. Wir schämten uns zunächst ein wenig, mit dem drolligen Zeitgenossen gesehen zu werden. Doch der Typ aus Russland überzeugte uns. Endstand Ost gegen West: 1:0.

Lars Langenau

Die Redaktion von sueddeutsche.de fährt Auto. Wir wollen wissen, was wir mit unterschiedlichen Autotypen zwischen der Münchner Leopoldstraße, der Allianz-Arena und dem Starnberger See so alles erleben. Und zwar ganz ohne Brems- und Beschleunigungstests.

Lada Niva

Plötzlich stand er vor uns - der Lada Niva, einst Jugendtraum des Testers.

(Foto: Foto:)

Driving over Leopold heißt also diese Reihe - die Redaktion testete Autos, die was her machen: ein dicker BMW, ein Hummer, ein Jeep und so weiter und so fort. Für den Autor dieser Zeilen blieb ein Lada.

Mag daran liegen, dass das SZ-Kürzel des Autors lala heißt - und sich die phonetische Verwandtschaft ganz gut macht. Mag daran liegen, dass der Autor früher Botschafter in Moskau werden wollte, aber leider schon in den ersten Wochen an der Sprache verzweifelte und er auf den Journalismus ausweichen musste. Mag daran liegen, dass er den russischen Geländewagen vor zwei Jahrzehnten mal gaaanz toll fand und sich im gesetzten Alter noch mal einen Jugendtraum erfüllen wollte.

Wie dem auch sei: Plötzlich stand er vor uns. Der Lada Niva, der jetzt Lada 4x4 heißt. Wir schämten uns zunächst ein wenig, mit dem drolligen Zeitgenossen gesehen zu werden. So ähnlich muss es für gestandene Männer sein, mit einem Mops und rosarotem Halsband durch Kreuzberg zu flanieren.

Kampferprobt und mit dem Mythos ausgestattet, Tschetschenien erobert zu haben (wenn er auch in den achtziger Jahren den Afghanistan-Krieg verlor). Tatsächlich hatte auch unsere Version eine Camouflage-Bemalung. Allerdings sah die ein wenig so aus, als würde der nächste russische Feldzug gegen Disneyworld geführt werden: grün, hellblau, grau und türkis ...

Der Russe in mir

Die Texter des Lada-Prospekts haben alle Emotionen, die uns überwältigten, schon mal vorab kongenial zusammengefasst: "Der Lada 4x4 ist Kult." Ganz zuerst mal ein dolles Gefühl: Eindeutiger Vorteil des Wagen ist, dass man sehr hoch und somit auf Augenhöhe anderer Dumpfbacken-SUVs des Westens sitzt. Wir konnten also frech in das Gesicht des Fahrers eines Porsche Cayenne grinsen und einen BMW X5 bei Anfahren an einer roten Ampel putzen. Das brachte innere Befriedigung im Inneren Russlands. Ost gegen West: 1:0.

Lada Niva

Der Lada 4x4 ist ein durch und durch ehrliches Auto. Ohne Schnickschnack, und wenn man alle der ziemlich wenigen Schalter und Knöpfe begriffen hat, dann ist Entspannung angesagt.

(Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Allerdings will die Redaktion noch folgende Fragen beantwortet haben. Und die können ja mal schnell abgehandelt werden, damit wir zu den wirklich wichtigen Dingen kommen können. Nehmen wir dazu eine aus der Schule gewohnte Skala von Eins ("sehr gut") bis Sechs ("ungenügend"):

· Flirtfaktor: 7. · Neidfaktor: 7. · Familienfaktor: 3. · Einkaufsfaktor: 3. · Reisefaktor: 2. · Wohlfühlfaktor: 1.

Herr der Straße

So. Das hätten wir damit. Doch warum eine Eins beim Wohlfühlfaktor? Leicht zu erklären: Wenn die erste technische Schwierigkeit (das Einsteigen) gelöst ist, die zweite Technik-Hürde weggeräumt (wie und wo wird der Wagen gestartet?), und die dritte Fingerfertigkeit (wo ist der Lichtschalter?) entschlüsselt, ist man der wahre Herr der Straße. Und sei es nur der Leopoldstraße.

Die fuhren wir an einem normalen Arbeitstag am späten Nachmittag entlang und steckten wie alle anderen Autofahrer auch im Feierabendverkehr fest. Genug Zeit also, die Faktoren Neid & Flirt zu testen. Doch die wurden ja schon vorab beide ganz verteufelt schlecht bewertet, was gibt es da also noch zu sagen?

Niemand würdigte uns auf der Münchner Flaniermeile, trotz einer ehemaligen SZ-Ausbildungsleiterin auf dem Beifahrersitz, eines Blickes. Vielleicht wäre das mit dem Safari-Dekor besser gewesen, denn dann wären wir wie ein verrücktes Zebra herumgekurvt. Oder aber, wir hätten uns aus einem Kostümverleih für Zombiefilme ein abgetrenntes Plastik-Bein besorgen und es dezent aus dem Seitenfenster baumeln lassen können - um zu simulieren, dass wir gerade aus einem Kriegsgebiet kommen ...

Der Russe in mir

Doch auch ohne diese (zugegebenermaßen amoralischen und makabren) Extras vergrößerte sich die Aufmerksamkeit im multikulturellen Münchner Westend. Hier war der Wagen wirklich eine Sensation: Hämisches Gelächter einer Gruppe ex-jugoslawischer Männer, als wir es schafften, mitten auf der Straße den Wagen abzuwürgen. Diesen Mannsbildern dürfte der Anblick des Wagens bekannt sein. Doch nun brachte sie dieser drollige Genosse mit seinen extravaganten Farbklecksen zum Lachen. Ein Erfolg für die Völkerverständigung!

Kommen wir also zum Punkto Familie, den wir gleich mit dem Einkaufsfaktor verbunden hatten: Die Familie war gerade nicht da, also musste sie ein Einbauherd ersetzen, den wir gebraucht erstanden hatten. Den wollten wir im Kofferraum verstauen. Doch wie lässt der sich öffnen? Drei erwachsene Männer fanden das Schloss/die Klinke/den Knopf nicht. Also ersetze der Herd die Ex-Ausbildungsleiterin auf dem Beifahrersitz. Mit einer Hand am Steuer und der anderen flink zwischen Kupplung und Herd auf der Beifahrerseite beschäftigt, damit das Küchengerät nicht umkippt, waren wir nach Ankunft bis auf die U-Hose schweißgetränkt.

Am nächsten Tag konnte der Profi aus der Autoredaktion helfen: Hinter dem Fahrersitz versteckt sich ein kleines, süßes Fitzelteil, welches sich bei genauerer Betrachtung als der Kofferraumöffner herausstellte. Familien- und Einkaufsfaktor also: befriedigend.

Mit "Heckscheiben-Wisch-Wasch-Anlage"

Der Reisefaktor: Dazu luden wir einen Freund und Kollegen ins Auto, der sich erst standhaft weigerte einzusteigen, als er den Wagen sah. Besonders peinlich war ihm - neben der unorthodoxen farblichen Schattierung, das auf der Rückscheibe fett und stolz prangte: "MADE IN RUSSIA". Sollte das nun ein Qualitätsmerkmal sein - oder eine Warnung?

Da der Kumpel jedoch zum Flughafen musste und die S-Bahn den Weg von der Münchner Innenstadt bis zum Abflug nicht mehr geschafft hätte, setzte er sich eine Sonnenbrille auf, zog die Baseballmütze tief ins Gesicht und konnte sich nun inkognito nach dem äußeren Entsetzen von der inneren, schlichten Schönheit des Wagens überzeugen lassen.

Lobend erwähnte er die fast durchgängigen, aber gut gegossenen Plastikverschalungen und die Kupplung für die Geländefahrten, die er zunächst als Schaltung für Kurzarmige gedeutet hatte. Wir müssen zugeben: Im Gelände haben wir den Lada nicht getestet. Wir haben einfach kein Gelände abseits befestigter Straßen gefunden, wo wir hätten rumbrausen und den Elchtest in der Taiga hätten versuchen können.

Dabei werden seine Geländefähigkeiten im Prospekt gerade herausgehoben: "Permanenter Allradantrieb. Verteilergetriebe mit manuell sperrbarem Zentraldifferential und mit spezieller Geländereduktion und hoher Bodenfreiheit. Damit bewältigt der Lada 4x4 auch schwierigstes Gelände problemlos: 58 % Steigfähigkeit, 65 cm Wattiefe und 48° Kippwinkel." Wir glauben: All das stimmt!

Auch die Begeisterung für die Extras erreichten beim Kollegen einen neuen Höhepunkt: Ein funktionierendes Radio, eine extralaute Lüftung und laut Prospekt eine "Heckscheiben-Wisch-Wasch-Anlage". Doch schon auf der Autobahn kam die Skepsis zurück: Es hatte sich wieder ein Stau entwickelt und der Kollege sinnierte tiefschürfend über das Ende des automobilen Zeitalters. Zum Chaos auf Deutschlands Straßen konnte jedoch der Lada nichts - und da es zum Flughafen ging und der Weg nicht allzu weit war, bewerten wir den Reisefaktor mit "gut"!

Im Gegensatz zum Kollegen geben wir ihm auch beim Wohlfühlfaktor ein "Sehr gut". Denn der Lada 4x4 ist ein durch und durch ehrliches Auto. Ohne Schnickschnack, und wenn man alle der ziemlich wenigen Schalter und Knöpfe begriffen hat, dann ist Entspannung angesagt. Schließlich ist auch der umfangreiche und zeitlos elegante Aschenbecher sehr gut und zentral angebracht! Und wenn es den Wagen auch mit Automatikgetriebe geben würde, dann wären wir geneigt, mit dem Jugendtraum noch ein paar Jahre im gesetzten Alter zu verbringen.

Der Lada 4x4 kostet je nach Ausstattung (Außenspiegel ja oder nein, Rücksitzbank ausklappbar ja oder nein) zwischen 11.275,- und 12.820,- Euro. Wenn wir mal so viel Geld auf der hohen Kante haben sollten, dann könnte dieser Wagen wirklich eine Erwägung wert sein! Denn wo können wir denn schon sonst unsere russische Seele so ungestört spazieren fahren?

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