Driving over Leopold (4): Hummer H2:Das Testosteron-Auto

Klimakiller oder cooles Auto? Wir haben uns einen Jugendtraum erfüllt und vier Tage lang einen Hummer H2 getestet.

Jürgen Schmieder

Die Redaktion von sueddeutsche.de fährt Auto. Wir wollen wissen, was wir mit unterschiedlichen Autotypen zwischen der Münchner Leopoldstraße, der Allianz-Arena und dem Starnberger See so alles erleben. Und zwar ganz ohne Brems- und Beschleunigungstests.

"Driving over Leopold" heißt die Serie, in der wir Autos testen sollen. In meinem Fall muss der Titel geändert werden. Denn in den ersten Minuten meiner Testfahrt heißt es: "Driving out of the parking garage." Ich fahre einen Hummer H2, die zivile General-Motors-Variante des Militärfahrzeugs HMMWV (kurz Humvee) mit der Grundfläche meines Wohnzimmers: 5,2 Meter lang, 2,1 Meter breit. Als Student habe ich auf dieser Fläche zwei Jahre lang gewohnt. Und nun soll ich damit fahren - und aus dem Parkhaus am Stachus bugsieren. "Geht schon", hat der Parkwächter vorher gesagt.

Nach zehn Minuten kommt es mir vor, als würde die Queen Elizabeth II aus dem Hamburger Hafen schiffen. 50 Menschen stehen um das Auto herum. Diskutieren. Gestikulieren. Ziehen die Augenbrauen hoch. Schauen verzweifelt. Und klatschen, als ich es endlich geschafft habe, durch die Schranke zu fahren, ohne sie zu berühren. "Geiles Teil", sagt einer, als ich wegfahre.

Al Gore würde dieses Auto eine "unbequeme Wahrheit" nennen: drei Tonnen Leergewicht, 330 PS, 20 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer - wenn man sparsam fährt. Als ich eine Gruppe Teenager auf der Leopoldstraße treffe, sagt ein Mädchen, sie war ungefähr 14 Jahre alt: "Eine absolute Frechheit, heutzutage so ein Auto zu fahren." Dann sieht sie auf den H2, überlegt kurz und sagt: "Aber wenn ich groß und reich und berühmt bin, dann kaufe ich mir auch einen!"

Das Testosteron-Auto

Das ist der H2 - ein fahrendes Paradoxon. Man weiß, dieses Auto hat den Golfkrieg überstanden und Rallyes durch Russland gewonnen. Man könnte die Antarktis genauso durchqueren wie die Sahara oder den brasilianischen Regenwald. Ein Test ergab, dass der H2 auch dann noch weiterfahren würde, wenn man ihn aus 16 Metern auf den Boden fallen lassen würde. Ich bin kurz versucht, mich vom Dach des Parkhauses zu stürzen. So hätte ich mir das Ausparken gespart.

Wenn man aber in das Auto hineinklettert, wartet ein breiter Ledersessel auf den Fahrer, der bequemer ist als die eigene Wohnzimmer-Couch. Die Sitzheizung sorgt für ein wohliges Gefühl am Rücken. Dafür sieht die Gangschaltung aus, als wurde der Knüppel direkt aus einem Airbus A380 entnommen.

Die Welt des H2 - j, für einen Tag Arnold Schwarzenegger sein. Also nicht der Gouverneur, sondern der Arnold der Neunziger, der noch cool war.

Bei der ersten kleinen Tour durch die Stadt fährt man mit gemischten Gefühlen. Man hat Respekt vor diesem wahnsinnig großen und kräftigen Auto. Stolz registriert man die Blicke der Passanten - und schämt sich doch ein wenig, wenn man die Lippenlesekünste einsetzt und ein "Klimakiller" erkennt. Aber so was muss man als Fahrer dieses Autos abkönnen wie Miroslav Klose Pfiffe im Weserstadion.

Wohlpräpariert geht es auf die erste längere Tour: Das T-Shirt ist im Militärstil und hat die Aufschrift "Defender", auf der Nase eine "Airwolf"-Sonnenbrille und aus der Bose-Soundanlage dröhnt der "Unknown Stuntman" von Lee Majors.

Klar ist: Wer Hummer fährt, fällt auf. Einen Lamborghini sieht man ja doch manchmal in München, ein Porsche gehört schon fast zur Bogenhausener Straßenausstattung. Einen Hummer jedoch sieht man so gut wie nie.

Nach zwei Minuten in der Altstadt weiß ich auch warum: Bei den engen Gässchen muss man ständig aufpassen, dass man nicht irgendwo aneckt. Dafür sitzt man hoch. Der Kollege, der vergangene Woche den Lada 4x4 testete, steigerte sein Fahrgefühl durch die Tatsache, auf einer Höhe mit Porsche Cayenne und BMW X5 zu sitzen. Mit Verlaub: Gegen den Hummer H2 sehen alle drei aus wie Matchbox-Autos.

Man muss raus aus der Stadt - und vergießt Tränen der Freude

Man muss mit diesem Auto hinaus. Raus aus der Stadt, ab auf die Autobahn, nach Hause in die Kleinstadt der Eltern - die gegen München eindeutig den Offener-Mund-Contest gewinnt. Ob es zur Kiefersperre wegen des H2 oder wegen des spackigen Fahrers kam, konnte ich allerdings nicht feststellen. Dafür die Beschleunigung testen: Als vor mir ein Lastwagen mit 70 Stundenkilometern dahinschraddelt, tippe ich kurz aufs Gas. Es drückt mich in den Sitz, der H2 saust vorbei, als würde Lewis Hamilton einen Spyker überholen. Kein Wunder, dass der Kumpel neben mir beinahe zu heulen beginnt. Es sind Tränen der Freude.

Das Testosteron-Auto

"Wenn du daheim bist, bring doch gleich unsere Fahrräder mit", hatte meine Frau gesagt, als sie mich mit dem H2 allein ließ. Okay, kein Problem, schließlich würde in den Kofferraum des Hummers - sagt mein geschultes Auge - ein Mini Cooper passen. Nur muss man den Kofferraum erstmal öffnen. Man muss ein Stahlseil entfernen, dann die Halterung mit dem Ersatzreifen ausklappen. Erst dann fährt die Hintertür nach oben. "Schnell mal was aus dem Kofferraum holen" geht also nicht. Dafür passen die Fahrräder hinein, der Jahreseinkauf für eine zehnköpfige Familie noch dazu - und es wäre immer noch Platz für eine Kiste Bier für die nächste Party.

Was machte die Dozentin nur?

Apropos Party: Am Abend machen wir uns mit dem H2 auf, um Freunde abzuholen. Vier sind schon drin, einer will nicht. "Da kann ich ja gleich um die Welt fliegen. Das Ding stößt in einer halben Stunde mehr CO2 in die Luft als eine Herde Kühe im ganzen Jahr." Er steigt dann doch ein, als er die Kiste Bier entdeckt. Wir sind uns sicher: Würden wir am P1 in München vorbeifahren, würde uns der Türsteher sofort zum VIP-Bereich geleiten. Aber in diesem Auto haben wir kein P1 nötig.

Zum Thema Flirtfaktor sei nur eine kleine Anekdote erzählt: Als wir an die Uni fuhren, kam eine Dozentin heraus und legte sich auf die Motorhaube. Ja, richtig gelesen: eine gestandene Dozentin im Bikini-Oberteil - und das ohne Aufforderung. Sachen gibt's. Da muss sofort eine "10" beim Ranking notiert werden.

Ach ja, Schulnoten muss man ja auch vergeben für die einzelnen Punkte. Die sind:

· Flirtfaktor: 10. Nochmal: Es war eine Dozentin. · Neidfaktor: 10. 400 offene Münder innerhalb von drei Tagen. · Familienfaktor: 2. Ein Kind kann gar nicht hochklettern. · Einkaufsfaktor: 8. Wer eine Safari oder Weltreise plant, kann mit dem H2 einkaufen · Reisefaktor: 2. 20 Liter - wenn man sparsam fährt. Die Reise endet in Garmisch wegen Budget-Sprengung. · Wohlfühlfaktor: 10. Elektronische Ledersessel, Surroundsound und der größte Getränkehalter aller Zeiten.

Klar: Ein Erstwagen ist der Hummer H2 nicht. Vielleicht muss man sich das Auto auch gar nicht kaufen. Mehr als 60.000 Euro sind schon viel für ein Spielzeug - es sei denn, man heißt Torsten Frings. Um sich den Kindheitstraum zu erfüllen, reicht es vollkommen, sich einen Hummer bei Geigercars auszuleihen und ein paar Tage damit herumzufahren. Für den Testosteron-Faktor reicht es allemal - und für einen Abstecher an die Uni ebenfalls.

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