Driving over Leopold (1): BMW 745d:Der Stoiber-Faktor

Präsidialer Chic oder Statusstress? Die Toplimousine von BMW mag vieles können und verursachen - nur zum Flirten taugt sie nicht. Ein spezieller Autotest mit Lebensgefühl.

Hans-Jürgen Jakobs

Die Redaktion von sueddeutsche.de fährt Auto. Wir wollen wissen, was wir mit unterschiedlichen Autotypen zwischen der Münchner Leopoldstraße, der Allianz Arena und dem Starnberger See so alles erleben. Und zwar ganz ohne Brems- und Beschleunigungstests.

BMW 745d

Was will jemand, der mit diesem Auto vorfährt, zum Ausdruck bringen? Ich hab's geschafft? Ich bin wer, ich hab Geld? Oder einfach nur: Platz da?

(Foto: Foto: Hersteller)

So ein großes karbonschwarzes Auto, mit dem zum Beispiel der Herr Ministerpräsident Bayerns fährt, kann das Leben ganz schön verändern. Die Kinder beispielsweise werden noch Wochen später von dem einzig wahren Dienstwagen sprechen, den der Vater jemals gesteuert hat. Das liegt vor allem daran, dass der Fernsehempfang in dem BMW Modell 745d am Morgen auf dem Weg in die Schule wirklich tadellos ist. So schauen die Neun- und die Zwölfjährige - pädagogisch vielleicht etwas inkorrekt - für diesen Autotest im Kinderkanal sogar jene "Teletubbies", die sie eigentlich längst als "babish" vergessen haben. Frühes Glück im Autofond!

Die Kleinen loben den vielen Platz im Innenraum. Sie streichen über das Holz und kommen gut mit iDrive zurecht, dem elektronischen Bediensystem. Es läuft über einen einzigen Knopf, an dem gedreht oder gedrückt wird, je nachdem. Spielend leicht wechseln die Kids zwischen CD und Radio. Ihr Erziehungsberechtigter tut sich schwerer.

Wir fahren nicht, wir schweben - ein ganz neues Erlebnis

Dieses Auto macht eine Fahrt von München zum Ammersee und wieder zurück zum Schwebeerlebnis. Die Außengeräusche sind wie weggepanzert, es dominiert das Gefühl der Ruhe. Das Gefährt liegt sportlich und doch irgendwie robust auf der Straße; bei kleinen Lücken auf der Überholspur macht das Produkt bayerischer Motorenwerkkunst auf leichten Gaspedaldruck hin einen kleinen Satz. Theoretisch beschleunigt der BMW 745d in sieben Sekunden von null auf 100 Kilometer, aber das lässt sich zwischen Oberfaffenhofen und Greifenberg nicht ausprobieren. Als das Gefährt einmal kurz 200 Stundenkilometer erreicht (geregeltes Limit: 250), wirkt es, als gleite man mit 140 durch die Landschaft. Diese 40-Kilometer-Strecke hat noch nie so viel Spaß gemacht.

Da der Verbrauch mit etwas weniger als zehn Litern Diesel pro 100 Kilometer die Geldbörse schont, könnte man fast von einem Familienauto sprechen, wenn es nicht doch in erster Linie für Chefs gemacht wäre.

Der Stoiber-Faktor

Leider macht der präsidale Chic dieses 330-PS-Autos, der sich auf den Fahrer zu übertragen beginnt, auf die Damen der Leopoldstraße überhaupt keinen Eindruck. Die zwei Blondinen am Rundtisch des Eiscafés schauen nur kurz leicht gequält auf, als der BMW zwei Meter vor ihren Eisbergen am Bordstein zum Stehen kommt. Der kurze Abendgruß wird nicht erwidert, ein Gespräch ergibt sich nicht. Vielleicht denken sie, hier will nur irgendein bayerischer Staatskanzlist oder ein Allianz-Manager Eindruck schinden. CSU-Frauen, die ein solch stoiberianisches Auto schätzen würden, sind leider nicht präsent.

BMW 745d

Das ist er, der begehrte Bildschirm, der den Kindern auf der Fahrt zur Schule so viel Spaß machte.

(Foto: Foto: Hersteller)

Diese lauen späten Junistunden wären wie geschaffen für eine kleine Ausfahrt, doch bei diesem Auto denkt man eher an "Così fan tutte" in der Oper als an Erotik. Irgendwie passend, dass kurz zuvor eine Polittesse einen dicken Zahlschein an die Windschutzscheibe geklemmt hat. Dabei hat sie wahrscheinlich Lust verspürt.

Wahrscheinlich macht dieses Auto auch auf, sagen wir hübsche Medien-Jungunternehmerinnen keinen Eindruck, weil der Stoiber-Faktor einfach sehr hoch ist. Dafür stellt sich ein gewisser Erfolg bei Männern ein. Der Besitzer des Eiscafés an der Leopoldstraße lächelt verständnisvoll, spricht vom "saustarken Auto" und schiebt kumpelhaft den Espresso macchiato herüber. Seine Augen sprechen: "Mann, du hast es geschafft - damit kommst du durch den Sommer." Das glaube ich nicht und weiß es sogar.

Und wieder schauen sie nicht, die Frauen!

Mon Dieu! Ich lasse ihn in dem Glauben und steige schwungvoll in die Limousine ein. Das Lenkrad schraubt sich elegant aus dem Gehäuse mir entgegen, aber die Sache mit dem Hebel rechts neben dem Lenkrad macht auch nach mehrmaligem Gebrauch noch leichte Probleme. Es handelt sich um das Bedienen der Sechs-Gang-Automatik. Und wer den Hebel von P wie Parken in andere Funktionen bringen will, muss ihn geschickt leicht anziehen. In einem solchen Auto aber kann leicht nervös werden, wer sonst VW Passat fährt. Dann aber kann sie doch losgehen, die ruhige Fahrt durch Münchens nächtliche Straßen, vorbei an Frauen, die wieder nicht schauen.

Für die Kinder aber ist, wie gesagt, seit den Tagen des Autotests der BMW 745d das Maß aller Dinge. Und als die 12-Jährige an ihrer Starnberger Schule aussteigt, bemerkt sie vor lauter Begeisterung nicht die bösen Blicke der blonden Starnberger Muttis, die protestieren, dass so ein 7er-BMW gerade für zehn Sekunden auf dem Busparkplatz zum Stehen kommt. Das finden sie sozial unsensibel. Es spricht einiges für die These, dass dieser Wagen Statusstress verursachen kann.

Soviel zu den Nebenwirkungen. In der Hauptsache aber bleibt es ein stolzes 2130-Kilo-Traumgebilde. Nur flirten sollte man damit nicht.

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