Drei Jahrzehnte an der Zapfsäule:Der letzte Tankwart

Uwe Möderl und seine Frau Metke an ihrer Tankstelle in Maisach

Vor vierzehn Jahren übernahm Uwe Möderl die Tankstelle von seinem Vater. Seine Frau führt seit vier Jahren die Geschäfte.

(Foto: Felix Reek)

Seit 30 Jahren betreiben die Möderls ihre Tankstelle im oberbayerischen Maisach. Service wird hier großgeschrieben, mit den meisten Kunden sind sie per Du. Und wer einen schlechten Tag hat, erzählt beim Tanken seine Sorgen.

Von Felix Reek

"Puh, wir haben Saison, das ist ganz schlecht", sagt Uwe Möderl beim ersten Gespräch am Telefon. Nur einen Augenblick später: "Wie wäre es morgen Abend?" Der 51-jährige Bayer ist offenbar kein Mann, der sich von Arbeit abhalten lässt. Auf der Suche nach einem langjährigen Tankwart hat ihn sein Chef Dietmar Possart mit den Worten "das ist ein prima Kerl" empfohlen. Possart betreibt unter dem Namen "Benzin-Kontor" 30 Tankstellen in Südbayern, Möderl ist einer seiner Pächter. Der "prima Kerl" lehnt beim Besuch in seiner Tankstelle am nächsten Tag an einem Stapel Reifen, Zigarillo in der einen Hand, das Feierabendbier in der anderen. In Maisach, etwa 30 Kilometer von München entfernt, ist die Welt noch in Ordnung.

Rund 13 000 Menschen wohnen hier, es gibt drei Tankstellen. Eine davon betreibt Möderl. Vor ziemlich genau 30 Jahren tauschte Vater Joseph den Tanklaster gegen die Zapfsäule. Auch er arbeitete damals schon für den gleichen Chef, Dietmar Possart, und lieferte für diesen das Benzin aus. Sein Sohn stieg direkt am ersten Tag mit ein, nach 16 Jahren übernahm er zur Jahrtausendwende das Geschäft. Er sei da einfach so reingewachsen, sagt er. "Der eine lernt Bäcker, der andere Metzger, wir haben halt das hier mit der Tankstelle gemacht. Seit 30 Jahren." Und fügt hinzu: "Es ist zwar ein harter Job, aber er macht jeden Tag Spaß."

Tanken im Tante-Emma-Laden

Der klassische Tagesablauf sieht für den Tankwart in etwa so aus: Um fünf Uhr klingelt der Wecker, um halb sechs geht es in die Station. Da wartet schon die erste Schlange auf ihn. Die einen wollen tanken, die anderen eine Zeitung, einen Kaffee oder gleich ein Bier. Der Arbeitstag beginnt. Um sieben Uhr kommt seine Frau dazu. Sie kümmert sich seit vier Jahren um die Geschäfte, Möderl konzentriert sich auf die Werkstatt und den Service. Seitdem sei alles "wunderbar", sagt er. Bis 17 oder 18 Uhr sind dann beide auf der Tankstelle beschäftigt.

So entspannt und in sich ruhend, wie Uwe Möderl berichtet, wünscht man sich sofort auch so einen Tankwart in der Nähe. Er ist ein wenig ein Relikt einer vergangenen Zeit, als Tante-Emma-Läden das Stadtbild beherrschten und keine riesigen Einkaufszentren. So eines hat Maisach auch, doch dort herrscht kurz vor Ladenschluss an diesem Tag bezeichnenderweise gähnende Leere. Auf der Tankstelle der Möderls ist während des Gesprächs die ganze Zeit rege Betriebsamkeit.

Die Tankstelle von Uwe Möderl in den 1980-er Jahren in Maisach.

Einblick in Familienarchiv: Die Tankstelle der Möderls in den 1980-er Jahren.

(Foto: Uwe Möderl)

Lieber selbstständig als "ein Knecht"

Zwischen 500 und 700 Kunden kommen jeden Tag, die meisten von ihnen Stammkunden. Deswegen hat Uwe Möderl auch keine Angst vor den großen Tankstellenketten. Er sei lieber selbstständig als "ein Knecht", und meint damit die großen Ketten wie Aral oder Shell.

"Wenn du heute auf die Leute zugehst, also höflich, nett - ganz normal würde ich sagen - dann danken sie es dir. Auch wenn du mal einen Cent teurer bist als die Konkurrenz." Und seine Frau Metke ergänzt: "Was du denen gibst, kriegst du auch wieder. Die kommen zu 90 Prozent wegen uns." Das Verhältnis sei eher freundschaftlich, mit mehr als der Hälfte der Kunden ist man per Du. Und wenn sie Sorgen haben, "dann sprechen sie mit mir darüber", so Metke Möderl. Seelsorge als Tankstellen-Service.

Ihr Geschäft im nahegelegenen München zu führen, können sie sich nicht vorstellen. Dort sei "alles unpersönlicher". "Ich würde in München nie eine Tankstelle aufmachen", sagt Uwe Möderl. "Nie".

Vom Benzin kann keiner leben

Umbau bei der Tankstelle Maisach 1988 und 1989.

1988 und 1989 bauten die Möderls um: Die Tankstelle in Maisach wurde modernisiert.

(Foto: Uwe Möderl)

Trotzdem ist das Klima in der Branche auch in Maisach rauer geworden. Vom Benzin allein kann keiner mehr leben. Der Shop und der Reifenservice sind essenziell für das Geschäft der beiden. Für das Jammern der Kunden über die Benzinpreise hat Möderl deswegen wenig Verständnis: "Wenn ich in München heute ein Bier trinken geh, dann zahl ich dafür auch 4,20, für einen Schweinsbraten 10 und für den Sprit zahl ich halt 1,40 oder 1,50 Euro." Und: "Wenn es nicht geht, muss man eben mit dem Rad fahren."

Dafür bekommen seine Kunden einen Service, den sonst kaum noch jemand bietet: Er misst auf Wunsch persönlich Ölstand, füllt Wasser nach, und wenn ein älterer Herr nicht mehr ganz so fit am Lenkrad ist, fährt er ihm auch noch das Auto in die Waschstraße. Kostenlos. Ganz so, wie man das von früher gewohnt ist. Von wegen Servicewüste Deutschland.

Aber vielleicht ist Uwe Möderl einfach einer der letzten seiner Art. Der Mann von der Tankstelle, wie ihn die Eltern und Großeltern noch kannten. Immer für seine Kunden da. Auch wenn es auf Kosten seiner eigenen Freizeit geht. Der mit den Dingen zufrieden ist, wie sie sind. Und für den ein Auto eben mit Benzin fährt. Auch wenn er sich dem Fortschritt nicht versperren will. "Die Zukunft gehört mit Sicherheit den Elektroautos. Aber bis das richtig serienreif ist, da sind wir in Rente." Für ihn habe ein Auto eben entweder einen Otto- oder Dieselmotor. Und ein "Elektroauto ist wie eine E-Zigarette. Entweder ich rauche eine Zigarette oder ich rauche gar nicht."

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