Dreamliner:Die Phantasie verleiht Flügel

Viel neue Technik soll die Boeing 787 Dreamliner sparsamer und komfortabler für Passagiere und Piloten machen.

Andreas Spaeth

Es sind nur kleine Schlitze, waagrechte Öffnungen an beiden Seiten des Rumpfes der Boeing 787 Dreamliner kurz vor der Flügelwurzel. Ein Detail, dass kaum ins Auge fällt, tatsächlich aber Hinweis auf eine der vielen technischen Besonderheiten des neuen Boeing-Jets ist: Durch die Öffnungen wird die Frischluft für die Kabine direkt angesaugt; bislang wird der Luftstrom in den Triebwerken, sogenannte Zapfluft, genutzt. "Damit kommt die gesamte Luft in der 787 direkt von außen; wir leiten nur so viel ein, wie wir tatsächlich brauchen", erklärt Systemchef Mike Sinnett, "zusammen mit einer effizienteren Stromerzeugung durch moderne Generatoren sparen wir allein dadurch schon drei Prozent Treibstoff ein."

Beim weltweit beachteten Rollout der Boeing 787 im amerikanischen Seattle vor drei Wochen (die SZ berichtete) achtete kaum einer der Premierengäste auf solche Details, dabei zeigen gerade sie, wie revolutionär die Technologie des Zweistrahlers tatsächlich ist. Denn die Boeing-Ingenieure haben in vielen Bereichen konsequent neue Lösungen entwickelt, die im Flugbetrieb zur Einsparung von insgesamt 20 Prozent Treibstoff gegenüber heutigen Flugzeugtypen führen sollen. Und die bislang nicht erreichte Sparsamkeit gilt als einer der Hauptgründe dafür, dass für den Dreamliner, der vermutlich Anfang September zu seinem drei- bis vierstündigen Erstflug starten wird, bereits mehr als 677 feste Bestellungen vorliegen.

"Die neuen Triebwerke, wahlweise Rolls Royce Trent 1000 oder General Electric Genx, sind der wichtigste Grund für die hohe Effizienz der Maschine", erklärt Mike Sinnett und nennt im gleichen Atemzug die Aerodynamik: "Das Verhältnis von Auftrieb und Widerstand ist besser als je zuvor."

Während des Flugs bekommt der Dreamliner eine fast vogelähnliche Anmutung

Besonders auffällig dabei sind die Tragflächen, deren Außenhaut erstmals ebenso wie der Rumpf komplett aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen (CFK) besteht und die schon am Boden leicht nach oben gebogen erscheinen. "Die Tragflächen sind viel flexibler als die bisherigen aus Aluminium", erklärt Projektingenieur Tom Cogan, "während des Fluges werden sie sich noch stärker nach oben biegen und dem Flugzeug eine fast vogelähnliche Anmutung und gute Aerodynamik geben."

Aber auch in den Tragflächen verborgen findet sich im Zusammenhang mit den Enteisungsanlagen der Vorflügel eine neue Idee. "Bisher wird heiße Luft aus den Triebwerken durch Rohre geleitet und so viel Energie verschwendet", erklärt Mike Sinnett. In die ebenfalls aus CFK gefertigten Vorflügelklappen der 787 hingegen ist eine Art Heizdecke aus Kupferdraht-Geflecht eingelassen, das sich elektrisch erwärmen lässt. "Damit sparen wir etwa die Hälfte der bisher notwendigen Energie", rechnet Sinnett vor.

Die Phantasie verleiht Flügel

Auch für die Piloten ändert sich einiges. So gibt es im Cockpit erstmals serienmäßig zwei sogenannte Head-up-Displays vor jedem Pilotenplatz - herunterklappbare Plexiglasscheiben, in die aktuelle Flugdaten eingespiegelt werden. Da so die Piloten ihren Blick nicht mehr senken müssen, um die Instrumente abzulesen, sollen eine bessere Situationswahrnehmung und Starts bei sehr schlechten Sichtverhältnissen möglich sein.

Neu sind auch die Pilotensitze, in denen sich erstmals Sitzfläche und Rückenlehne individuell verstellen lassen; zudem lassen sie sich über einen Knopf oben auf der Lehne leicht zurückschieben. Auch verfügt das Cockpit über wesentlich mehr Kopffreiheit als bisher, durch die starke Reduzierung der Verkabelungen ist die Decke höher. Insgesamt werden in der Boeing 787 nur noch 98 Kilometer Kabelstränge verlegt, während es im Airbus A380 insgesamt 525 Kilometer sind - was zu den vieldiskutierten Problemen bei dem Riesen-Airbus führte. An Bord des Dreamliner hingegen wird stark auf Glasfaserkabel anstelle von Kupferdrähten gesetzt; gut sieben Kilometer der hauchdünnen Hochleistungsfasern durchziehen das Flugzeug.

Trotz aller modernen Technik kann die Natur Flugzeugen oft übel mitspielen, zum Beispiel durch Turbulenzen. Auch dieses Problem haben die Ingenieure in Seattle wohl im Griff und nennen die Lösung Windstoß-Unterdrückungs-Technologie. Klaus Brauer, zuständig für den Passagierkomfort: "Das System reduziert die Stärke und Frequenz von Turbulenzen dramatisch und kann das Risiko aufkommender Übelkeit um bis zu 88 Prozent senken."

Das Ende der Luftlöcher?

Durch blitzschnelle Steuerung der Ruder und Klappen durch einen Computer können die Luftbewegungen weitgehend ausgeglichen werden; "sacken andere Flugzeuge durch eine Turbulenz zum Beispiel sechs Meter durch, sind es jetzt nur noch zwei Meter", rechnet Mike Sinnett vor. Gleichzeitig ist die Kabinenatmosphäre ungewohnt angenehm, weil der Innendruck nur noch dem Druck in 1800 Meter entspricht; bisher entspricht der Druck an Bord der Höhe von 2400 Meter, was bei 24 Prozent aller Reisenden zu Beschwerden führt. "Auf 1800 Meter klagen darüber nur noch vier Prozent der Passagiere, genau so viele wie auf Meereshöhe", weiß Klaus Brauer.

Auch die Kabinenluft wird sich angenehmer anfühlen, weil sie feuchter ist. Durch genauere Dosierung des Frischluftanteils lässt sich Feuchtigkeit besser regulieren und erhalten - statt heute üblichen vier Prozent Luftfeuchtigkeit werden es im Dreamliner dann 15 Prozent sein.

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