Dobrindts Pläne zur Pkw-Maut:Radarfallen säumen seinen Weg

German Transport Minister Alexander Dobrindt presents plans for a road toll involving foreign drivers using the German road network, at a news conference in Berlin

Es ist kompliziert: Alexander Dobrindt würde gerne die Maut einführen, doch seine Argumentation auf der Pressekonferenz am Montag hakt.

(Foto: REUTERS)

Verkehrsminister Dobrindt hat zwar endlich offengelegt, wie er sich eine Maut in Deutschland vorstellt. Eingeführt ist sie damit aber noch lange nicht. Am Ende könnte eine Partei den Ausschlag geben, die vieles will - nur keine Maut.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die hellbraunen Lederschuhe glänzen, der dunkelblaue Nadelstreifenanzug ist faltenfrei, die silber glänzende Krawatte sitzt wie frisch gebunden. Es ist ein wichtiger Tag für Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU. An diesem Montag will er den ersten Teil einer großen Mission erfüllen: eine Maut für Ausländer in Deutschland.

Das war das große und - neben der Mütterrente - einzig vernehmbare Wahlversprechen der CSU im Bundestagswahlkampf 2013. Und das einzige große Projekt, das die Christsozialen - neben der Mütterrente - in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln konnten.

Drei Bedingungen gilt es zu erfüllen:

  • Die Maut muss erkennbar mehr Geld in die Kassen bringen.
  • Inländer dürfen nicht zusätzlich belastet werden.
  • Das Gesetz muss mit europäischem Recht vereinbar sein.

Als Dobrindt am Montag die Bühne für seine große Pressekonferenz im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur betritt, lächelt er wie jemand, der überzeugt ist, alle Bedingungen erfüllt zu haben.

Es sei Konsens in Deutschland, dass mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt werden müsse, beginnt er. Fünf Milliarden Euro extra habe die große Koalition bis 2017 schon bewilligt. Die Nutzerfinanzierung oder auch Maut bringe in vier Jahren nochmal 2,5 Milliarden.

Schon da hakt seine Argumentation. Etwas mehr als 600 Millionen Euro soll die Maut bringen, die Dobrindt penibel "Infrastrukturabgabe" nennt. Geht es nach Dobrindt, soll die Maut am 1. Januar 2016 "scharfgestellt" werden, wie er das nennt. Bis 2017 kommen also höchstens 1,2 Milliarden Euro zusammen. Und nicht 2,5 Milliarden. Nun ja, Kleinigkeiten angesichts der anderen Probleme (wie die "Infrastrukturabgabe" im Detail funktionieren soll, wird hier erklärt).

Dobrindts Pläne zur Pkw-Maut: undefined

Insgesamt mehr Geld wird die Maut wohl bringen. Ob das den Aufwand rechtfertigt, ist eine politische Frage.

Aber ist Dobrindts Konzept auch europatauglich? Wäre der Weg zur Maut eine lange Bundesstraße, hier stünde die erste von vielen Radarfallen. Die EU verbietet eine Diskriminierung von EU-Bürgern. Wenn eine Maut, dann eine für alle, für In- wie für Ausländer. Ein Maut nur für Ausländer - wie von der CSU versprochen - kann es schon deshalb nicht geben.

Verräterisches Wort "Verrechnung"

Dobrindt erklärt nun, mit seiner "Infrastrukturabgabe" würde er ein völlig neues Instrument schaffen. Diese Abgabe müssten alle zahlen. Andererseits gebe es eine Reform der KfZ-Steuer, die deutsche Autofahrer irgendwie zufällig um genau jenen Betrag entlasten soll, die sie für die Maut aufbringen müssten.

Einmal aber benutzt Dobrindt ein ab jetzt verräterisches Wort: Die KfZ-Steuer werde mit der Maut "verrechnet", sagt er. Das dürfte nach EU-Recht nicht sein. Dobrindt versichert deshalb: Hier die Abgabe, da die KfZ-Steuer-Reform. Zwei völlig verschiedene Dinge. So will sich Dobrindt verstanden wissen.

Ob Brüssel das reicht? Der Sinn von Dobrindts KfZ-Steuerreform ist ja augenfällig: Er liegt allein darin, die Mehrkosten für die Infrastrukturabgabe auszugleichen. Damit am Ende die Deutschen unterm Strich keinen Cent mehr zahlen als heute. Und Ausländer zur Kasse gebeten werden können. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas müsste blind sein, um das nicht zu sehen. Darum hat die EU-Kommission jetzt klargestellt, sie könne "kein grünes oder rotes Licht" geben, solange nicht "alle Details bekannt sind".

Muss der Bundesrat zustimmen, können die Grünen das Gesetz kippen

Auch die Bedingung, dass Deutsche nicht mehr zahlen sollen, stimmt wohl nur für den Moment der Maut-Einführung. Das ist die nächste Radarfalle. Wenn es nämlich keine automatische Verrechnung zwischen beiden Systemen gibt, dann kann auch niemand garantieren, dass deutsche Autofahrer künftig nicht doch mehr zahlen müssen, wenn die Maut irgendwann angehoben werden sollte.

Dobrindt bestätigt das indirekt: Es gebe "keine Verlinkung" zwischen seiner Abgabe und der KfZ-Steuer. Heißt: Wenn gewünscht, kann die Maut jederzeit angehoben werden, ohne die KfZ-Steuer zu senken. Die Erfahrung lehrt, dass es dazu kommen wird. Und schon rast Dobrindt auf die nächste Radarfalle zu: Er will die Maut für das "gesamte deutsche Straßennetz". Also auch für Land-, Kreis- und Ortsstraßen. Deren Kontrolle und Unterhaltung obliegt aber den Ländern. Dobrindts Maut-Gesetz wird also sehr wahrscheinlich im Bundesrat zustimmungspflichtig sein. Damit wäre Dobrindt plötzlich abhängig von den Grünen. Die lehnen eine Maut bisher rundweg ab.

Dobrindt stellt in Aussicht, mit den Ländern über Geld verhandeln zu wollen. Die hatten bereits angemahnt, dass der Verkehrsminister keine Maut auf Landstraßen erheben könne, ohne die Länder an den Einnahmen zu beteiligen. Die Frage ist, ob sich die Grünen mit dem Maut-Geld kaufen lassen. Wenn nicht, gibt es ein Fahrverbot für Dobrindt. Sein Maut-Konzept wäre wohl tot.

Die Begehrlichkeiten der Länder werfen ein neues Problem auf: Dobrindt verspricht 625 Millionen Euro im Jahr an Maut-Einnahmen, die direkt in den Straßenbau und -erhalt fließen sollen. Wenn er davon aber Geld den Ländern abgeben muss, können die damit machen, was sie wollen. Der Bund hat keine Befugnis, den Ländern vorzuschreiben, wofür sie ihr Geld ausgeben müssen.

Warum die Verbraucher mit Vignetten gängeln?

Dazu kommt eine weitere Unstimmigkeit: Nach Dobrindts Konzept bekommt jeder Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeuges bis 3,5 Tonnen automatisch eine Vignette zugeschickt. Er muss sich um "nichts kümmern", verspricht er. Außer die Vignette an der Windschutzscheibe anzubringen.

Nur, warum eigentlich? Wenn für jedes Auto mit deutschem Kennzeichen ohnehin automatisch die Infrastrukturabgabe gezahlt werden muss, ergibt eine Vignette im Grunde doch keinen Sinn mehr, oder? Warum also werden die deutschen Autofahrer mit jährlichen neuen Aufklebern für ihre Windschutzscheibe gegängelt?

Dobrindt nimmt diesen Einwand eines Journalisten zur Kenntnis. Eine Antwort hat er, wie auf so viele Fragen, nicht.

Muss er vielleicht auch nicht haben. Jetzt wird erst einmal der Gesetzentwurf erarbeitet. Ob der noch vor Weihnachten kommt, will er nicht sagen. Dobrindt wird inzwischen verstanden haben, dass das mit der Maut alles etwas komplexer ist als die CSU im Wahlkampf weiszumachen versuchte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: