Diskussion um Pkw-Maut:Geld, das auf der Straße liegt

In vielen europäischen Ländern müssen Autofahrer zahlen, wenn sie die Autobahn nutzen. In Deutschland hingegen, dem Land mit dem größten Fernstraßennetz Europas, ist es gratis. Viele finden das ungerecht. Pünktlich zur Urlaubszeit fordert die CSU nun die Einführung einer deutschen Pkw-Maut, um das Verkehrsnetz auszubauen. Doch der Nutzen bleibt umstritten.

Michael Bauchmüller

Es gibt Gegenden in Deutschland, dort ist Fortbewegung Glückssache. Auf den Autobahnen mit einstelligen Nummern zum Beispiel, den alten: A1, A3, A4, A8, A9. Überall dort, wo sich die Spuren verengen, wo Autos sich von drei Fahrstreifen auf zwei verteilen sollen, droht der Stau. Es gibt auch Strecken, auf denen fließt der Verkehr, und doch stimmt etwas nicht. Nur sieht man das nicht im Vorbeifahren.

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Die CSU will Autofahrer abkassieren, um das Verkehrsnetz auszubauen - doch der Nutzen einer Maut ist umstritten.

(Foto: AP)

Es steht in den Brückenbüchern, die den Zustand jeder einzelnen Brücke peinlich genau erfassen. Für manche Autobahnbrücken aus den siebziger Jahren enthält das Brückenbuch eine Dokumentation des schleichenden Verfalls. Schon warnt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vor einem nahenden Verkehrschaos, wenn Brücken für schwere Lastwagen gesperrt werden müssten. Es fehle schlicht das Geld, um sie zu reparieren.

Wenn es am Geld für bessere Autobahnen mangelt, ist in Deutschland die Mautdebatte nicht weit. Kein anderes Land Europas stellt Autofahrern ein solch großes Fernstraßennetz kostenfrei zur Verfügung, und das auch noch streckenweise ohne Tempolimit. Steuert der Deutsche dagegen ins Ausland, zahlt er: Vignetten in der Schweiz, in Österreich oder Tschechien, Autobahngebühr in Italien, Frankreich oder Kroatien. Das wurmt.

Nicht zufällig in der Urlaubszeit ist das Thema nun wieder da, die CSU hat es aufgebracht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer fordert seit Wochen eine Vignette nach österreichischem Vorbild - als "Antwort auf den Investitionsstau" in Deutschland, wie er sagt. Für die Nutzung hiesiger Autobahnen bräuchte jedes Auto dann ein Pickerl, etwa zu je 100 Euro im Jahr.

Bei gut 42 Millionen Autos im Land kämen so mehr als vier Milliarden Euro zusammen, zuzüglich der Einnahmen von ausländischen Pkw. Sie sind hierzulande für gut fünf Prozent der gesamten Fahrleistungen verantwortlich. Im Gegenzug würden zumindest Einheimische entlastet: Sie müssten weniger Kfz-Steuer zahlen. Elegant wäre so das Ausland zur Finanzierung deutscher Autobahnen herangezogen.

850 geplante Ortsumgehungen, 850 Kilometer neue Autobahnen

Aus Sicht ihrer Befürworter ist das nicht der einzige Vorteil der Vignette. Denn die Einnahmen aus dem Pickerl-Verkauf ließen sich auch in einen separaten Topf lenken. Der deutsche Straßenbau-Etat wäre nicht mehr vom Gutdünken der Haushälter abhängig, es entstünde ein eigener "Finanzierungskreislauf".

Ein entsprechendes Konstrukt gibt es schon seit 2003; es ist die "Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft". Sie verwaltet die Milliarden-Einnahmen aus der deutschen Lkw-Maut. Mit Einnahmen aus einer Vignette aber hätte sie ungleich mehr Geld zur Hand. "So könnte man schon das eine oder andere Projekt damit anstoßen", schwärmt Heiko Stiepelmann, Vize-Geschäftsführer beim Hauptverband der Bauindustrie.

Die Industrie hat längst ein Auge geworfen auf die vielen Aufträge, die an maroden Brücken und engen Autobahnen winken: Allein zehn Milliarden Euro würde schätzungsweise die Sanierung angeschlagener Brücken kosten. Hinzu kommen 850 geplante Ortsumgehungen, 850 Kilometer neue Autobahnen, 1650 Kilometer neue Fahrstreifen. Der derzeitige Straßenbau-Etat von gut fünf Milliarden Euro reicht dafür nicht. Und dabei liegen gerade in den Südländern Baden-Württemberg und Bayern so viele Projekte in der Schublade, die der Finanzierung harren. Nicht von ungefähr steht die CSU stets an der Spitze der Bewegung.

Autofahrerlobby als mächtiger Kontrahent

Allerdings haben die Freunde der Maut einen mächtigen Kontrahenten: die Autofahrerlobby. Mit einer Maut werde "nur noch mehr Geld von den inländischen Autofahrern abkassiert", sagt ADAC-Präsident Peter Meyer. Schließlich lasse sich eine einmal gesenkte Kfz-Steuer auch problemlos wieder anheben, warnt der Club. Dann bleibe von der Maut nichts außer einer weiteren Last.

Tatsächlich muss sich der Fiskus über den Beitrag des Automobils nicht beklagen. Etwa 40 Milliarden Euro spielt die Steuer auf Benzin und Diesel im Jahr ein, weitere acht Milliarden Euro die Kraftfahrzeugsteuer. Hinzu kommen 4,5 Milliarden aus der Lkw-Maut, die schwere Lastwagen auf der Autobahn zahlen müssen.

"Das Geld für die Straße ist da", heißt es beim ADAC. "Es muss nur dafür verwendet werden, statt im Haushalt zu verschwinden." Kritik regt sich aber auch an der Form der Maut-Erhebung. In einer Studie nahm sich im vorigen Jahr das Umweltbundesamt verschiedener Varianten einer Autobahn-Maut an.

Ausgerechnet der Seehofer-Vorschlag schnitt am schlechtesten ab. Denn zur Verkehrssteuerung tauge das Pickerl kaum, ebenso wenig zur Entlastung der Umwelt. Stattdessen schaffe die neue Einnahmequelle "Anreize für Gelegenheitsfahrer, Autobahnen zu meiden".

Besser sei da schon eine Maut, die jeden gefahrenen Kilometer erfasst, vergleichbar dem satellitengestützten System für Lastwagen. So könnte eine Maut helfen, bestimmte Strecken zu entlasten - mit Mautsätzen, die nach Ort und Zeit gestaffelt sind. Nur wäre der Aufwand dafür gigantisch, nicht nur für die Erhebung, sondern auch die Ausstattung von Millionen Fahrzeugen mit den nötigen Sendern.

Merkel hält nämlich bislang nicht allzu viel vom Pickerl

Ohnehin lässt der Aufwand sogar manchen CSU-Politiker vor den Seehofer-Plänen zurückschrecken. Zwar ließen sich mit der Vignette auch die ausländischen Autofahrer zur Kasse bitten - nur entsprechen die Einnahmen daraus ungefähr dem Aufwand für Aufbau und Kontrolle eines Vignettensystems.

"Wenn das Ganze aber für deutsche Autofahrer keine Mehrkosten verursachen soll", fragt ein Parteifreund Seehofers, "woher sollen dann die zusätzlichen Einnahmen für die Infrastruktur kommen?"

So manches scheint noch offen zu sein an der Idee, weswegen Verkehrsminister Ramsauer und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nun bis zum Herbst erst einmal ein Modell erarbeiten sollen. Das muss dann auch die Kanzlerin überzeugen. Angela Merkel hält nämlich bislang nicht allzu viel vom Pickerl.

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