Süddeutsche Zeitung

Dieselautos zum Schleuderpreis:Was das Fahrverbots-Urteil für Autobesitzer bedeutet

  • Die Preise für gebrauchte Dieselautos gaben schon vor dem Fahrverbotsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes nach.
  • Experten glauben, dass sich der Trend weiter verstärken wird. Das Dieselgeschäft steht wohl vor seinen schwersten Zeiten.
  • Hinzu kommt: Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel könnten aufwändiger sein als gedacht - und damit teuer.

Von Joachim Becker und Thomas Fromm

Der Händler eines Münchner Autohauses, zuständig für Gebrauchtwagenverkäufe, will am Telefon nichts sagen. "Da gibt es von uns kein Statement dazu", meint er. Und legt auf. Das ist neu: Gebrauchtwagenhändler, die sonst immer sehr gerne und ausführlich Auskunft über ihre Autos geben, wollen auf einmal nicht mehr reden. Vielleicht auch, weil sie gar nicht wissen, was sie jetzt sagen sollen. Der Handel ist in Schockstarre: Wer jetzt noch alte Diesel auf dem Hof stehen hat - also die meisten Händler - dürfte sie nach diesem Dienstag kaum noch loswerden. Außer eben, er gibt sie zu Schleuderpreisen ab und nimmt hohe finanzielle Einbußen in Kauf.

Schon seit Monaten fallen die Preise für gebrauchte Diesel. Nach dem Urteil vom Dienstag zu Fahrverboten in Städten dürften sich ältere Diesel so gut wie gar nicht mehr verkaufen. Nach einer Studie der Deutschen Automobil Treuhand DAT hat die Diesel-Krise schon jetzt zu einem Wertverlust geführt. Demnach brachte ein drei Jahre altes Auto im Dezember nur noch 52,6 Prozent des Listenneupreises - 3,4 Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. "Die Preise gebrauchter Diesel werden weiter nachgeben", schreibt der Restwertspezialist Schwacke in einer Mitteilung.

Das Problem ist nun: Die Zahl der Altwagen von Privatkunden, aus Flotten und von Vermietern, die auf den Markt kämen, sei nach wie vor hoch. Auch "verunsicherte Diesel-Besitzer" würden nun versuchen, ihre oft älteren Autos abzustoßen. Da aber gleichzeitig wohl kaum noch einer ein solches Auto kauft, steht das Dieselgeschäft nun wohl vor seinen schwersten Zeiten.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) rechnete am Dienstag mit Milliardenschäden für die mehr als zehn Millionen Diesel-Besitzer und einem weiteren Absturz des Diesel-Marktanteils in Deutschland. "Zumindest für die direkt Betroffenen stellt ein Fahrverbot - selbst wenn es nur temporär und für Teile des Stadtgebiets ausgesprochen wird - eine erhebliche Wertminderung ihres Fahrzeugs dar", so die Schlussfolgerung der Studie.

Nachrüstungen? Bei Euro-4-Dieseln fast unmöglich

Ein Ausweg wäre, die älteren Dieselfahrzeuge nachzurüsten und damit so sauber zu machen, dass sie allen Fahrverboten entgehen. Doch das lohnt in vielen Fällen nicht. Etwa bei Selbstzündern mit Baujahr vor 2009, also bei Autos mit Euro-4-Norm oder niedriger. Viele dieser Modelle können die Abgase nicht in den Ansaugtrakt zurückführen und über eine zweite Verbrennung reinigen. Weil das Zusammenspiel mit der Motorsteuerung extrem komplex ist, lässt sich eine Abgasrückführung auch nicht einfach nachträglich einbauen. Es fehlt auch ein Anschluss an die Instrumente im Cockpit, um Fehler anzuzeigen. Selbst wenn die Nachrüstung möglich wäre, würden die hohen Kosten über dem Wertverlust wegen eines drohenden Fahrverbots liegen.

Bei den neueren Euro-5-Modellen, die zwischen 2009 und 2016 gebaut wurden, kann der Aufwand einer Nachrüstung stark schwanken: "Gemäß Aussagen der Zulieferer liegen die Kosten für eine Nachrüstung zwischen 2500 bis 5000 Euro pro Fahrzeug. Die Kostenangaben enthalten sowohl die Beschaffungs- als auch die Montagekosten sowie die Mehrwertsteuer", heißt es in einem vertraulichen Arbeitspapier des Umweltbundesamtes, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Deutsche Umwelthilfe spricht dagegen von knapp 1000 Euro Nettokosten für die Teile, zumindest bei einem VW Passat. Hinzu kämen zwei Arbeitsstunden in der Werkstatt.

Euro-5-Diesel sind die ärgsten Luftverpester

Der ADAC schätzt die Kosten eher doppelt so hoch ein, weil die Teile bei vielen Modellen - anders als beim Passat - erst noch entwickelt und produziert werden müssten. Die Abgasreinigung mithilfe von Adblue braucht nicht nur einen Tank für die Harnstofflösung, sondern auch einen Anschluss an die Motorsteuerung. Andernfalls setzt sich der Katalysator mit Adblue-Resten zu wie ein ungeputztes Urinal. Das ist der Grund, warum viele Autohersteller noch keine Nachrüstungen anbieten: Ohne Langzeittests wollen sie keine Garantie für die Nachrüstlösungen übernehmen.

Gerade die Euro-5-Modelle sind allerdings hauptverantwortlich für die schlechte Luft in vielen Städten: 39 Prozent der Diesel sind Euro-5-Modelle. Sie sind die ärgsten Luftverpester. Laut Hochrechnungen des Umweltbundesamtes stoßen Euro-5-Modelle sogar mehr Stickoxide pro Kilometer aus als die älteren Euro-4-Diesel. Grund für die schlechten Abgaswerte ist der Downsizing-Trend: Die Motoren wurden zuletzt bei gleicher Leistung immer kleiner, um den Spritverbrauch und so die CO₂-Werte zu senken.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2018/harl
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