Auto-Rabatte:Der Diesel-Tausch lohnt sich - aber nicht für jeden

Stadtverkehr in Berlin

Tauschen, nachrüsten, neu kaufen? Angesichts drohender Fahrverbote sind viele Diesel-Fahrer ratlos.

(Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)
  • Die Autohersteller locken Dieselfahrer mit Prämien bis zu 10 000 Euro beim Kauf eines neuen Fahrzeugs. Doch nicht jedes Angebot ist so großzügig, wie es erscheint - und nicht jeder kann es sich leisten.
  • Besonders die deutschen Hersteller verwirren ihre Kunden mit unübersichtlichen Rabatten.

Von Felix Reek

Der Kollege ist genervt. Er fährt einen Diesel von Skoda, Euro 5. Also genau eines jener Fahrzeuge, die von dem Abgasskandal betroffen sind, der seit mittlerweile drei Jahren die Bundesrepublik beschäftigt. Passiert ist seitdem nichts. Zumindest nicht konkret für ihn als Autofahrer. Weder erhielt sein Octavia eine neue Software, die den Ausstoß von Stickoxiden verbessert, noch eine Hardware-Lösung. Stattdessen drohen Fahrverbote. In Hamburg und Berlin gibt es sie bereits, zwölf weitere Städte wie München, Stuttgart und Düsseldorf könnten bald folgen, wenn die Luft sich nicht schnellstens verbessert. Der Kollege will sein Auto loswerden. Und die Gelegenheit scheint so günstig wie nie: Die Hersteller überbieten sich gerade, wenn es um Rabatte für alte Diesel geht. 5000 Euro, 6000 Euro, 10 000 Euro Abwrackprämie, das klingt nach einem guten Geschäft. Das Problem ist: So einfach ist es nicht. Beziehungsweise: Die wahren Konditionen verbergen sich hinter vielen Sternchen am Ende vollmundiger Werbeversprechen.

Beispiel Renault: "Bis zu 10 000 Euro für viele Renault-Modelle" lockt der Hersteller auf seiner Webseite. Ganz unten erfährt der Kunde im Kleingedruckten: Das gilt nur für den Kauf eines Neuwagens. Und auch nur für den Espace, Talisman und Koleos. "Viele Renault-Modelle" heißt also konkret, die teuersten im Portfolio des Herstellers. Der Rest der Prämien ist entsprechend des Kaufpreises und der Größe des Autos gestaffelt. Für einen Twingo gibt es 2000 Euro, für einen Megane 5000 Euro. Ein Schema, das sich bei allen Herstellern durchzieht.

Ein Neuwagen zum halben Preis

"Bei Renault sieht man, dass gerade die Fahrzeuge mit hohem Absatzvolumen mit weniger Abwrackprämie versehen werden, absatzschwächere mit höheren Prämien", erklärt Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft (ifa). Gute Angebote sind es trotzdem. "Auch 5000 Euro sind deutlich über dem, was man sonst bekommt. Solche Rabatte lassen sich tatsächlich nicht erzielen, wenn ich normal kaufe", so der Leiter des ifa. Hinzu kommt noch der Betrag für die Inzahlungnahme des alten Diesel (Euro 1 bis 5). So lässt sich zumindest in der Theorie der Kaufpreis eines Espace fast halbieren: 39 100 Euro minus 10 000 Euro Prämie minus 9000 Euro für den Gebrauchtwagen, ergibt noch 20 100 Euro für den Van.

Ähnlich hohe Rabatte bieten auch andere Hersteller. Bis zu 5000 Euro zahlt Toyota für den Tausch eines Diesels gegen einen Hybriden, Ford maximal 8000 Euro, jeweils gestaffelt nach Größe der Modelle. Neu sind diese Angebote allerdings nicht und erst recht kein Geschenk an die Autofahrer: Es ist der Versuch, den Image-Verlust der deutschen Hersteller auszunutzen und neue Kunden für sich zu gewinnen. "Renault hat sofort reagiert und war dann mit 10 000 Euro Prämie in den Schlagzeilen. Auch wenn es für einzelne Modelle gar nicht stimmt", so Stefan Reindl.

Noch keine klaren Aussagen von VW

Die deutschen Hersteller hingegen sind bei ihren Rabatten deutlich zurückhaltender - trotz der Absprachen mit der Großen Koalition. "Was Verkehrsminister Scheuer da aufgesetzt hat, ist ein Positionspapier", so Reindl. "Es gibt keine rechtliche Handhabe." Die Angebote der einheimischen Industrie sind demnach freiwillige Zugeständnisse - und deswegen äußerst unterschiedlich. Noch nicht geklärt ist die Situation bei Volkswagen, deren Betrugssoftware die Diesel-Diskussion auslöste. Bisher kündigte VW nur an, im Schnitt 4000 Euro Prämie für einen Euro 1 bis 4 und 5000 Euro für einen Euro 5 Diesel zu zahlen. Wann das sein wird, steht noch nicht fest. Im Moment gilt nur weiterhin die "Deutschland-Garantie", bei der Käufer Autos des Konzerns eintauschen können - wenn sie nach dem 1. April 2018 zugelassen wurden.

Konkreter, aber wesentlich komplizierter sind die Angebote von BMW. Innerhalb der "Umweltprämie+" erhalten Kunden 6000 Euro Rabatt beim Kauf eines Neuwagens, wenn sie ihren Euro 4 oder Euro 5 Mini oder BMW in Zahlung geben. Bedingung ist, dass sie in einem Umkreis von 70 Kilometern einer der 14 Städte leben, in denen die Luftverschmutzung besonders groß ist oder dorthin pendeln. Und dass das Fahrzeug seit mindestens zwölf Monaten auf den Halter zugelassen ist. Wer sich für einen Jahreswagen oder einen jungen Gebrauchten aus dem Fahrzeug-Pool von BMW entscheidet, bekommt 4500 Euro. Autofahrer mit Dieselfahrzeugen anderer Hersteller erhalten wesentlich weniger Vergünstigungen. 2000 Euro Rabatt für einen Neuwagen und 1500 für alle anderen Fahrzeuge - allerdings nur beim Kauf eines BMW oder Mini, der unter 130 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstößt. Eine Vorgabe, die bei BMW nur Modelle mit Dieselmotor und das Elektroauto i3 erfüllen.

Rabatte lohnen sich für diejenigen, die sowieso ein neues Auto kaufen wollten

Ähnlich unübersichtlich tauscht Mercedes alte Diesel ein. Die Rabatte staffeln sich nach Modell und Zustand. Heißt: Für den Kauf eines Gebrauchtwagens aus dem Mercedes-Bestand zahlt Daimler mindestens 1500 Euro, für einen Neuwagen maximal 10 000 Euro. Das muss dann aber ein Oberklassemodell wie S-Klasse oder GLS sein. Und die kosten mindestens 100 000 Euro.

Deswegen geht Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft auch nicht davon aus, dass die Dieselfahrer jetzt die Autohäuser der Hersteller stürmen. "Bei den älteren Fahrzeugen, Euro 4 und darunter, wird der Effekt niedrig sein, weil diese Autofahrer sich das trotz Prämien nicht leisten können." Erfolgreich war mit seinen Rabatten in den vergangenen Monaten nur Volkswagen. "Das war durch die Angst der Kunden hinsichtlich des Wertverlustes und der Gefahr von Fahrverboten getrieben", so Reindl. Bis Februar nutzten 150 000 Autofahrer die Umtauschpämie. Dieser Boom sei allerdings vorbei. Die aktuellen Rabatte lohnen sich vor allem für all jene, die sowieso ein neues Auto kaufen wollen oder deren Diesel schon viele Kilometer auf dem Tacho haben und nur noch einen geringen Verkaufswert besitzen. Sie bringen den Kunden zwar höhere Rabatte als üblich - einen schnellen Austausch der Diesel-Flotte können sie aber nicht bewirken. Und schon gar keine Fahrverbote verhindern.

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