Süddeutsche Zeitung

Diesel:Wie sich die Autoindustrie gegen Hardware-Nachrüstungen stemmt

  • Die Autokonzerne wollen Hardware-Nachrüstungen unbedingt verhindern. Sie seien im Kampf gegen schlechte Luft nicht notwendig, sagen die Hersteller.
  • Fachleute sehen das anders. Die bislang angebotenen Software-Updates würden das Schadstoff-Problem nur zum Teil lösen.

Von Max Hägler

Es ist nicht zu übersehen, wie genervt die Automanager von der Nachrüst-Debatte sind. Beim Autogipfel der Landesregierung Baden-Württemberg vor einigen Wochen etwa. Im Gegensatz zum eher verschlafenen Bayern werden im Autoland im Südwesten regelmäßig auf großer Bühne die Herausforderungen der Branche debattiert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gab den Wirtschaftsführern dabei die Richtung vor: "Ein bisschen weg von der ewigen Diskussion der Altlasten und in die neue Zukunft hinein." Also sprachen Porsche-Chef Oliver Blume, Daimler-Chef Dieter Zetsche und Bosch-Chef Volkmar Denner über robotergesteuerte Elektroautos; das Wort "sexy" fiel auffällig häufig.

Dann kam doch noch jemand auf die schlechte Luft in den Städten und die Nachrüstung von Dieselautos zu sprechen - und die Mienen verfinsterten sich. Man sei "Riesenschritte vorangekommen", antwortete Zetsche. Die Grenzwerte beim Reizgas Stickoxid würden sowieso bald unterschritten, und deshalb sei das im Prinzip ein Thema von gestern.

Das Problem erledige sich bald, das ist das Mantra aller deutschen Hersteller, die sich im Lobbyverband VDA versammeln. Die Nachrüstung von älteren Dieselautos mit leistungsfähigen Reinigungsanlagen, sogenannten SCR-Katalysatoren, die Stickoxide filtern, sei also nicht notwendig, behaupten sie; nicht nur das Umweltbundesamt, auch der ADAC sehen das anders. Doch die Autobauer halten dagegen. Die Nachrüstung sei auch deshalb Unsinn, weil Löcher in die Karosserie gebohrt werden müssten, der Verbrauch um einige Prozent steige und keiner wisse, ob ein Wagen dann noch so gut fährt wie vorher. Das Ganze sei eine Operation am offenen Herzen.

Die Hersteller werden mit ziemlich großer Sicherheit auch deshalb keine eigenen Nachrüstungen anbieten, da unklar ist, wer bei Problemen haftet. Außerdem verändert der nachträgliche Einbau von leistungsfähigen Katalysatoren die Autos derart, dass die bereits ordentlich zugelassenen Fahrzeuge neue Papiere bräuchten. Das Testen und Zertifizieren dauert derzeit etwa zwei, drei Jahre. Das Einzige, worauf sich Mercedes und andere einlassen könnten, wäre, dass andere Anbieter Katalysatoren hineinschrauben - für die Kunden, die das unbedingt wünschen und auf deren eigene Verantwortung. "Wenn Dritte das tun möchten, stehen wir dem nicht im Wege", sagte Zetsche beim baden-württembergischen Autodialog.

In den vergangenen Tagen ist eine weiterere Möglichkeit wieder stärker betont worden: Prämien für Neuwagen, auf dass ältere Diesel schneller ersetzt werden. Das Kalkül der Hersteller ist klar: Sie würden dann zusätzlichen Umsatz machen, statt mit Nachbesserungen an Gebrauchtwagen Geld zu verlieren. Dass dies allerdings auch keine ideale Lösung ist, darauf weist Ferdinand Dudenhöffer hin, Automobilexperte der Universität Duisburg-Essen. Denn etliche der neuen Dieselmotoren, die vermeintlich sehr sauberen also, seien oft gar nicht so umweltfreundlich. "Das fast größere Problem sind nicht die Euro-5-Diesel, sondern die Euro-6-Diesel", sagt Dudenhöffer. Auch diese hätten nicht immer moderne Abgasreinigungsanlagen an Bord.

Einige ausländische Hersteller entziehen sich der Debatte völlig

Nach Schätzung der Uni Duisburg-Essen wiesen etwa 80 Prozent der neuen Diesel auf Deutschlands Straßen deutlich zu schlechte Stickoxidwerte auf. Sie lägen im normalen Fahrbetrieb zum Teil weit über den gesetzlichen Vorgaben von 80 Milligramm pro Kilometer. Das gelte für 3,7 Millionen neuere Diesel-Pkw, die oft noch zehn Jahre und mehr herumfahren werden. "Software-Updates lösen die Probleme hier nur zum Teil", sagt Dudenhöffer.

Nehme man verschiedene Abgastests zusammen - etwa vom ADAC, dem Kraftfahrtbundesamt oder von Motorfachzeitschriften -, ergebe sich im Durchschnitt eine 5,1-fache Überschreitung des Emissionsgrenzwertes. Statt 80 Milligramm Stickoxiden würden im Mittel mehr als 400 Milligramm in die Luft geblasen. Dabei wird auch deutlich, was eine Lösung des Dieselproblems zusätzlich erschwert: Dudenhöffer nennt Fiat, Renault und Dacia, die teils besonders dreckige Wagen bauten. Doch diese Hersteller haben sich - wie beinahe alle ausländischen Hersteller - der Debatte um Nachrüstungen völlig entzogen. Oft sind sie noch nicht einmal bereit, der Politik Ansprechpartner mit Prokura zu stellen.

Auch Dudenhöffer kennt das Problem - und sagt dennoch: "Seit drei Jahren drückt sich die Branche vor Hardware-Nachrüstungen für Euro-5-Diesel und ist damit zu großen Teilen für die kommenden Fahrverbote in deutschen Großstädten mitverantwortlich." Das müsse ein Ende haben. Deshalb solle die Kanzlerin bei ihren Gesprächen mit der Autoindustrie auch die neueren Euro-6-Diesel in den Blick nehmen. Gerade jene ohne die allerneueste Plakette (Euro 6d Temp) müssten ebenfalls schneller sauber werden. Egal, was die Hersteller dazu sagen.

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SZ vom 24.09.2018/jps
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