Die Zukunft von Premium (3): BMW:Revolution am Petuelring

BMW und die Nachhaltigkeit - Königsweg oder Sackgasse? Auch in puncto Sportwagen müssen die Münchner fast wieder bei null anfangen.

Georg Kacher

Die Modellpolitik ist im Automobilbereich immer eine Gratwanderung, doch nur wenige Hersteller wandeln bewusst so dicht am Abgrund wie BMW. Als Beispiele für die Mischung aus Mut und Übermut gelten der weitgehend sinnfreie, aber erfolgreiche X6, der pragmatische, doch wenig ansehnliche Fünfer GT, die weder als GT noch als Sportwagen taugliche Sechser-Reihe, die gegen den Markt durchgesetzten Hardtop-Dachkonzepte des Z4 und des Dreier Cabrio, die offenbar in der Dunkelkammer abgesegneten Steilheckvarianten der Einser-Reihe und der als Konzept stimmige, aber aus manchem Blickwinkel unhübsche X1.

Die Zukunft von Premium BMW

Blick in die Zukunft: Das GranCoupé, gerade in Peking vorgestellt, deutet bereits auf einen viertürigen Sechser hin.

(Foto: Foto: oh)

Alles nur Häme? Vielleicht. Doch ein Blick in die Zukunft zeigt, dass BMW die Fehler der Vergangenheit weitgehend vermeiden wird. Dafür stehen nicht nur der aktuelle Siebener und die neue Fünfer-Reihe, die mit ihrer verbindlicheren Formensprache auf Versöhnungskurs fahren.

Dies gilt auch für den neuen X3 (kommt im Herbst), für den nach der in Peking präsentierten GrandCoupé-Studie modellierten viertürigen Sechser und den in Sachen Scheinwerfer, Rückleuchten und Fugenverlauf deutlich entschärften Einser-Nachfolger. Er debütiert 2011.

Die ebenfalls für das nächste Jahr avisierte Sportversion des Einser Coupé mit rund 350 PS, die M1 heißen müsste, aber vielleicht nicht darf, belebt jene lange vermisste Zurück-zu-den-Wurzeln-Tradition, die seit den Urzeiten der ti-Modelle nur noch sporadisch gepflegt wurde.

Die Mini-Familie wächst auf sieben Mitglieder

BMW und der Frontantrieb, das ist eine erfolgreich verdrängte Hassliebe, gegen die sich das mächtige Ingenieurskorps seit jeher heftig gewehrt hat. Auch als Ex-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder die Rover-Liaison eingefädelt hatte und auf eine Frontantriebsallianz mit den Engländern drängte, setzten sich die weißblauen Hardliner durch. Der späte Umschwung kam folgerichtig nicht von innen, sondern von draußen. Mercedes brachte die A- und B-Klasse, Audi den A3 und dann den A1 - allesamt mit platzsparendem und leichterem Front- oder Vierradantrieb. Da konnte man in München nicht länger tatenlos zusehen.

Die neuen Front- und Allradantriebsmodelle sollen in die Einser-Reihe eingegliedert werden. Diese Strategie klingt unlogisch, hat aber Hand und Fuß. Klar ist, dass von 2011 an die vier bekannten Einser-Modelle wie gehabt durch die fix und fertigen Heckantriebsvarianten ersetzt werden. Dazu gesellen sich ab 2013 zwei 2WD/4WD-BMW, ein Hochdachauto mit dem schönen Kürzel CAT (Compact Activity Tourer) und ein viertüriges Schrägheck mit dem Arbeitstitel Joy, das vermutlich als Einser GT starten wird. Damit die Stückzahlen möglichst hoch in den weißblauen Himmel wachsen, darf Mini an beide BMW-Typen mit eigenständigen Karosserievarianten andocken. Aus dem CAT wird so ein MiniVan und aus dem GT könnte eines Tages der Nachfolger des Clubman entstehen.

Die Mini-Familie wächst mittelfristig auf sieben Mitglieder: Mini, Cabrio, Speedster, Coupé, Clubman, Countryman, MiniVan. Als kleinstes Mitglied ist ein MiniMini Stadtwagen denkbar, für den allerdings wohl die Project-i-Fraktion zuständig wäre. Der größte Mini entspricht ungefähr dem Einser; ein noch längerer Maxi wurde verworfen.

Das Design bleibt evolutionär wie beim Porsche 911, was leider auch für das verspielte und teilweise wenig wertige Interieur gilt. Was uns fehlt, ist ein entkernter, aber nicht entfeinerter Basis-Mini mit ausreichend Leistung, bei dem man das viele Geld nicht für buntes Chichi, sondern für ein ganz besonderes Fahrerlebnis ausgibt. Bei der Gelegenheit könnte BMW auch über einen scharfen tii nachdenken, der auf Einser-Basis den Geist der 02-Baureihe aufleben lässt - mit Dünnglasscheiben, Aluteilen, Minimal-Geräuschdämmung, Biturbovierzylinder und Heckantrieb. Die Marke braucht solche Autos, um jene jungen Kunden zu begeistern, die demnächst den DTM-Rennern beim Lorbeersammeln zusehen.

Rolls-Royce muss sich neu erfinden

Am anderen Ende der Skala muss sich Rolls-Royce viel früher als geplant neu erfinden. Während der Phantom sein Leben in der Nische noch ein weiteres Jahrzehnt ohne dramatische Änderungen genießen darf, braucht es vom Ghost zeitnah ein schönes Coupé samt Cabrio-Derivat und vielleicht sogar einen puristischen Roadster. Doch damit nicht genug: Sogar eine Klasse tiefer wird es schon bald einen Markt für einen ebenso effizienten wie dynamischen Plug-in-Super-Luxus-Hybrid in der 150.000-Euro-Klasse geben. Warum warten, bis Bentley als erster den Claim absteckt?

2012 steht der Nachfolger der Dreier-Reihe auf dem Programm. Der Dreier ist das Brot-und-Butter-Auto, bei dem diesmal das Design stimmen muss. Das gilt speziell für den nicht unkritischen Dreier GT, der als hoffentlich präsentables viertüriges Coupé die Palette erweitern wird. So wie der neue M5 vom V10 zum V8 wechselt, so kehrt der nächste M3 zum Sechszylinder zurück, der mit mindestens zwei Turboladern auf eine Leistung von mehr als 440 PS kommen dürfte. Neue künstlich beatmete Vierzylinderdirekteinspritzer, die bis zu 250 PS stark sein sollen, lösen die kleinen Sechszylinder ab. Dieses Downsizing betrifft auch die Diesel, wo mittelfristig sogar Dreizylinder zum Einsatz kommen.

Das stärkste Kennzeichen D heißt 335d und hat 292 PS unter der Haube. Während das Doppelkupplungsgetriebe für die sportlichsten Modelle reserviert bleibt, setzt sich die aus Siebener und Fünfer bekannte Achtgangautomatik auch im Dreier und Sechser auf breiter Front durch. Apropos Sechser: Die nächste Generation startet 2011 und soll jenen sportlich-eleganten Charakter wiederbeleben, der einst die CS- und CSi-Baureihen ausgezeichnet hat. Mit diesem Auto glaubt man sogar gegen Audi R8 und Porsche 911 gute Erfolgschancen zu haben.

Nichts bewegt die Gemüter bei BMW momentan so stark wie der Fortschritt von Project i, dem neuen grünen Label von BMW, das 2013 in Form des Megacity Vehicle (MCV) in Serie gehen wird. Der Buchstabe i steht für Eigenschaften wie innovativ, intelligent, inspiriert. Project i dreht das EfficientDynamics-Rad ein Stück weiter, indem es eine Leichtbaukomponente hinzufügt und der Elektromobilität beziehungsweise dem Hybridantrieb einen noch größeren Stellenwert einräumt. Die Spanne des Angebots reicht vom Kleinwagen mit Elektroantrieb bis zur Serienversion des Vision-EfficientDynamics-Sportcoupés mit Hybridtechnik. Das MCV mit Frontantrieb ist dem Vernehmen nach als Zwei- und Viersitzer ausgelegt. Darüber rangiert ein viersitziger Zweitürer, der etwas größer als ein Polo und etwas kleiner als ein Golf sein soll. Für dieses Modell sind zwei Aufbauvarianten und drei Antriebslösungen geplant (E, E + Dreizylinder, Dreizylinder).

In puncto Sportwagen muss BMW fast wieder bei null anfangen

Um das Gewicht drastisch zu reduzieren und gleichzeitig die Festigkeit zu erhöhen, erhalten alle Project-i-Kandidaten eine Karosseriestruktur aus Kohlefaser mit Anbauteilen aus Spritzguss. Trotz dieser aufwendigen Technik und der relativ kleinen Stückzahlen will BMW schon in der Einstiegspreisklasse von 15.000 bis 20.000 Euro Geld verdienen. Weil nicht alle Metropolen gleich strukturiert sind, ist als flankierendes Angebot auch ein Einspurfahrzeug in Planung. Der gegen Kippen und Seitenaufprall noch besser als der C1 geschützte Stadtroller wird von BMW vermutlich mit E-Antrieb und von Mini mit Verbrennungsmotor lanciert.

Insgesamt ist zu erkennen, dass das Motto "BMW ist Freude" eher zu kurz greift, denn das Unternehmen steht auch für Weitsicht und Nachhaltigkeit. Weil Leichtbau und die alternativen Antriebe eine starke dynamische Komponente beinhalten, müsste es den Technikern fast aus dem Bauch heraus gelingen, die neuen Werte mit der alten Fahrspaßtradition zu verweben. Gefordert sind allerdings auch die Kopfmenschen unter den Entscheidern, die sich beim Weichenstellen künftig noch mehr anzustrengen haben als bisher. Schließlich muss die Marke in puncto Sportwagen fast wieder bei null anfangen, sie sollte die Trennung zwischen Front- und Heckantrieb innerhalb der Einser-Reihe langfristig manifestieren, und sie darf sich wieder mehr trauen bei neuen Konzepten, neuen Formen und neuen Inhalten.

Vielleicht sollte man auch die Technik GmbH als dritte interne Denkfabrik neben Project i und M wieder beleben. Möglicherweise reicht als Inspirationsquelle aber auch ein Blick ins eigene Museum, wo die Vergangenheit manchmal heller leuchtet als die Gegenwart - vom 328 über Z1 bis zum Mille Miglia Concept.

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