Die Zukunft von Premium (2): Audi:Der Kampf um die Ringe

Wo Audi ist, ist oben. Noch. Um diese Position zu halten, sollte Audi seinen wirtschaftlichen Erfolg nutzen, um sich neu zu erfinden.

Georg Kacher

Wo Audi ist, ist oben. Der Absatz hat weltweit im ersten Quartal 2010 um 26 Prozent angezogen, die Marktführerschaft in China konnte weiter ausgebaut werden, selbst im immer noch kriselnden Amerika geht den Händlern das Blech mit den vier Ringen aus. In Deutschland könnte es besser laufen, aber dafür gewinnt die Marke reihenweise Vergleichstests, Zuverlässigkeitspokale und Designpreise. Und weil Audi das Geld im VW-Konzern 2009 fast im Alleingang verdient hat, strahlt das Selbstbewusstsein der Donaustädter inzwischen fast so hell wie die LED-Leuchten an den Autos.

Die Zukunft von Premium, Audi

Sein und Werden: Konzepstudien wie der e-tron lassen bereits di Zukunft von Audi ahnen - in Beziehung auf Antrieb und Design.

(Foto: Foto: oh)

Entsprechend ehrgeizig ist das strategische Ziel des Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler, der jede Gelegenheit nutzt, um den nach seiner Aussage "bald stärksten Premiumanbieter der Welt" schon heute ins beste Licht zu rücken. Die Erfolgsstory des einstigen Sorgenkinds, das erst unter der Ägide des VW-Chefs Martin Winterkorn auf den rechten Weg gebracht wurde, zeigt bei den Rivalen längst Wirkung. BMW paktiert mit Mercedes und taktiert gegen Audi, Mercedes reagiert mit Renault-Nissan.

Aber nicht alle treibenden Kräfte sitzen im Ingolstädter Glashaus. Ferdinand Piëch greift bevorzugt aus Wolfsburg ins Geschehen ein und zieht als oberster VW-Aufsichtsrat von Salzburg aus die Strippen. Auch die VW-Vorstände Ulrich Hackenberg (Entwicklung), Christian Klingler (Vertrieb) und Matthias Müller (Produkt) drehen zumindest hinter den Kulissen immer wieder mal am großen Rad. Verderben hier zu viele Köche den Brei?

Tatsächlich muss Audi aufpassen, dass sich der Premiumanspruch nicht auf dem Weg von der Zentrale zur Außenstelle plötzlich verflüchtigt. Und gefährlich wird es immer dann, wenn Volkswagen es mit seiner Systemführerschaft nicht richtig ernst nimmt.

Manchmal muss auch Audi warten

So geschehen in Sachen starker Vierzylinder-Diesel, wo Audi noch immer auf den in Niedersachsen konzipierten Motor mit mehr als 200 PS Leistung wartet, den man gegen BMW und Mercedes dringend bräuchte. Die konzerninterne Ladehemmung betrifft auch das späte Durchreichen von Effizienzverbesserungen wie Start-Stopp und Rekuperation, die in den unteren Klassen diffuse Hybridstrategie und die zögerliche Einbindung der Edelmarke in das Kleinwagenkonzept New Small Family (NSF).

Während VW für die Entwicklung des Modularen Querbaukastens (MQB) verantwortlich ist, kümmert sich Audi federführend um den Modularen Längsbaukasten (MLB). MQB bildet von 2012 an die Basis für den neuen A3; der kleine A1 baut dagegen noch auf dem weniger flexiblen Plattformprinzip des Polo auf. Der geplante A2 ist wiederum ein NSFDerivat, dessen Gene vermutlich gesplittet werden. Während die mit Suzuki-Hilfe entfeinerte NSF-Variante in der dritten Welt reüssieren soll, darf Audi dem Vernehmen nach die bestens bestückte Europaversion in einen authentischen A2-Nachfolger umkomponieren.

Als Ausgangsprodukt gilt der Space Up!, ein viertüriger Kleinbus mit extrakurzen Überhängen. Natürlich wird der Wagen innen wie außen neu eingekleidet, wobei sich die Design-Chefs Wolfgang Egger und Stefan Sielaff für den besonderen Charakter des Wagens auch eine besondere Optik einfallen lassen wollen. Starten soll der A2 Mitte 2013 als e-tron mit Elektroantrieb; erst in den nächsten Schritten sind Hybrid, Diesel und Benziner jeweils als Dreizylinder vorgesehen.

Im Gegensatz zum schmalen Ur-A2, der mit teurem Alu und mit zu wenigen Gleichteilen auf die Welt kam, bedient sich die selbstbewusstere zweite Auflage, wo immer es geht, im Konzernbaukasten. Als exklusiver Gegenpol zum A2 e-tron fungiert der 313 PS starke R8 e-tron, mit dem Audi 2011 seinen ersten Premiumstromer ans Netz bringen will. Die dritte A3-Generation wird in vier Karosserievarianten vom Band rollen. Den Anfang macht 2012 der Zweitürer, an den mehrmals Hand angelegt wurde, damit er dem ebenfalls flacheren und breiteren Golf VII nicht in die Quere kommt.

Der Q7 ringt mit den Tückender sozialen Akzeptanz

Der nächste A3 Sportback könnte ohne weiteres Avant heißen, denn es bleibt beim längeren hinteren Überhang und bei der relativ steilen Heckklappe. Neu in der A3-Familie ist die Limousine, die vor allem in Amerika jene Lücke füllen soll, die BMW beim Einser bislang übersehen hat. Das kompakte Stufenheckmodell gilt als stilsichere Mischung aus Limousine und viertürigem Coupé, was auf eine sportliche Silhouette mit geduckter Dachlinie schließen lässt. Von dieser Variante abgeleitet ist das für Ende 2012 avisierte A3 Cabrio, das selbstverständlich dem Stoffdach treu bleibt. Alle Derivate gibt es als besonders dynamischen S3 mit Allradantrieb, Doppelkupplungsgetriebe und 280 PS starkem 2,0-Liter-Turbo. Ein Dreizylinder ist nicht vorgesehen.

Der A1 debütiert in wenigen Wochen als Zweitürer. Noch in diesem Jahr folgt der 180 PS starke S1, ebenfalls nur mit Frontantrieb. Anfang 2012 komplettiert der viertürige A1 Sportback die Palette. Ein Roadster ist ebenso denkbar wie ein Q1-Crossover, doch vermutlich kommen beide Varianten erst im zweiten Anlauf. Das Schwestermodell des Tiguan heißt Q3 und geht 2011 in Serie - mit eigenständiger Karosserie und gewohnt hochwertigem Interieur. Der Q5 verkauft sich wie geschnitten Brot, doch der Q7 ringt auf immer mehr Märkten mit den Tücken der sozialen Akzeptanz. Was tun?

Audi hat lange überlegt. Die Rede ist nun von einem Q7-Nachfolger mit modifizierter Technik und einem völlig neuen Aufbau aus Leichtmetall. Das spart im Extremfall 500 Kilo Gewicht und setzt genau dort ein Ausrufezeichen, wo die Marke stärker sein sollte, als sie tatsächlich ist. Audi arbeitet zwar an günstigeren Alu- und Kohlefasermodulen, doch die Einführung erfolgt zunächst in kleinen Stückzahlen bei Lamborghini und in der Evolution des R8.

Weniger Gewicht verspricht auch das Downsizing der Motoren. Audi fährt hier einen anderen Kurs als der Wettbewerb, indem man sich für eine marktabhängige Koexistenz von W12/V8 FSI und V12/V8 TDI entschieden hat. Zug um Zug ersetzt darüber hinaus der V8-Biturbo den V10, der V6 wird per Registeraufladung modernisiert, der Fünfzylinder feiert ein historisch abgesichertes Comeback, der Vierzylinder-Biturbo stellt dem Sechszylinder-Sauger die Sinnfrage.

Audi-Design: eine Achterbahnfahrt

Die kleineren Aggregate und die abgespeckten Karossen senken nicht nur den Verbrauch, sie erhöhen auch den Fahrspaß durch deutlich mehr Agilität. Davon profitieren natürlich in erster Linie große Modelle wie A6, A7 und A8, die trotz dünnster Außenhaut unter der Last der Komfortfeatures und Assistenzsysteme immer träger und passiver zu werden drohen.

Audi steuert hier zwar gegen, doch die immer komplexere Fahrdynamikregelung Drive Select ist mit ihrer teilweise überzogenen Spreizung nicht mehr weit weg vom schwer vermittelbaren Hightech-Overkill des M-Drive-Wählschalters im BMW M5, der mit einer dreistelligen Anzahl von Optionen den Nerv raubt.

Die Empfehlung lautet: Audi sollte den wirtschaftlichen Höhenflug nützen, um sich neu zu erfinden. Am besten von außen nach innen, denn in Sachen Cockpitlayout, Materialqualität, Ausstattung und Bedienbarkeit reicht den Bayern so schnell kein Mitbewerber das Wasser.

Das Exterieurdesign erlebt man dagegen immer öfter als Achterbahnfahrt: Lkw-bullig beim Q7 statt pragmatisch-muskulös wie beim Q5; viel bunt beleuchtete Masse beim A8 statt der sehnigen Eleganz des A7; relativ rasch alternd beim A4 statt zeitlos elegant beim A5.

Statt mit einer etwas mutigeren Architektur zu überzeugen, setzen die Kreativen verstärkt auf ornamentale, vordergründig dekorative Elemente. Ein ideales Objekt für einen stilistischen Neuanfang wäre der nächste A4, der schon 2014 auf dem Spielplan steht. Mit der damit verbundenen Evolution der MLB-Matrix sinkt nämlich nicht nur das Gewicht um geschätzte 150 Kilo, es steigen auch die Chancen für ein neues fahrdynamisches Selbstverständnis.

Neustart der Luxuswagengruppe?

Ob Audi zusätzlich zu TT und R8 einen dritten Sportwagen ins Programm aufnimmt, ist offen. VW würde seine Palette gerne um einen Mittelmotor-Roadster/ Coupé nach Art der knackigen BlueSport-Studie bereichern - doch dazu braucht es Schützenhilfe aus Ingolstadt und Zuffenhausen.

Dort ziert man sich: Porsche hat Angst, sein Image durch ein Modell in der Preisklasse um 35.000 Euro zu verwässern und bei Audi sieht man zwischen dem bis zu 340 PS starken TT und dem R8 mit mindestens 420 PS ebenfalls wenig Bedarf für einen weiteren Zweisitzer mit Vier- oder Fünfzylinder. Deshalb wird es wohl noch Jahre dauern, bis die Eckpunkte des Modularen Sportwagenbaukastens (MSB) so definiert sind, dass zumindest ein paar Kernelemente von Boxster bis Gallardo, von 911 bis R8 vereinheitlicht werden.

Auch in diesem Zusammenhang könnte es sinnvoll sein, den alten Plan von der Luxuswagengruppe neu zu beleben und eine gemeinsame Handlungs- und Organisationsebene für Audi, Porsche, Bentley, Lamborghini und Bugatti zu schaffen - ohne Seat. Bei VW hat man dieses Szenario mehrfach durchgespielt, doch noch bündelt die schwierige Integration von Porsche viele Kräfte, und auch die angedachten Personalrochaden, die wohl wieder einen Techniker an die Audi-Spitze gespült hätten, werden inzwischen kritisch hinterfragt.

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