Die Polizei und ihre Unfälle:Dein Freund und Rowdy

Polizisten verursachen überraschend häufig Autounfälle - vor allem bei simplen Alltagsmanövern.

Christoph Hickmann

Es gibt deutlich angenehmere Dinge, als nach einem Blechschaden im Straßenverkehr die Polizei rufen zu müssen. So mancher Verkehrsteilnehmer dürfte insgeheim schon jene Beamten verwünscht haben, die kurz darauf mit gestrenger Miene den Unfallhergang aufnehmen. Entsprechende Schadenfreude dürfte auslösen, was der hessische Landesrechnungshof nun in seinem Jahresbericht zum Fahrverhalten der Ordnungshüter feststellt: Die Beamten der Präsidien Frankfurt und Südosthessen hätten den Großteil der Unfälle mit Polizeiautos "selbst verschuldet".

Die Polizei und ihre Unfälle: In der Hektik des Einsatzes: Die meisten Unfälle der Polzei sind selbst verschuldet.

In der Hektik des Einsatzes: Die meisten Unfälle der Polzei sind selbst verschuldet.

(Foto: Foto: SZ)

In den Jahren 2003 und 2004 etwa habe dies für 71 Prozent der Fälle gegolten, während es 2005 noch 64 Prozent waren. Noch überraschender als die bloßen Zahlen ist allerdings die Art und Weise, wie die meisten dieser Unfälle zustande kamen: Es handelte sich größtenteils nicht etwa um Karambolagen im Zuge wilder Verfolgungsjagden durch den Großstadtverkehr, sondern um simple Blechschäden, um Fehler "beim Einparken, Ausparken, Abstandhalten, Rückwärtsfahren und Wenden", so der Rechnungshof. Hier ein eingedrücktes Rücklicht, dort eine verbeulte Stoßstange: Es geht um Alltagsmanöver, die jeder Fahrschüler recht schnell beherrschen sollte.

Die Schadensquote der Polizei ist kein rein hessisches Phänomen, im nordrhein-westfälischen Innenministerium etwa heißt es, "insbesondere auffällig" sei der hohe Anteil jener Unfälle, die Beamte beim Rückwärtsfahren verursachten. So etwas passiere "einfach in der Hektik des Einsatzes".

Allerdings weist man dort auch auf die hohe Fahrleistung der Polizisten hin: In Nordrhein-Westfalen legten die Beamten mit etwa 10.000 Autos um die 155 Millionen Kilometer pro Jahr zurück. Gemessen daran sei die Zahl der Schäden zu vernachlässigen. Ähnlich klingt dies in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Und noch banaler war die Erklärung, als es vor einigen Jahren in Berlin zu einer kleinen Häufung von Unfällen mit Dienstfahrzeugen kam: Dort hatten die Polizisten seinerzeit ein paar Schwierigkeiten damit, sich an die vergleichsweise hohe Motorleistung neuer Leasing-Autos zu gewöhnen.

Der Einsatzstress trägt zur hohen Unfallquote bei

Im hessischen Innenministerium hat man leicht säuerlich zur Kenntnis genommen, dass sich die Zahlen des Rechnungshofs durchaus dazu eignen, die Polizei zum Gespött zu machen - und verwahrt sich umso energischer gegen die Darstellung, Polizisten könnten nicht Auto fahren: "Es ist eben etwas anderes, ob man zu einer Bank fährt, um 100 Euro abzuheben - oder zu einer Bank, die gerade überfallen wird", sagt ein Sprecher. Jörg Bruchmüller, Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, pflichtet dem bei. Die Beamten hätten den Anspruch, "möglichst schnell beim Bürger zu sein", da bleibe häufig nicht viel Zeit für ruhige Ausparkmanöver. Hinzu komme eine hohe Arbeitsbelastung.

Das Innenministerium, vom Rechnungshof bereits vor Jahren auf die jetzt veröffentlichten Zahlen hingewiesen, hat nach eigenen Angaben umgehend reagiert: Nun werde in der Fahrausbildung zusätzliches Gewicht auf Einparken, Wenden und Rückwärtsfahren auch unter Zeitdruck gelegt.

Dennoch werden Polizisten auch in Zukunft Unfälle verursachen. Wie tragisch sie enden können, hat sich gerade erst in Oberbayern gezeigt; dort starb eine 69-Jährige, als sie unter noch nicht geklärten Umständen von einer Zivilstreife überfahren wurde, die einen anderen Wagen verfolgte. Derartige Tragödien allerdings sind glücklicherweise absolute Einzelfälle.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: