Die kleine Hilfe fürs Fahrrad:Rückenwind wird mitgeliefert

Fahrräder mit Elektromotor, sogenannte Pedelecs, werden immer beliebter.

Helmut Dachale

Stuttgart kann anstrengend sein. Wer von der City in höhergelegene Stadtteile will, muss sich abstrampeln: 300 Höhenmeter - zu viel für die meisten Alltagsradler. Selbst Oberbürgermeister Wolfgang Schuster gibt zu: "Das kann nur mit technischer Unterstützung gelingen." Und er hat auch einen Vorschlag: "Lasst euch doch helfen."

Die kleine Hilfe fürs Fahrrad: Elegante Schiebung: Gegen Pedelecs haben normale Fahrräder kaum eine Chance.

Elegante Schiebung: Gegen Pedelecs haben normale Fahrräder kaum eine Chance.

Zum Beispiel durch einen Elektromotor am Rad, der wie permanenter Rückenwind wirkt. Pedelecs heißen diese Velos mit zugeschalteter Motorleistung, die Fahrradfahren light versprechen, mithin den Ausgleich körperlicher Schwäche durch ein paar hundert Watt. Kein Wunder, dass in Stuttgart jetzt über Pedelecs für alle nachgedacht wird: Mit einem öffentlich geförderten Leasingangebot und einer Vielzahl von Stationen, an denen die Akkus getauscht werden können, will Stuttgart zur Metropole unangestrengten Radelns werden.

Die Hersteller der Hybrid-Bikes dürfte es freuen. Bereits vor zehn Jahren waren sie angetreten, das Fahrradfahren zu revolutionieren: Das Velo mit Hilfsmotor ist tot, ein Pedelec - die Kurzform für Pedal Electric Cycle - ganz etwas anderes. Das Besondere ist die Arbeitsweise des Elektromotors, denn er assistiert nur - ohne Manpower keine Elektrokraft. Zudem kann der kleine technische Helfer abgeschaltet werden.

Und so unterscheidet sich das Pedelec deutlich vom Oldtimer mit Benzingemischmotor und vom E-Bike, das auch ohne Pedalieren rollt und deshalb als Leichtmofa gilt. Der Motor eines Pedelecs stellt bei Tempo 25 die Arbeit ein, ausgenommen das sogenannte Powerbike, das wie das E-Bike der Haftpflichtversicherung bedarf. Denn dieser rasante Pedelec-Typ kennt keine Abregelung. Wer über durchschnittliche Kraft und Kondition verfügt, kann so jeden Epo-freien Radprofi hinter sich lassen.

Rückenwind wird mitgeliefert

Ein Pedelec scheint also nicht nur das geeignete Fahrrad für die schwierige Topografie zu sein, sondern sehr viel mehr: die passende Mobilitätslösung zum demografischen Wandel. Die Beine so schwer, das Radeln so leicht. Doch noch immer überwiegt die Skepsis: zu hohes Gesamtgewicht, zu geringe Reichweite und dann noch diese Auffälligkeit - so lauten die Urteile und Vorurteile.

Jetzt beginnen die Hersteller zu reagieren, so mancher redet bereits vom Pedelec 2.0. Und Fortschritte sind durchaus zu erkennen: Der E-Antrieb wird überwiegend in der Vorder- oder Hinterradnabe diskret platziert, könnte auch als Trommelbremse durchgehen. Von seinem leichten Sirren ist zumindest im Großstadtverkehr rein gar nichts mehr zu hören. Akku oder Batterieset verstecken sich in einer unauffälligen Radtasche oder gar im Rahmenrohr. Muss ja nicht jeder mitkriegen, dass dem Radler "geholfen wird", wie es Tobias Spindler von Riese und Müller formuliert.

Das kann zu elegantem Design führen, wie es etwa die niederländische Traditionsmarke Sparta mit ihrer Ion-Serie zeigt. Die Akkus sitzen vollkommen verborgen im geschwungenen Unterrohr, können allerdings nicht entnommen werden. Und da sie auch nicht auf der leichteren Lithium-Technik basieren, handelt es sich bei diesen Rädern um ziemliche Schwergewichte: 28 Kilo mit allem Drum und Dran. Heinzmann aus dem Schwarzwald, ebenfalls ein der Marktführer, hat hingegen auf Li-Ionen-Akkus umgestellt und dadurch einiges abgespeckt; die so ausgestatteten Estelle-Modelle bringen 23 bis 26 Kilo auf die Waage. Dafür ist die Energie nicht in den Rahmen gerutscht, wie es angekündigt war, sie wird vielmehr in einer Tasche am Gepäckträger mitgeführt.

Denen, die es noch leichter haben wollen, seien die Flyer von Biketec empfohlen - schweizerische Premiumsprodukte mit entsprechenden Preisen. Die S-Klasse ist oberhalb von 3000 Euro angesiedelt, wiegt je nach Ausstattung jedoch nur 22 bis 24 Kilo. Die dreistufige Trittkraftverstärkung liefert auf höchster Stufe eine Zugabe von 150 Prozent, sodass man mit der ungeregelten Version bis zu 45 Kilometer pro Stunde erreichen kann. Der Akku indes hängt am unteren Sitzrohr, sichtbar für jedermann.

Rückenwind wird mitgeliefert

All diese verstreuten Produktvorteile lassen sich bündeln, behauptet nun der Fahrradproduzent Riese und Müller, bisher bekannt als Trendsetter des gefederten Radfahrens, aber noch nie mit Pedelecs in Erscheinung getreten. Mit gleich drei Modellen will er es beweisen. Sie sollen auf der Euro-Bike (Friedrichshafen, 4. bis 7. September) vorgestellt werden und dann "schnellstmöglich in die Läden kommen". Darunter das Birdy Hybrid, das mit seinen 18 Kilo einen neuen Rekord aufstellen dürfte. Allerdings: Es ist ein Faltrad, und so wird hier der Akku in einer Lenkertasche spazieren gefahren. Doch bei immerhin einer der Neuheiten kommt das Rahmenversteck zum Tragen, herausnehmen lässt sich der Akku in jedem Fall. Alle bisher gezeigten Prototypen sind gefedert und mit einer gleich vierstufigen Kraftverstärkung ausgestattet. Die Wahl erfolgt über ein Display am Lenker, auf dem auch die gefahrenen Kilometer und der Ladezustand der Batterie angezeigt werden.

Informationen, auf die man angewiesen ist. Denn trotz aller Verbesserungen: Akkus sind endlich, die Reichweiten nach wie vor begrenzt. Riese und Müller gibt für seine Modelle mit 250-Watt-Motor und bei Standardeinstellung 37 Kilometer an, andere Hersteller sind ähnlich vorsichtig. Denn wer sein Pedelec niemals allein mit Muskelkraft bewegen und es auch in keine S-Bahn hieven möchte, sollte halt immer wissen, wie weit er noch darf. Es scheint also durchaus Sinn zu haben, was Stuttgart da plant.

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