Die grüne IAA:Das Auto - eine Schnecke

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Dass der Übergang vom Benzin- zum Elektrozeitalter zwangsläufig ist, bezweifelt bei den Automobilherstellern niemand mehr. Doch auch diese IAA zeigt: Bis der Paradigmenwechsel wirklich kommt, dauert es noch lange.

Jürgen Wolff

Es ist gut 100 Tage her, da sah die Autoindustrie im Südwesten schon den Weltuntergang nahen: Im Autoland Baden-Württemberg war ein Grüner zum Ministerpräsidenten gewählt worden - und schnell zusammengebastelte Teams bei Daimler und Porsche, so brodelte die Gerüchteküche, würden bereits die ersten Horrorszenarien entwickeln, inklusive Alternativen zum Handeln.

Opel Ampera
:Blitzstart in die Zukunft

Elektroautos haben bis dato mehr versprochen als gehalten und die Angst vorm Liegenbleiben fuhr immer mit. Opels Ampera macht damit Schluss - ein Range Extender liefert stets ausreichend Reichweite.

Nun, Baden-Württemberg fährt noch, die Premium-Hersteller in und um Stuttgart fahren höhere Gewinne ein denn je - und der grüne Ministerpräsident machte seine ersten Antrittsbesuche bei Daimler und Porsche. Fazit: Keine Panik, alles halb so schlimm.

Inzwischen klingen die Verlautbarungen aus den Chefetagen der Autoindustrie fast schon grüner als die aus dem Stuttgarter Regierungssitz Villa Reizenstein. Wer am Tag vor der Eröffnung der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) beim Daimler-Konzernabend die Zukunftsvisionen erlebte, die Daimler-Chef Dieter Zetsche für die nächsten Jahre und Jahrzehnte entwarf, der fühlte sich zeitweise wie auf einem Grünen-Parteitag.

"Selbst optimierte Diesel- und Benzinmotoren", so Zetsche etwa, "können nur eine Durchgangsstation sein." Verbrennungsmotoren könnten nun mal nie völlig ohne Abgase funktionieren. Nötig sei, so Zetsche weiter, "ein Paradigmenwechsel". Auch dem reinen Elektromotor gehöre allenfalls in Ballungsgebieten die Zukunft - und das auch nur zum Teil: Zu geringe Reichweiten, zu lange Ladezeiten, für lange Strecken ungeeignet.

Am Ende der Entwicklung, da ist sich Zetsche inzwischen sicher, stehe die Brennstoffzelle, die von Wasserstoff befeuert wird. "Wasserstoff ist der Stoff, aus dem die Sterne sind," geriet der Daimler-Chef ins Schwärmen: "Ich finde, das passt."

Mitsubishi i-MiEV
:Elektrofloh für die Stadt

Mitsubishi hat zuletzt nur selten für positive Schlagzeilen gesorgt. Doch so langsam berappeln sich die Japaner wieder: Der ASX ist ein schmucker Kompakt-SUV für Realisten, der i-MIEV dagegen soll visionäre Elektrofans locken.

Doch auch auf dieser IAA, die laut Veranstalter besonders grün angehaucht ist, sind wie gehabt kaum mehr als Studien und Projektionen einer sauberen neuen Mobilität zu sehen.

Nissan Leaf
:Die Kraft aus der Dose

Nissan stellt mit dem Leaf das erste konsequent als Elektrofahrzeug entwickelte Auto vor.

Selbst in der Halle 4.0, die erstmals zum großen Teil dem Thema grüne Antriebe gewidmet ist, gibt es vor allem Projektvorstellungen von Hochschulen und Zulieferern - aber kein einziges reales Serienfahrzeug mit ausschließlich emissionsfreiem Antrieb. Und erst recht nicht zu vertretbaren Kosten.

Auch Dieter Zetsche räumt ein, mit der Brennstoffzelle sei es wie mit dem Animationsfilm-Helden Shrek im Kino: "Grün, sympathisch - aber leider nicht real." Die meisten Hersteller basteln immer noch daran, alltagstaugliche Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zu tragbaren Kosten auf den Markt zu bringen.

E-Mobile, die - wie etwa Mitsubishis keine 3,5 Meter langer und gut 34.000 Euro teurer i-MiEV oder seine Ableger Peugeot Ion und Citroën C-Zero - nicht nur zum Zweit- oder Drittwagen taugen. Oder nur zum imageträchtigen Spielzeug für Besserverdiener. Oder die sich überhaupt privat und nicht nur für einen Fuhrpark kaufen lassen.

Am nächsten dran sind noch Opel und Chevrolet, die im November ihre Zwillinge Ampera und Volt auch in Europa ausliefern wollen - mit rund 40.000 Euro zum Stückpreis einer veritablen C-Klasse von Mercedes und wegen des reichweitenverlängernden Benzinmotors nicht völlig emissionslos.

Smart Fortwo electric drive
:Zweiter Akt

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Stefan Grundhoff

Nissans Stromer Leaf soll ebenfalls Ende des Jahres auch nach Deutschland geliefert werden. Der Preis: voraussichtlich rund 35.000 Euro.

Hersteller wie Daimler versuchen, den hohen Preis optisch schön zu rechnen: Wenn der Smart electric drive im Frühjahr 2012 in der neuen Generation nicht nur wie sein Vorgänger im Feldversuch unterwegs ist, sondern tatsächlich auch zu den deutschen Händlern kommt, dann soll er "unter 16.000 Euro netto" (das wären mit Mehrwertsteuer rund 19.000 Euro) kosten - und seine Batterie zusätzlich 70 Euro Monatsmiete.

Bei drei Jahren Nutzungszeit werden so um die 21.000 Euro fällig - rund das Doppelte eines aktuellen Smart Fortwo mhd. Seine B-Klasse mit Brennstoffzelle wir Mercedes-Benz zwar ein Jahr früher als geplant in Serie schicken - aber 2014 wird es trotzdem werden. Und saubere Luxusgleiter wie das jetzt in Frankfurt vorgestellte Forschungsfahrzeug F125 sieht Dieter Zetsche erst um das Jahr 2025 herum in der Serienproduktion.

Dabei lässt sich mit "E-Mobility" viel Geld verdienen, rechnet passend zum IAA-Auftakt eine Studie des Beratungsunternehmens A.T. Kearney vor. Das weltweite Marktpotenzial liege im Jahr 2020 bei gigantischen 280 Milliarden Euro, im Automobilbau liege dabei mit 250 Milliarden Euro der Löwenanteil der Wertschöpfung.

Jeder zehnte Neuwagen werde 2020 ein Elektro- oder Range-Extender-Fahrzeug sein.

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