Süddeutsche Zeitung

Die Fans der Automarke Saab:"Dann spüre ich, dass ich lebe"

Die Traditionsmarke Saab ist fast pleite, der chinesische Investor lässt auf sich warten, aber die Fans sind sich einig: Dieses Auto ist Kult.

Gunnar Herrmann

Am Ende hat sich die lange Reise gelohnt: Johan Öberg sinkt zufrieden in den Ledersitz eines Saab 9-5 Sportcombis. "Den will ich haben", sagt er und blickt verträumt über die wuchtige Motorhaube in den Ausstellungsraum des Autohauses ANA in Trollhättan. Fans aus der ganzen Welt sind an diesem Wochenende gekommen, um bei einem "Oktoberfest" ihre Solidarität mit dem Autobauer zu bekunden, der seit Monaten am Rande des Bankrotts steht.

Beinahe wäre das Treffen zur Trauerfeier geworden, aber dann bekam Saab im letzten Moment noch einmal die Kurve: Mitte September gewährte ein Gericht Gläubigerschutz. Bereits gestartete Konkursverfahren wurden vorerst gestoppt - die Enthusiasten schwelgen in Optimismus.

Vielleicht kann ich schon in einem Jahr mit diesem Wagen zum nächsten Fantreffen kommen", träumt Öberg, ein Wirtschaftsjournalist aus Stockholm, das Lenkrad des Sportcombis streichelnd. Besonders gefallen ihm die Armaturen, die an ein Flugzeugcockpit erinnern. Wenn er den Wagen doch nur kaufen könnte!

"Das hängt jetzt alles von Peking ab. Und von Johanna", seufzt er. Johanna ist Johans Frau. Sie steht den turbogeladenen Träumen ihres Mannes skeptisch gegenüber. Und in Peking wird Mitte Oktober entschieden, ob die chinesischen Unternehmen Youngman und Pangda sich mit viel Geld bei Saab einkaufen dürfen. Nur dann bestünde eine Chance, dass in Trollhättan irgendwann einmal ein 9-5er Sportcombi für Johan gefertigt wird.

Bislang gibt es von dem neuen Modell nur Ansichtsexemplare. Es hätte im Sommer auf den Markt kommen sollen. Aber seit April stehen die Fließbänder im Saab-Werk wegen Geldmangels still.

Vergangene Woche gab das Unternehmen bekannt, dass es seine Sportwagensparte Spyker für 32 Millionen Dollar an einen US-Investor verkaufen will. Die niederländische Firma Spyker, die auf handgefertigte Luxus-Sportwagen spezialisiert ist, hatte Saab Anfang 2010 von General Motors übernommen. Inzwischen ist aus ihr eine ungeliebte, verlustbringende Tochter geworden.

Ihr Verkauf wird Saabs Finanzen nicht sanieren, dazu ist Spyker zu unbedeutend, aber das Geschäft illustriert die Entwicklung der vergangenen Jahre: 2010 hatten Fans und Mitarbeiter den Spyker-Gründer und heutigen Saab-Vorstand Victor Muller noch als Retter gefeiert. Heute ist das Verhältnis gespannt. Auf dem Saab-Fest werden Spyker-Autos mit keinem Wort erwähnt. Weder Muller noch ein anderer Vorstand lassen sich blicken.

"Wenn die Krise überstanden ist, gibt es für das Management durchaus Anlass, über Fehler nachzudenken", sagt Joakim Lind, der Autohändler, in dessen Räumen das Fantreffen stattfindet. Lind freut sich, dass endlich wieder Betrieb herrscht. "Viele Kunden haben das Vertrauen verloren", erzählt er. Und die wenigen, die noch Saabs kaufen wollen, kann er oft nicht beliefern, seit die Fabrik stillsteht.

Lind blickt wehmütig auf das schwarze Ansichtsexemplar des neuen 9-5ers, das Saab ihm für diesen Tag ausgeborgt hat. "Ein wirklich gutes Produkt", sagt er. "Wenn die Fabrik endlich laufen würde, könnte ich bestimmt einige davon verkaufen." Die Marke, so Lind, sei stark. Das betonen alle Teilnehmer des Fantreffens: Dass Saab nach wie vor einen guten Ruf hat, Kultstatus eben.

Dieser Ruf ist vermutlich der wichtigste Grund dafür, dass sich bis jetzt immer wieder ein Retter gefunden hat, obwohl die meisten Experten seit Monaten oder gar Jahren das Ableben Automarke vorhersagen. Draußen auf dem Parkplatz streicht der Wind sanft über die Spoiler der 900er-Cabrios, die hier in einer langen Reihe parken.

Vor etwa zwanzig Jahren waren solche Cabrios der Renner unter Designern, Architekten, Redakteuren. Individualisten schätzten ihren Saab für seine technischen Innovationen wie den Turbolader und den Dreipunktgurt. Weil er so sicher war, so schick, und vor allem: irgendwie anders.

Heute ist der Saab-Kult unter den großen Auto-Religionen nicht viel mehr als eine obskure Sekte mit wenigen, aber sehr frommen Anhängern. Leute wie Mark Markon zum Beispiel, der eigens aus Kanada angereist ist. Der Unternehmer liebt seinen Saab, weil "in Toronto sonst alle nur BMW oder Audi fahren". Fast lyrisch schwärmt er von seiner schwedischen Limousine: "Wenn in der Kurve der Turbo einsetzt, dann spüre ich, dass ich lebe." Der Verhaltenspsychologe Jörgen Trued mag besonders die vielen Knöpfe und Anzeigen im Cockpit, "das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine".

Trued, der zu den Organisatoren des Treffens gehört, hat sich einen der letzten neuen Saabs gekauft, die noch zu haben waren. Er stammt aus Trollhättan und fährt die Marke seit seiner ersten Fahrstunde. Einmal, ein einziges Mal war ein Toyota dazwischen. "Den haben mir meine Eltern geschenkt."

Johan Öberg will von sich solchen Seitensprünge nicht wissen. Wenn er zurück nach Stockholm fährt, wird sein Herz bei dem Sportcombi bleiben. "Ich kann mir nicht vorstellen, jemals einen anderen Wagen zu fahren als einen Saab", sagt er trotzig. "Wenn es Saab einmal nicht mehr geben sollte, nehme ich das Fahrrad."

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Quelle:
SZ vom 04.10.2011/gf
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