Die coolsten DDR-Autos (2):Rechts ranfahren, Genosse!

Die DDR ist seit 20 Jahren passé. Aber was passiert, wenn vor dem Brandenburger Tor plötzlich wieder die Volkspolizei auftaucht? Ein Ausflug mit Lada, Wartburg, Blaulicht und dem Eishauch der Geschichte.

"Ey kieck mal, die Vopos!" Der junge Mann am Kurfürstendamm kriegt vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Er lässt die Hand seiner Freundin los, kramt in der Hosentasche hastig nach seinem Foto-Handy und drückt im Akkord auf den Auslöser. Seine Motive sind ein Wartburg 353 Tourist und ein Lada 2103 - Autos, die man in Berlin ohnehin nur noch selten sieht.

Doch diese beiden grünweißen DDR-Relikte haben es in sich. Auf dem Dach sitzen Blaulicht-Balken und dicke Lautsprecher, an der Seite prangen Hammer und Zirkel im Ährenkranz, und der breite Schriftzug auf der Motorhaube wischt den letzten Zweifel weg: Die Volkspolizei ist wieder da. Ein Mann am Straßenrand schmunzelt und fördert aus dem Gedächtnis ein altes Kinderlied zutage: "Und wenn ich mal groß bin, damit ihr es wisst, dann werde ich auch so ein Volkspolizist!"

Als Lada und Wartburg vor dem Brandenburger Tor parken, gibt es zunächst einen kleinen Ost-West-Konflikt. Ein echter Polizist taucht auf und fordert, man möge schleunigst den Platz verlassen. Doch auch Beamte sind nur Menschen, eine Minute Schonfrist zum Fotografieren ist gewährt.

Währenddessen bilden sich Menschentrauben, Fotoapparate klicken, manche Leute runzeln die Stirn, lachen oder schauen einfach nur ungläubig drein. Auf der Weiterfahrt durch die Hauptstadt ziehen die Streifenwagen alle Blicke auf sich. Touristen in einem Sightseeing-Bus beugen sich über die Reling des offenen Doppeldeckers. "Is the GDR still alive?" fragt ein amerikanischer Tourist belustigt.

Hinter dem Steuer des Lada sitzt Jens Plücker und grinst über beide Ohren. Der Unternehmer aus Berlin-Pankow handelt normalerweise mit Gebrauchtwagen, doch als er durch Zufall bei einem Sammler über die beiden Volkspolizei-Oldies stolperte, ging ihm ein Licht auf.

"Manchmal muss man eben skurrile Ideen haben", sagt Plücker. Nun vermietet er in seiner Firma Pankow Mobile die beiden Vopo-Klassiker stunden- oder tageweise, und die Interessenten stehen Schlange. Bei Hochzeiten, Junggesellenabschieden oder Geburtstags-Partys rollen die Streifenwagen als Extra-Gag vors Haus. Und manchmal gehen sogar ehemalige Volkspolizisten in ihren Original-Uniformen auf Tour. Negative Reaktionen habe er bislang nicht erlebt, erzählt Jens Plücker: "Ich sehe die ganze Sache völlig wertfrei, es ist einfach ein netter Gag."

Dass die militärisch organisierte Volkspolizei nicht nur Freund und Helfer, sondern auch der verlängerte Arm einer repressiven Staatsmacht war, weiß Plücker selbst am besten. Sein Vater versuchte, die DDR-Grenze zu überwinden, wurde festgenommen und bekam als Verfolgter des SED-Regimes die ganze Härte des menschenverachtenden Apparates zu spüren.

Die Wolgas fraßen zu viel Sprit

In Natura erlebte der heute 33-jährige Jens Plücker die Vopos nur als Kind, doch er kann sich noch gut an eine Mischung aus Respekt und Angst erinnern. "Mein Vater wurde mit seinem Motorrad angehalten, ich saß im Beiwagen. Natürlich bekam mein Vater von den Vopos gleich einen Stempel, weil er zu schnell unterwegs war", erzählt Plücker.

Die "Berechtigungsschein" genannte Stempelkarte war in der DDR quasi das Äquivalent zum Flensburger Punkteregister. Die gefürchteten Einträge gab es bei Verkehrsverstößen - nach fünf Stempeln war man Fußgänger.

Der Fuhrpark der DDR-Polizei bestand notgedrungen aus dem, was die eigene Automobilproduktion oder die "sozialistischen Bruderstaaten" so zu bieten hatten: EMW, Sachsenring, Moskwitsch, Wolga, Wartburg, Shiguli (Lada) oder Barkas. Die dicken Wolga-Limousinen wurden meist nur als Reservefahrzeuge eingesetzt, weil sie enorm viel Sprit fraßen.

Lackiert waren die grünen Minnas des Ostens in Olivgrün/Elfenbein und später in Olivgrün/Weiß. Die ersten Fahrzeuge hatten gar kein oder nur ein einfaches Blaulicht auf dem Dach, in den achtziger Jahren folgten die typischen Doppelblaulichtbrücken mit mittig platzierten Lautsprechern. Das Tatütata im Osten war ein kreischendes, heiseres und langgezogenes Iuiuiu. Noch heute hört sich die Signalanlage an, als habe man gerade Erich Honecker zwischen die Beine getreten.

Im öffentlichen Straßenverkehr dürfen Blaulicht und Sirene der Vopo-Oldies natürlich nicht benutzt werden. Die Blaulichter müssen abgedeckt sein, und das Original-Bedienteil mit russischer Beschriftung im Cockpit lässt sich abstöpseln. "Wir schauen uns schon sehr genau an, wer die Autos mietet", sagt Jens Plücker. Schließlich handelt es sich auch um seltene Youngtimer, die sich nicht fahren wie Autos von heute.

Der Lada zum Beispiel ist Baujahr 1976. Mit seinem 75 PS starken Vierzylinder kann er den Zweitakt-Wartburg natürlich leicht im Regen stehen lassen, doch er legt sich so gemütlich in die Kurve wie ein russischer Bär, der gerade seine ersten Gehversuche nach dem Winterschlaf unternimmt. Die Klimaanlage beschränkt sich aufs Handkurbeln für die Seitenfenster. Doch alles ist relativ: Im Vergleich zum Trabi war der geräumige und komfortabel gefederte Lada geradezu ein Mercedes.

Die Ersatzteilversorgung für Wartburg und Lada sei völlig unproblematisch, sagt Jens Plücker, vor allem Technik-Teile gebe es noch genügend und zu bezahlbaren Preisen. Plücker will seine Oldies jedoch nicht nur zur Vermietung behalten: "Im nächsten Jahr wollen wir unbedingt eine Youngtimer-Rallye mitmachen", sagt der Berliner.

Text: Sebastien Viehmann / Pressinform

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