Deutsche Umwelthilfe:Vorwürfe gegen Opel wegen Abgastest

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Wirklich so sauber wie versprochen? Wegen der Abgaswerte des Zafira 1.6 CDTI gibt es Streit zwischen Opel und der Deutschen Umwelthilfe.

(Foto: Getty Images)
  • Im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) führten Forscher der Berner Fachhochschule Abgasmessungen an einem Opel Zafira 1.6 CDTI ecoFLEX durch.
  • Das Ergebnis: War der Van auf einem 4-Rad-Rollenprüfstand unterwegs, überschritt er den zulässigen NOx-Grenzwert um den Faktor zwei bis drei.
  • Die DUH spricht nun von "Unstimmigkeiten bei der Abgasreinigung", Opel wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Von Joachim Becker

Erster einer neuen Zeit? Der 1.6 CDTI ecoFLEX sei der "sauberste Opel-Diesel aller Zeiten", wirbt die Marke mit dem Blitz. Neben dem "überaus genügsamen Kraftstoffbedarf" überzeuge er auch durch "äußerst niedrige Emissionswerte - vergleichbar dem Niveau eines Benzinmotors." Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht den Euro-6-Motor dagegen als Mogelpackung. Deshalb beauftragte sie die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule (AFHB) mit einem ausführlichen Abgastest. "Im 2-Rad-Antriebmodus erfüllte das Fahrzeug die NOx-Vorschriften", heißt es im Bericht über den 100 kW starken Dieseldirekteinspritzer. Doch dann ist Schluss mit der gemütlichen Testroutine im Berner Oberland: Mit vier bewegten Rädern fällt der neue Zafira Tourer durch den Standard-Abgastest (NEFZ).

Am 13. Oktober waren die Prüfstandsexperten zunächst skeptisch, als sie den schwarzen Zafira untersuchen sollten. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Schweizer mit umfangreichen Messungen beauftragt, "weil wir keinen Platz auf deutschen Prüfständen bekommen haben", sagt der DUH-Vorsitzende Jürgen Resch. Für den Van haben sie sich nach eigener Aussage entschieden, "weil wir zu diesem Fahrzeug besonders detaillierte Hinweise auf Unstimmigkeiten bei der Abgasreinigung erhalten haben".

Aussage gegen Aussage

Die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule hat einen guten Ruf. Das eidgenössische Bundesamt für Strassen verlässt sich auch bei Typprüfungen auf die zertifizierten Motorleistungsmessungen, Abgas- und Rauchprüfungen der AFHB. Deshalb wiegt es schwer, wenn die Tester aus Nidau den Daumen senken. "Die Messresultate zeigen, dass das Fahrzeug sich anders verhält, wenn der Rollenprüfstand im 4- oder 2-Rad Modus betrieben wird", schreibt die AFHB im Prüfbericht.

Von expliziter Täuschung ist in den Unterlagen nicht die Rede (hier die entsprechende Pressemitteilung der DUH). Das wäre angesichts des VW-Skandals wegen unerlaubter Abschalteinrichtungen zu brisant. Fakt ist, dass bei drei Schweizer Messungen im 4-Rad-Antriebmodus der zulässige NOx-Grenzwert um den Faktor zwei bis drei überschritten wurde. Selbst in der Standardmessung mit kaltem Motor stößt der Zafira Tourer 157 Milligramm NOx aus, erlaubt sind im NEFZ 80 mg/km. Erstaunlicherweise hält derselbe Wagen das Limit aber problemlos ein, wenn (wie gewöhnlich) nur zwei Räder auf der Rolle stehen. "Das Verhalten der SCR-Anlage scheint vom Prüfstandmodus abhängig zu sein, da die NOx-Verläufe in beiden Prüfstands-Betriebsarten unterschiedlich sind", bemängeln die AFHB-Gutachter.

Opel wehrt sich

Eine Bordelektronik, die den Prüfzyklus erkennt und die Abgasnachbehandlung anpasst, ist verboten. Deshalb tritt Opel den Vorwürfen der DUH mit aller Entschiedenheit entgegen: "Die Ergebnisse des Zafira-Tests der Deutschen Umwelthilfe sind für uns nicht nachvollziehbar", erklären die Rüsselsheimer: "Alle Anschuldigungen sind falsch. Und wir können das auch beweisen." Nach einem ersten Schreiben der DUH testete Opel einen Zafira Tourer im Rüsselsheimer Prüflabor. Dabei zeigt das Dieselmodell auch dann keine auffälligen Ergebnisse, wenn der NEFZ auf vier bewegten Rollen gefahren wurde. Die Schweizer pochen ihrerseits auf die Richtigkeit ihrer Messergebnisse: "Für alle durchgeführten Messungen mit dem oben genannten Fahrzeug wurde der Rollenprüfstand gemäß Herstellerangaben eingestellt."

Noch ist der 1,6 CDTI ecoFLEX ein Exot auf Europas Straßen: Nur rund 25 000 Opel Zafira Tourer sind mit dem Euro-6-Diesel unterwegs. Doch der Motor soll die Marke als Technologie-Leuchtturm in seine erfolgreiche Diesel-Zukunft führen. Ein globales Team hat den Euro-6-Motor mit dem reduzierten Hubraum auf den Weg gebracht. Ingenieure der unternehmenseigenen Antriebszentren in Rüsselsheim, Turin und den USA haben von der Motorsteuerung bis zur aufwändigen Abgasnachbehandlung vieles neu entwickelt. Für einen ausreichend großen Harnstofftank war in der aktuellen Generation des Siebensitzers allerdings kein Platz. Der Zafira Tourer nutzt zwar das Additiv AdBlue, um die Stickoxide (NOx) aus dem Auspuff weitgehend zu eliminieren. Doch das zeitgemäße System zur Abgaswäsche kann nur auf einen Harnstofftank von 7,5 Liter Größe zurückgreifen.

Das Harnstoff-Additiv hält nicht lang genug?

Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes liegt der realistische Verbrauch des Additiv AdBlue im gemischten Fahrbetrieb aus Stadt, Land und Autobahn bei 2,4 Liter auf 1000 Kilometer bei einem Kraftstoffverbrauch von sechs Litern Diesel pro 100 Kilometer. Der Normverbrauch des Zafira 1,6 CDTI ecoFLEX liegt zwar bei lediglich 4,1 Liter. Doch im Alltag verbrauchen große und schwere Wagen wir der Zafira Tourer deutlich mehr Kraftstoff. Ein 7,5-Liter-Tank für AdBlue würde demnach realistischerweise nur für gut 3000 und selbst unter Idealbedingungen kaum für 5000 Kilometer reichen. Zudem schreibt der Gesetzgeber vor, dass eine Warnleuchte im Cockpit aufleuchten muss, "sobald noch eine Strecke von mindestens 2400 Kilometern gefahren werden kann, bevor der Reagensbehälter leer wird" (Anlage 6 der ECE Norm R83). Der Opel Zafira Tourer 1,6 CDTI ecoFLEX müsste seinen Fahrer also schon kurz nach Auffüllen des Tanks wieder warnen, weil der AdBlue-Vorrat zur Neige geht.

Für die DUH lag der Verdacht nahe, dass das SCR-System in der Praxis den Verbrauch von AdBlue runterregelt, um keine Warnmeldung wegen eines sich lehrenden AdBlue-Tanks im Cockpit anzeigen zu müssen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurde wegen des VW-Skandals ohnehin von Verkehrsminister Dobrindt mit einer Stichprobenmessung bei Dieselfahrzeugen beauftragt. Einem KBA-Sprecher zufolge werde nicht nur im Labor, sondern auch im Straßenbetrieb gemessen. Die Ergebnisse aus Nidau legen auch Tests mit vier Rollen auf dem Prüfstand nahe. Bis die Ergebnisse vorliegen, wird es laut KBA aber noch "einige Wochen" dauern.

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