Detroit 2011: Volkswagen und Alfa:Der Romeo aus Wolfsburg

Ferdinand Piëch umwirbt die italienische Unternehmerfamilie Agnelli - zu gerne würde Volkswagens Patriarch die Edelmarke Alfa zu seinem Imperium zählen. Doch Fiat-Chef Sergio Marchionne gibt den harten Knochen. Verkaufen? Ma no!

Thomas Fromm, Detroit

Den Anfang machte der Patriarch. Ferdinand Piëch, 73, ließ keinen Zweifel daran, dass er Appetit auf die Edelmarke hat, Appetit auf Alfa-Romeo. Wie wunderbar würde der italienische Autobauer, seit 1986 eine Tochter des Fiat-Imperiums, doch zu seinem Wolfsburger Volkswagen-Konzern passen. Das ließ der Aufsichtsratschef und Mitgesellschafter vor drei Monaten verlauten. Alfa soll die 13. Marke in Piëchs Reich werden. "Dreizehn war immer meine Glückszahl", erläutert der promovierte Ingenieur.

Die Ankündigung sollte wohl Gespräche zwischen Piëch und der Turiner Unternehmerfamilie Agnelli markieren. Sie haben seitdem allem Anschein nach an Dynamik zugenommen - jedenfalls aus Sicht der Wolfsburger.

"Wir sind uns so gut wie einig", glaubt ein VW-Manager. Scherzhaft läuft die Aktion in der Zentrale unter italian dressing. Sogar die Arbeitnehmer von Alfa demonstrierten vor Kurzem beim deutschen Generalkonsul in Mailand, dass sie liebend gerne zum VW-Konzern gehören möchten.

Ist die deutsch-italienische Ehe nur noch eine Frage von wenigen Wochen?

So einfach will es Fiat-Chef Sergio Marchionne, der Mann mit dem Pullover, den deutschen Strategen nicht machen. Der Manager, der einst Opel in Rüsselsheim kaufen wollte, muss fürchten, dass die VW-Strategen innerhalb kurzer Zeit beweisen, dass Alfa doch - anders als im Fiat-Konzern - rentabel zu führen ist.

Der harte Knochen Marchionne

Wortlos will Marchionne den Liebeleien nicht zusehen und kann durch seinen Widerstand womöglich den Preis für seine Edelmarke noch ein wenig anheben. "Wir sind keine Verkäufer von Vermögenswerten", diktierte er jetzt Journalisten bei der Automesse in Detroit: "Wir hier bei Fiat sind potentielle Käufer - falls Volkswagen sich von seinem Lastwagengeschäft trennen möchte." Das war fies, denn VW hat große Expansionspläne in diesem Feld.

Zum Gespräch am Dienstag hat Marchionne eine kleine Plastikflasche mit grünem Tee mitgebracht. Er kommt eine Stunde zu spät; Pullover und Schal sind blau. Ein typischer Marchionne-Auftritt. Bei ihm hat man immer den Eindruck, er sei gerade auf der Durchreise.

Eigentlich möchte der Manager wie immer nur über seine Marken Fiat und Chrysler sprechen. Aber er weiß, dass ihm das diesmal nicht gelingen wird. An diesem Dienstagmorgen in Detroit gibt sich der Italiener wieder hart. Wie er das gemeint habe, dass Fiat von VW Nutzfahrzeuge kaufen würde? "Sie müssen Deutscher sein", antwortet der Manager. Und lacht. "Das ist genau so ein Witz gewesen wie der Plan, Alfa zu übernehmen."

Warum aber ist auch noch der Fiat-Erbe und Konzernpräsident John Elkann mit in die Diskussion einstiegen? Angeblich, so heißt es in Industriekreisen, sollen die Agnellis in Wahrheit einverstanden sein mit dem Verkauf der Marke. Es sei eine Frage von "Wochen oder Monaten". Woran es hake: Fiat-Chef Marchionne sperre sich hartnäckig. Gesucht werde eine "gesichtswahrende Lösung". Es gebe keine Gespräche über Alfa, sagt Marchionne.

Vielleicht redet ja nicht er.

Für einen Verkauf spricht, dass Fiat das Geld gut gebrauchen kann. Der Autobauer hatte 2009 den US-Hersteller Chrysler vor dem Ruin bewahrt und 20 Prozent der Aktien übernommen, schließlich auch die industrielle Führung. Am Montag gab Fiat bekannt, seinen Anteil auf 25 Prozent erhöht zu haben - die Aktien kamen vom US-Finanzministerium.

Ferdinand Piëch und seine Träume

Sollte Marchionne es schaffen, staatliche Kredite für Chrysler zurückzuzahlen, kann er auf 51 Prozent aufstocken. Die Option gilt bis Sommer 2016. Dafür braucht er Milliarden, um das Geschäft auszubauen. Machbar ist das nur, wenn die Autoverkäufe bei Chrysler florieren wie noch nie. Oder wenn Fiat die Tochter Ferrari an die Börse bringt, den Zulieferer Magneti Marelli vergoldet - oder Alfa Romeo verkauft.

Bis 2014 will der Fiat-Konzern insgesamt sechs Millionen Autos und Kleinlaster im Jahr verkaufen; viele Modelle sollen lanciert werden. Der Auto-Umsatz soll auf 51 Milliarden Euro steigen, doppelt so hoch wie das Volumen 2010. Das sind sportliche Ziele. Da könnten die Milliarden fehlen, um Alfa zu beleben.

VW hat Geld, die Kriegskasse ist mit fast 20 Milliarden Euro gefüllt. Die Bewertung von Alfa, heißt es in Finanzkreisen, sei schwierig. Alles hänge davon ab, welche Fabriken und Verpflichtungen der Käufer mit übernehmen würde. Die Wolfsburger könnten Alfa irgendwo zwischen Audi und Seat schnell integrieren.

Piëchs Traum würde wahr.

Er hat in jungen Jahren als Praktikant im Turiner Designhaus Giugiaro seine Liebe zu Alfa-Romeo entdeckt. Aus dem Fiat-Konzern hat er bereits Chefdesigner Walter de'Silva und Marketingprofi Luca de Meo abgeworben. Alfa könne wieder zur Blüte gebracht werden, glaubt Piëch.

Vorstandschef Martin Winterkorn machte aus seiner Zuneigung in Detroit keinen Hehl: Alfa sei eine "schöne Firma und interessante Marke".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: