Design von SUVs:Außen hart und innen ganz weich

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Für hartes Gelände weniger geeignet: der BMW X3

(Foto: DANIEL KRAUS)

Ganz und gar nicht ungeschminkt: Moderne SUVs lassen ihre raue Herkunft vergessen. Beim Weg vom Urwald in den Großstadtdschungel haben sie in zahllosen Design-Metamorphosen viel von ihrem ursprünglichen Charakter verloren.

Von Hans-Ulrich von Mende

Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Aktuell erklärt uns Chevrolet im TV und in Anzeigen, dass sie die heute so beliebten SUVs erfunden hätten. Mag sein. Aber irgendwie hinkt der Vergleich zwischen den Utility Vehicles der Vorkriegszeit - also kleineren Nutzfahrzeugen - und den sportlich angehauchten Allroundern der Gegenwart. Was Chevrolet 1935 mit dem "Suburban" und Ford ein Jahr später auf den Markt brachten, waren Lieferwagen mit umlaufenden Fenstern. Zweitürige Mini-Lkw mit Busaufbau, teilweise mit Holzrahmen und Sperrholzflächen, Gattungsbegriff "Woody".

1946 konnte Ford den "Super de Luxe" im Woody-Stil mit Stollenreifen, Starrachsen und Allradantrieb als urigen SUV-Urahn präsentieren. Damit mauserten sich die Offroader vom Kriegsgerät zu Zivildienstleistenden. Aus dem kleinen Jeep - Namensherkunft strittig zwischen dem Kürzel GP für "General Purpose" (Universaltyp, also Allrounder) und einer US-Comicfigur - wurden nach dem Krieg immer größere und weich gespültere Blechgebilde mit Weißwandreifen, Radkappen und Holzfolien. Aus England kennen wir den ursprünglich ähnlich robusten Land Rover. Auch er mauserte sich in Friedenszeiten zum Stadtindianer.

Der Jimny, der Frechdachs

Heute hat sich der SUV neben Limousine, Kombi und Schrägheck fest in den Modellprogrammen etabliert. Jedes Label, jeder Hersteller hat SUVs im Angebot, je größer der Konzern, desto größer der Variantenreichtum. Die Übersicht ist kaum zu ordnen, die formalen Unterschiede noch viel weniger. Wie gut, wenn da Marken wie Mercedes, BMW und Audi sich teilweise schon seit vielen Dekaden auf ihre Gesichter verlassen können - so wie eigentlich nur noch Jeep in den USA, die bis heute den senkrechten Kühlerschlitzen treu blieben. Ein kleiner Frechling aus Japan ahmt das nach: der Suzuki Jimny. Sein Gesicht wird geprägt von Blinkern, die sich aus dem rechteckigen Grill mit den Rundaugen gestohlen haben. Der Jimny gehört wie der Mitsubishi Pajero Pinin und der Lada Niva zu den SUV-Winzlingen, die sich fern der Monstergefährte ihr Dasein suchen.

Doch selbst kleine SUVs werden einmal groß. Bestes Beispiel ist der Toyota RAV4, der mittlerweile deutlich über die Kompaktklasse herausragt. Auch andere Allradkraxler sind nicht vor solchen Auswüchsen gefeit. Mit jedem Modellwechsel legen ihre Maße zu und die Entwickler kämpfen darum, zumindest ihre Masse im Zaum zu halten. So wiegt ein BMW Fünfer gut 400 Kilogramm weniger als ein identisch motorisierter X5. Der ist in der Neuauflage zwar rund ein Zentner leichter geworden, aber 2,1 Tonnen bringt er trotzdem auf die Waage. Das kostet natürlich Sprit, um die Fuhre zu bewegen. Hat die aktuelle E-Klasse den Super-cw-Wert von 0,23, so kommt die GL-Klasse auf 0,38. Bei der immer noch gebauten G-Klasse liegt der Beiwert mit 0,54 auf Kleiderschrankniveau. Dazu kommt die mächtige Stirnfläche, die den Luftwiderstand nicht gerade verringert.

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Das G-Modell von Mercedes-Benz hat das klassische Aussehen eines Geländewagens bewahrt - und auch dessen Offroad-Eigenschaften

(Foto: SV2)

Out of Urwald

Nun liegt es am Kunden, nicht an den Herstellern, was sich behaupten kann. Machbar wären sparsame Plug-in-Hybride, die das Gewicht aber weiter in die Höhe treiben würden. Die meisten SUVs lassen sich ohnehin nicht mehr im Urwald bewegen - allein schon wegen ihres Metalliclacks, der ebenso kratzempfindlichen Chromapplikationen und ihrer Hochgeschwindigkeitsreifen. Für den Großstadtdschungel genügt der Allradantrieb als aufpreispflichtiges Extra. Sichtbar ist der Wandel auch im SUV-Design, speziell bei den kleinen Modellen. So wurden aus den einst sehr flächig gehaltenen Aufbauten intensiv durch- und ausgeformte Volumina mit zum Teil überbordenden Details. Dienten die formalen Volten früher zur Unterscheidung von der Konkurrenz, wurden sie mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit kopiert.

Selbst Limousinen spielen mit den SUV-Formen. Radhäuser werden weit über den notwendigen Federweg hinaus aufgestülpt. Solche optisch dicken Backen wie bei der alten E-Klasse machen eher bei der GLK- und GL-Klasse Sinn. Auch der gut aufgenommene, kleine Opel Mokka genehmigt sich so ziemlich alle Modetrends in der Beplankung. Inklusive ansteigender Sehne in der Flanke, aufschwingender Fensterlinie, wilder Blechverformung im Heck. Da darf natürlich auch ein stilisierter Unterbodenschutz nicht fehlen, dessen Funktionswert in freier Wildbahn gleich null wäre. Dafür zeigen die Frontlichter ein aufregendes Innenleben, wie wir es von Limousinen kennen. Alles Auswüchse der hilflosen Suche nach Eigenständigkeit: Der ursprünglich kantige Charakter geht auf dem Weg zum Mainstream verloren.

Himmel hilf!

Die SUV-Metamorphosen lassen sich gut bei den großen Japanern verfolgen: Der Mazda CX-7 plustert seine Radhäuser noch relativ verhalten auf und seine Gürtellinie schlägt gemäßigte Wellen. Doch Himmel hilf: Beim Infiniti JX35 wird die C-Säule grausam umgebogen, was jeder formalen Logik widerspricht. In Kombination mit dem Blechbauch verkommt automobiles Design hier zur Farce.

Nicht ganz so widersinnig, aber grenzwertig sind jene Gestaltungsabsichten, die den SUV in großstädtische Eleganz treiben wollen. Das machen sie mit dem Trick der fallenden Fensterlinie bei hochliegendem Dach, der auch bei den Kombivarianten von Limousinen zu sehen ist. Der Honda CR-V verbindet das dann noch mit einem aus der Form geratenen Riesenrücklicht, was in der Schrägansicht von hinten die Unlogik der Formgebung ähnlich wie bei manchen Volvos aufdeckt. Ein ganz wilder Bursche mit vielen überbordenden Designherrlichkeiten ist der Nissan Juke. Froschaugenähnliche Lichter, flächenverfranste Gläser der Rückleuchten, dickbäuchige Radhäuser rundum gepaart mit einem kleinen Aufbau verheißen wenig Funktionalität. Testberichte bescheinigen dem Kleinen gleichwohl einen Rest an sinnvollem Nutzen.

Wider die Mätzchen automobiler Blechverformung

Die USA als SUV-Mutterland schenkt uns dagegen Geländewagen, die auf Mätzchen automobiler Blechverformung verzichten. So bemüht sich ein Lincoln MKX am Bug um das ruhige und dauerhaft verwendbare Motiv zweier Flügelformen, die Grill und Scheinwerfer einfangen. Die Seitenansicht kann auf alles Gewellte und Gewölbte verzichten. Noch disziplinierter zeigt sich das Cockpit, das sonst als Spielwiese für alle möglichen Gags dient. Damit nähern sich viele SUVs dem optischen Verfallsdatum rasend schnell an.

Der andere vornehme Hochbeiner kommt von Cadillac. Hier verblüffen uns bereits seit Jahren die Limousinen mit scharf definierten Blechflächen - eine tragfähige Designidee auch für SUVs. Das bewahrheitet sich beim kompakten SRX in besonderem Maße.

Aber fast über den grünen Klee zu loben sind die englischen Klassiker. Entzieht sich der kleinere Land Rover den aktuellen Designströmungen, so beherrscht auch der Range Rover jene englische Adelsattitüde, dass auffallen um jeden formalen Preis seine Sache nicht ist. In aller Ruhe hat er in den letzten Jahrzehnten eine gelassene Flächigkeit entwickelt, die einer erstklassigen Geländetauglichkeit nicht im Wege steht. Nur winzige Modedetails wie die Lichter an den vier Ecken (ein älterer BMW Fünfer kannte das auch am Bug) als auch die gelochten, einem Rasierer nicht unähnlichen Grillstege wären vermeidbar. Für royalistische Eskapaden wie bei Prinz Henry ist sich der kleinere Evoque nicht zu schade. Eine formale Laune, der mehr Platz bietet, als ihr Flachdach vermuten lässt. Schaut man in die Zukunft der SUVs, so sind besonders die kleinen Konzeptstudien von Audi und VW vielversprechend klar gezeichnet, modische Linien überlassen sie dem Benz-Monster Ener-G. Die Mercedes-Studie GLA lässt indes auf Besserung hoffen.

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