Der Konkurs der PanAm:Die Welt war nicht genug

Nach einem Anschlag begann der Niedergang: Vor 20 Jahren ging die US-Fluggesellschaft PanAm in Konkurs. Damit endete ein wichtiges Kapitel der internationalen Luftfahrtgeschichte.

Andreas Spaeth

Es begann am 11. Oktober 1927 mit einem kurzen Hüpfer in einem geliehenen Wasserflugzeug des Typs Fairchild FC-2 von Key West in Florida nach Havanna auf Kuba. Hinter diesem ersten Flug von PanAm stand der damals 28-jährige Unternehmer Juan Trippe aus New Jersey. Bis zu seinem Rückzug 1968 hatte Trippe mit PanAmerican World Airways ein einzigartiges Luftfahrt-Imperium aufgebaut. Unter dem berühmten blauen Globus-Logo führte es die Welt zusammen wie kein anderes.

Mehr als das, PanAm war die Welt, schon innerhalb weniger Jahre nach ihrer Gründung. Bereits 1931 brachen die ersten Flugboote von Miami nach Südamerika auf. Sie hießen wie alle späteren PanAm-Flugzeuge Clipper, benannt nach den gleichnamigen Handelsseglern des 19. Jahrhunderts.

Doch sein Meisterstück lieferte Trippe im November 1935, als dem PanAm-Martin- M-130-Flugboot mit dem Namen China Clipper der erste transpazifische Luftpostdienst von San Francisco nach Manila gelang. Die 12.875 Kilometer legte das viermotorige Flugboot in sieben Tagen zurück und unterbot damit die damals schnellste Schiffsverbindung um mehr als zwei Wochen. "Dieser Flug ist eines der bemerkenswertesten Ereignisse der gesamten Verkehrsgeschichte", so der kürzlich verstorbene Luftfahrthistoriker Ron Davies.

Am 21. Oktober 1936 startete der erste Passagierflug über den Pazifik. Maximal 41 Personen konnte die Martin M-130 mitnehmen, für sie hatte PanAm auf den Pazifikinseln Midway, Wake und Guam eigens Hotels errichtet, um die Reise komfortabel zu gestalten. Der Hin- und Rückflug kostete 1710 Dollar, was in heutigem Geld fast 20.000 Euro entspricht. Damit waren die Flugreisenden aber auch nur sechs Tage statt bis zu sechs Wochen per Schiff unterwegs. Schon 1937 folgten Verbindungen über den Atlantik nach Europa, London und Paris bekamen als erste per Flugboot Luftverkehrsanschluss an die Neue Welt.

Innerhalb von nur zehn Jahren hatte PanAm die Kontinente einander bereits wesentlich nähergebracht. Und ihren hervorragend ausgebildeten Besatzungen, damals noch für die See- und Luftfahrt qualifiziert, eilte ein legendärer Ruf voraus. Von 1942 an betrieb PanAm den ersten Rund-um-die-Welt-Flug, und im Januar 1943 begab sich zum ersten Mal ein US-Präsident mit dem Flugzeug ins Ausland: Franklin D. Roosevelt im Dixie Clipper, einem riesigen Boeing 314-Flugboot der PanAm.

Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich PanAm, obwohl im Privatbesitz, als quasi nationale US-Fluggesellschaft im internationalen Luftverkehr, auch wenn zunehmend Konkurrenz entstand. Von Januar 1946 an etablierte man die ersten Transatlantikverbindungen mit Landflugzeugen, die DC-4-Liniendienste von New York nach Hurn bei London dauerten mit Stopps 17 Stunden und 40 Minuten, nach Lissabon sogar fast 21 Stunden. Alle zwei Wochen flog noch ein Boeing 314-Flugboot nach Portugal, das benötigte allerdings 30 Stunden.

1958 begann das Zeitalter des Düsen-Jets

Bereits von 1948 an war der PanAm-Vorgänger AOA auch im Nachkriegs-Deutschland vertreten, als erste internationale Airline, lange bevor die Deutschen selbst von 1955 an wieder Luftverkehr betreiben durften. Entscheidend war die Präsenz der Amerikaner im Berlin-Verkehr, die jetzt geteilte Stadt durfte nur von den Alliierten angeflogen werden, und PanAm übernahm 1950 diese Rolle.

Zunächst kam die viermotorige DC-4 durch die Luftkorridore zu sechs westdeutschen Städten zum Einsatz. "Die hatte keine Druckkabine, da ist mir oft schlecht geworden", sagt die Berlinerin Jutta Cartsburg, heute Anfang 70, die 1958 frisch aus der Dolmetscherschule bei PanAm als Stewardess anheuerte, "wir haben damals vor allem Flüchtlinge geflogen".

Zu jener Zeit war PanAmerican so global aufgestellt wie keine andere Gesellschaft, beförderte 1956 schon fast 2,6 Millionen Passagiere. Aber Trippe wollte mehr: Er wollte das Fliegen für breite Bevölkerungskreise erschließen, nicht nur für Reiche.

Und Trippe hatte einen unschlagbaren Riecher für technische Innovationen. Mitte der fünfziger Jahre befand er die Zeit reif für den Beginn des Düsenzeitalters, im Oktober 1955 bestellte er auf einen Schlag gleich beide damals konkurrierenden Modelle der frühen Jet-Ära: 20 vierstrahlige 707 bei Boeing und 25 DC-8 bei Douglas.

Mit Boeing-Chef William Allen verband ihn eine enge Freundschaft. Milliarden-Deals zwischen den beiden, die damit die Existenz ihrer Firmen riskierten, liefen immer nach dem gleichen Muster ab: "You'll build it, I'll buy it", sagte Trippe zu Allen, ihr baut es und ich kaufe es.

Am 26. Oktober 1958 begann das Jet-Zeitalter mit dem Erstflug einer Boeing 707 von New York nach Paris, der Vierstrahler wurde durch den Anschub PanAms ein Riesenerfolg - und PanAm selbst zur glamourösesten Fluggesellschaft in aller Welt. Derzeit läuft in den USA sehr erfolgreich die Fernsehserie "Pan Am" (in Deutschland online unter www.tvseriesthrone.com/pan-am), die den Luxus an Bord um 1963 zeigt.

Mit dem Attentat von Lockerbie kam das Ende von PanAm

Im Cockpit regierten die Skygods (Himmelsgötter), wie die PanAm-Piloten genannt wurden. Die neigten allerdings zur Selbstherrlichkeit, und so verlor die Gesellschaft in der frühen Jet-Ära viele Flugzeuge. "Daraufhin hat PanAm 1962/63 die Zusammenarbeit im Cockpit erfunden, da wurde mehr Kritik erlaubt, das Crew Coordination Concept gibt es bis heute", sagt der Berliner Flugkapitän und PanAm-Experte Thomas Kärger.

Noch ganz andere Herausforderungen im Cockpit galt es im Berlin-Verkehr zu bewältigen: Vor dem Abschluss des Grundlagenvertrags mit der DDR 1972 waren ostdeutsche und sowjetische Störmanöver gegen die in ihren Korridoren fliegenden westlichen Passagierjets an der Tagesordnung. Mal wurden Stanniolstreifen abgeworfen, um die Radargeräte zu irritieren, oft belästigten östliche MiG-Bomber die Boeings im Reiseflug, beim nächtlichen Landeanflug über Ost-Berlin wurden die Piloten gezielt geblendet und mussten sich mit Sonnenbrillen schützen.

Bis auf den vermutlich versehentlichen Abschuss einer PanAm-Boeing-727 am 15. November 1966, die Post beförderte, flog die PanAm auf ihren Berlin-Strecken aber bis zum Ende am 30. Oktober 1991 insgesamt 67 Millionen Passagiere ohne einen größeren Unfall.

In den sechziger Jahren boomte das Geschäft bei PanAm mit einem jährlichen Passagierwachstum von 15 Prozent. Juan Trippe wagte einen neuen Coup: Am 13. April 1966 bestellte er bei Boeing in seiner vielleicht visionärsten Tat 25 Exemplare der 747, eines Flugzeugs von damals unvorstellbaren Ausmaßen, das bis zu 490 Passagiere befördern sollte und später als Jumbo-Jet bekannt wurde. Der Rest ist Geschichte: PanAm dominierte seit dem Ersteinsatz der 747 am 22. Januar 1970 mit später bis zu 65 Jumbos in der Flotte die siebziger Jahre.

In den Achtzigern ging es mit immer hektischeren Management-Wechseln und nachteiligen Fusionen dann jedoch stetig bergab, der Glamour an Bord verblasste zusehends. Das Ziel Trippes, Fliegen für die Massen erschwinglich zu machen, war mit der 747 erreicht, die glorreichen Zeiten der Luftfahrt als Luxusgut endgültig vorbei.

Doch dann kam der Bombenanschlag von Lockerbie, durch den am 21. Dezember 1988 in Schottland 270 Menschen in einer 747 und am Boden starben. Die Buchungen bleiben aus, am 4. Dezember 1991 musste PanAm endgültig Konkurs anmelden. "Man hatte stets noch Hoffnung, aber stufenweise ist immer etwas Neues passiert, trotzdem ist für mich der Untergang von PanAm immer noch ein Rätsel", sagt Joe Haselby, der 25 Jahre für PanAm flog und heute in Berlin lebt. Dort treffen sich die Veteranen immer noch zweimal im Jahr, genau wie in Amerika.

Der Mythos der Airline lebt weiter, auch 20 Jahre nach der Pleite.

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