Der Erfolg der leichten Geländewagen:Warum SUVs wie Skistiefel sind

SUV

SUVs ohne Ende, und es werden immer mehr. Rational erklärbar ist das nicht.

(Foto: Hersteller / Collage: SZ.de)

SUVs sind die Alleskönner unter den Automobilen? Von wegen, denn sie sind teurer, durstiger und behäbiger als andere Autos. Dass sie trotzdem so erfolgreich sind, kann nur einen Grund haben.

Von Thomas Harloff

"2015 wird das Jahr des SUV", sagte Dieter Zetsche beim Jahresauftakt der Autobranche, der Detroit Motor Show. Der Daimler-Boss bezog seine Aussage auf die Modelloffensive von Mercedes, die in diesem Jahr vor allem bei den leichten Geländewagen stattfindet. Betrachtet man den gesamten deutschen Automarkt, lässt sich Zetsches Aussage auf jedes der letzten fünf Jahre anwenden. Zweistellige Zuwachsraten im SUV- und Geländewagensegment sind die Regel, und das wird auch so bleiben.

Das erfolgreiche SUV-Portfolio ist ein Grund für den beeindruckenden Absatzrekord, den Mercedes kürzlich verkündete. Aber auch die anderen Premium-Autobauer wachsen stetig. Bei allen sind SUVs die Absatztreiber, denn auf anderen Märkten sind die Zwitter aus Kombi und Geländewagen ebenfalls beliebt. In den USA sowieso, aber auch in anderen europäischen Ländern. Selbst die chinesischen Autokäufer, bislang absolute Limousinenfans, entdecken ihre Liebe für SUVs.

In Wahrheit sind SUVs ein schlechter Kompromiss

Je länger man sich in die Zahlen vertieft und je mehr SUVs man fährt, umso öfter fragt man sich: Warum um alles in der Welt verkaufen sich die Dinger so gut? Weil sie die Alleskönner unter den Automobilen sind, wie uns jede Werbekampagne für neue Modelle glauben machen will? Nein, für den Erfolg dieses Segments muss es andere Gründe geben. Denn in Wahrheit sind SUVs ein schlechter Kompromiss.

Man kann das an Zahlen festmachen, letztlich an barem Geld. SUVs sind mehrere tausend Euro teurer als ein vergleichbarer Kombi. Beispiel BMW: Ein X5 xDrive30d mit Allradantrieb, Achtgang-Automatik und 258 PS starkem Sechszylinder-Diesel kostet 60 100 Euro - dreitausend Euro mehr als ein 5er Touring mit exakt demselben Antriebsstrang. Der Mittelklasse-Kombi ist dadurch genauso winterfest wie der X5, schleppt aber weniger Masse mit sich herum und hat die effizientere Aerodynamik. Er bietet deshalb deutlich bessere Fahrleistungen und verbraucht weniger Sprit. Von den enormen fahrdynamischen Vorteilen, die der für diese Größe agile 5er gegenüber dem hoch aufragenden und schon deshalb in dieser Hinsicht untalentierten X5 hat, ganz zu schweigen.

Mehr Platz, den man selten braucht

Doch der X5 bietet mehr Platz, dürften SUV-Fans nun einwerfen. Stimmt, sein Kofferraum ist zwischen 90 (im Normalzustand) und 200 Liter (bei umgeklappter Rücksitzlehne) größer als der des 5ers. Aber mal ehrlich: Wie oft braucht man mehr als die 560 bis 1620 Liter, die der Kombi bietet? Oder wie oft schleppt man Anhänger, eine Disziplin, in der ein SUV leichte Vorteile bietet? Und wie oft fährt man mit seinem Auto über nicht befestigte Straßen, geschweige denn ins Gelände? So gut wie nie, dürfte bei fast allen SUV-Fahrern die Antwort auf diese Fragen lauten.

Und dann das vermeintliche Killerargument: "In einem SUV sitzt man weit oben und hat die Straße besser im Blick." Das gilt aber nur so lange, bis die SUVs unsere Verkehrswege vollends erobert haben. Denn wenn der Vordermann auch so einen Panzer fährt wie man selbst, ist der Vorteil keiner mehr. Und was wäre die Konsequenz? Vielleicht, sich einen Cadillac Escalade zu kaufen, das größte SUV von allen, um wieder weiter oben als die anderen zu sitzen? Oder einen Lastwagen?

Bleibt ein einziger Vorteil übrig: Leichteres Ein- und Aussteigen für unsere immer älter werdende und immer stärker von Rückenleiden geplagte Gesellschaft. Das passt, schließlich werden auch die deutschen Neuwagenkäufer immer älter - auf dem Privatmarkt wohlgemerkt. Doch der macht nur etwa ein Drittel des Gesamtmarktes aus. Und die zahllosen Dienstwagenfahrer im besten Alter, die täglich zwischen Kindergarten, Büro und Fitnessstudio pendeln, haben bei der Wahl ihres Autos sicher am wenigsten an ihren Rücken gedacht.

Jeremy Clarkson bringt es auf den Punkt

Am Ende ist es wohl doch eher derselbe Grund, warum viele Leute lieber zu einem iPhone, iPod oder MacBook greifen als zu einem vergleichbaren, aber günstigen Konkurrenzprodukt: Es ist hip und cool und verleiht einem damit automatisch Sozialprestige. Denn die anderen, die einen damit sehen, wissen: Man hätte sich auch für die billigere Alternative entscheiden können, aber man hat bewusst mehr Geld ausgegeben. Man muss es geschafft haben!

Für diejenigen, die ein SUV fahren, weil sie auf alles vorbereitet sein wollen, sei an dieser Stelle der streitbare britische Auto-Philosoph Jeremy Clarkson zitiert. Clarkson sagt in einer Top-Gear-Sendung, in der unter anderem ein absurdes Rennen zwischen Wohnanhänger ziehenden SUVs veranstaltet wird: "Camper wählen ein SUV, das teurer in der Anschaffung und im Unterhalt ist und sich nicht gut fährt, weil es für die jährlichen Urlaubs-Ansprüche taugt. Das ist, als würde man das ganze Jahr in Skistiefeln herumstapfen, weil man jedes Jahr im Februar in die Alpen fährt. Ich meine, ich mag Schnorcheln, aber ich gehe auch nicht jeden Tag mit einer Taucherbrille einkaufen." In diesen Worten steckt viel Wahrheit - und trotzdem wird Dieter Zetsche anderer Meinung sein.

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