Defekte Zündschlösser und Servolenkungen:Rückrufe kommen GM teuer zu stehen

Das Logo von General Motors vor der US-Flagge

Vor dem US-Kongress wird heute geklärt, ob General Motors wegen der defekten Zündschlösser zu spät gehandelt hat.

(Foto: dpa)

Seit Jahresbeginn musste General Motors Millionen Autos zurückrufen. Den Autokonzern kosten die Maßnahmen viel Geld. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Summen, die als Strafe drohen.

Aktuell vergeht kaum ein Tag ohne Hiobsbotschaft aus der General-Motors-Zentrale in Detroit. Gestern hat der US-Autokonzern vermeldet, weitere 1,5 Millionen Autos wegen fehlerhafter Servolenkungen zurückzurufen. Damit geht die im Februar begonnene Rückrufserie weiter. GM hat bereits 2,6 Millionen Autos wegen defekter Zündschlösser zurückgerufen. Andere Fahrzeuge leiden an einer defekten Getriebekühler-Leitung, die Fahrzeugbrände auslösen können, sowie schadhaften Achsen, bei denen ein Bruch nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Maßnahmen entwickeln sich für GM allmählich zum Fass ohne Boden. Nach eigenen Angaben muss der Konzern für die Rückrufe etwa 750 Millionen US-Dollar (etwa 544 Millionen Euro) ausgeben. Zuvor stand die Rechnung bei 300 Millionen US-Dollar. Die Summe legt General Motors im ersten Quartal zurück, was den Gewinn in diesem Zeitraum entsprechend schmälern wird.

Toyota als warnendes Beispiel

Doch dabei wird es nicht bleiben. Konzernchefin Mary Barra nimmt heute vor dem US-Kongress Stellung zu der Frage, ob General Motors schon viel früher von den fehlerhaften Zündschlössern wusste, aber nicht entsprechend handelte. Am Mittwoch folgt eine weitere Anhörung vor einem Senatsausschuss. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Als Beispiel dient hier der Fall Toyota aus den Jahren 2009 und 2010. Die Japaner mussten sich nach einer Rückrufserie wegen rutschender Fußmatten, die unter das Bremspedal geraten konnten, sowie klemmender Gaspedale ebenfalls vor den US-Behörden verantworten. Toyota zahlte daraufhin etwa 1,2 Milliarden US-Dollar Strafe und gab zu, seine Kunden jahrelang getäuscht zu haben. Ein enormer Imageverlust war die Folge.

"Dokumente zeichnen ein beunruhigendes Bild"

Zudem laufen erste Zivilklagen. In Kalifornien verklagt eine Frau den Konzern auf 350 Millionen US-Dollar Schadenersatz. Außerdem erwägen die Familienangehörigen zweier Todesopfer, eine schon vor Jahren getroffene Einigung mit GM anzufechten. Weitere Klagen sind zu erwarten, auch von Autobesitzern, die nun den Wert ihrer Fahrzeuge geschmälert sehen. Am Montagabend traf sich Barra laut US-Medienberichten bereits mit Angehörigen der Opfer.

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass GM für die Versäumnisse bestraft wird. Die Ermittlungsakte umfasst 235 000 Seiten und offenbart allem Anschein nach bereits am Anfang belastende Informationen. "Obwohl wir die Dokumente erst seit weniger als einer Woche haben, zeichnen sie ein beunruhigendes Bild", heißt es in einer Stellungnahme des Ausschuss-Vorsitzenden Fred Upton und des Vorsitzenden des Ermittlungsausschusses, Tim Murphy.

Kritische Stimmen

Auch David Friedman stellt GM an den Pranger: "GM besaß kritische Informationen, die geholfen hätten, den Defekt zu identifizieren", sagt der aktuelle Chef der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA. Doch auch diese Institution muss sich vor dem Kongress erklären. Ihr wird ebenfalls vorgeworfen, ein nötiges Rückrufverfahren verschleppt zu haben. Obwohl im Laufe der Jahre immer wieder Hinweise betroffener GM-Kunden bei der NHTSA eingegangen sind, habe man kein Untersuchungsverfahren eröffnet. Wie die New York Times berichtet, habe man Beschwerden sogar abgewiegelt. In elf Jahren seien 260 Hinweise eingegangen, ohne dass die NHTSA gehandelt habe.

Zudem äußerte sich Zulieferer Delphi zu den defekten Zündschlössern. Die US-Firma erklärte in einer Stellungnahme für den US-Kongress, dass General Motors die im Zentrum der Affäre stehenden Zündschlösser 2002 genehmigt habe, obwohl sie nicht alle Vorgaben des Konzerns erfüllt hätten. Warum sich GM so verhalten habe, sei unklar, sagte ein Berater des zuständigen Ausschusses im Repräsentantenhaus.

Wegen des Zündschloss-Problems soll es bei 34 Unfällen 13 Tote gegeben haben. Die US-Verbraucherschutzorganisation Center for Auto Safety (CAS) bringt sogar 303 Verkehrstote mit den fehlerhaften Teilen in Verbindung.

Opel ist kaum betroffen

Bei den kaputten Zündschlössern kann es während der Fahrt dazu kommen, dass der Schlüssel unvermittelt in die "Aus"-Position springt. Dann funktionieren Sicherheitssysteme wie Servolenkung, Bremskraftverstärker oder Airbag nicht mehr. Das kann zu schweren Unfällen führen. Eine Fahrt über holprige Straßen oder ein an einem schweren Schlüsselbund befestigter Autoschlüssel kann das Problem verstärken. Neben den in den USA, Kanada und Mexiko verkauften Fahrzeugen ist auch der Opel GT, der auf US-Modellen von General Motors basiert, betroffen. 7450 Exemplare des Roadsters müssen zurück in die Werkstatt.

Der Grund für den neuerlichen Rückruf ist die Servolenkung. Diese kann plötzlich ausfallen. Die Lenkung funktioniert zwar weiterhin, erfordere aber einen erhöhten Kraftaufwand, wie GM mitteilte. Es habe aufgrund des Defektes mehrere Unfälle gegeben, die nach bisherigen Erkenntnissen jedoch keine Todesopfer gefordert hätten. Die Aktion betrifft Modelle der Marken Chevrolet, Pontiac und Saturn der Baujahre 2004 bis 2010. Bei den nun zurückgerufenen Autos soll es sich weitgehend um Fahrzeuge handeln, die mit defekten Zündschlössern ausgerüstet waren. Dabei gehe es sich nicht um Modelle der deutschen GM-Tochter Opel. Allerdings ist noch unklar, ob Fahrzeuge der von der Maßnahme betroffenen US-Marken auch nach Deutschland verkauft worden sind.

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