Das neue Porsche-Museum:Ein Traum im Raum

Ende Januar eröffnet Porsche sein neues, 100 Millionen Euro teures Museum in Stuttgart-Zuffenhausen. Bewusst verzichtet der Autokonzern auf "eine inszenierte Erlebniswelt".

Thomas Wirth

Unbaubar, lautete das Urteil. Fachleute, Ingenieure, erfahrene Tragwerksplaner schüttelten den Kopf, als sie vor knapp vier Jahren auf die mutigen Pläne des Wiener Architekturbüros Delugan Meissl schauten: So gehe das nicht. Viel zu kompliziert.

Das neue Porsche-Museum: Ein Museum setzt zum Fliegen an: Porsche hat sich einen mutigen Entwurf ausgesucht.

Ein Museum setzt zum Fliegen an: Porsche hat sich einen mutigen Entwurf ausgesucht.

(Foto: Foto: Uli Jooß)

Aus drei Soundduschen strömen die Klänge von 356, 911 und 917

Das war nur eines der Probleme. Ein anderes brannte schon länger. Es drehte sich rund um den Kreisverkehr der Schwieberdinger Straße, den Stuttgart in großer Geste Porscheplatz getauft hat. Was für ein Euphemismus für die leere Mitte zwischen dem betriebsamen Porsche-Werk, der blutarmen Fassade der Porsche-Niederlassung und einem wirr gewürfelten Gewerbe- und Industriegelände hintendran! Es ist ein Ort, an dem ehrlich geschafft wird. Hier strömt viel Verkehr. Doch mit dieser stadträumlichen Rumpelkammer architektonisch klarzukommen, ist nicht einfach. Was blieb, war ein eigenes Zeichen zu setzen.

Das gelingt dem neuen Museum. Hoch, dabei nicht graziös, reckt sich diese kantig gefaltete, brillantweiß belegte und spiegelnde Box. Nachhaltig dominiert der Bau die Beliebigkeit seines zerfaserten Umfelds. Der gewaltige Polyeder bietet 82 Autos auf 5600 Quadratmetern Platz. Doch seine große Last, 35.000 Tonnen sind es, darf er nur in drei Stützenpaare ableiten, was zu Spannweiten von bis zu 60 Metern führt - und zu spektakulären Überhängen: Rund 40 Meter weit kragt das Museum in seinem hinteren Teil aus. Hier verformt sich der Bau um bis zu acht Zentimeter. "Wir haben den konventionellen Hochbau verlassen", sagt Martin Josst, Partner im Büro Delugan Meissl, "und uns beim Brückenbau bedient." Letztlich hat es funktioniert, mit viel Nachdenken, Nachrechnen, Nachzahlen. 100 Millionen Euro, sagt Porsche, habe der Bau gekostet. Das ist rund doppelt so viel, wie ursprünglich gedacht.

"Das Schweben", sagt Elke Delugan-Meissl, "hat auch etwas mit der Marke zu tun." Für die Architektin ist im neuen Museum der gesamte Porsche-Kosmos zu Hause. Wer sich zu dessen Entdeckung aufmacht, taucht zunächst ab: Das tiefe, flach unter der großen Box lagernde Foyer lässt noch nichts vom Museum ahnen. Der Blick fällt zunächst in die große Werkstatt, wo künftig Spezialisten an Motorsport-Pretiosen schrauben sollen: Hier könnten sie, so Klaus Bischof, Ex-Rennmechaniker und Chef des Rollenden Museums, zum Beispiel einen 917/30 restaurieren.

Ein Traum im Raum

Statt kühlem Marketing prägen so profunde Handarbeit und kurze Wege das erste Bild. Im Rücken ziehen sich die Fluchten zweier langer Rolltreppen weit nach oben. Die Architekten inszenieren eine enge Himmelsleiter. Nach der Fahrt durch den Flaschenhals weitet sich plötzlich der Raum. Der schwarzweiße Purismus bleibt, doch garnieren ihn jetzt bunte Porsche-Modelle.

Als Empfang wartet eine schimmernd-nackte Aluminium-Karosserie des Berlin-Rom-Wagens, den Ferdinand Porsche 1939 konstruierte. Ihn inszeniert Porsche heute als Nullpunkt seiner Geschichte. Er ist das erste Auto, das den Schriftzug der Marke trug. "Das ist die Ur-Form aller Porsche", sagt Klaus Bischof über das Projekt, das einst der Zweite Weltkrieg ausbremste. Als Ferdinands Sohn Ferry 1948 seinen ersten 356 baute, führte er diese frühe Idee eines reisetauglichen, leichten Sportwagens weiter.

Der Ouvertüre folgen Fahrzeuge wie ein Käfer, ein Mercedes Monza oder der Cisitalia als wichtige Wegmarken der Entwicklung vor 1948. Von hier reicht der Blick längs durch den rund 140 Meter langen Bau: Porsche, Porsche, Porsche. Nicht zu voll, doch überall. Kaum etwas, was davon ablenken könnte: Vor der tiefschwarzen Außenwand reihen sich die Modelle in strenger Chronologie: Sie beginnt mit dem frühen Gmünd-Coupé und endet im Heute.

Weil die Porsche-Geschichte ein Kontinuum ist, gibt es nur einen Raum, der jedoch ständig seine Form variiert: Er öffnet sich, steigt an, verjüngt sich, fächert sich auf. "Mobilität war zentraler Gegenstand unserer architektonischen Auseinandersetzung", sagt Architekt Roman Delugan. Im Entwurf spiegeln sich Dynamik und Geschwindigkeit, Konzentration und Gelassenheit. Porsche wollte keinen Klamauk: "Wir haben mit Absicht darauf verzichtet, eine inszenierte Erlebniswelt zu schaffen", sagt Museumsleiter Achim Stejskal. Nur beim Klang wurde man schwach: Aus drei Soundduschen strömen die Klänge von 356, 911 und 917. Der Boden vibriert dazu.

Ein Traum im Raum

Doch die Ausstellung ist mehr als nur ein Schaudepot, auch wenn die Exponate sich mitunter irritierend introvertiert präsentieren. Das täuscht jedoch: "Fast alle sind fahrbereit", sagt Klaus Bischof. Der Weg zum Lastenaufzug, der direkt in die Werkstatt führt, ist nie weit. Ein schneller Check ist kein Problem. Damit wird für kein Exponat das Museum zur letzten Bleibe. Manchmal wird der Besucher dann wohl auf einen verwaisten Platz stoßen, wenn Bischof mit einem seiner Autos bei der historischen Mille Miglia oder beim Goodwood Festival of Speed startet. Anlässe gibt es genug.

28.000 Rennsiege werden gefeiert

Wer sich darauf einlässt, kann in den Autos lesen wie in einem Buch. Ferry Porsches Alltags-911 steht hier und auf unerbittlich weißem Terrain parken die siegreichen Targa Florio- und Le Mans-Teilnehmer. Auch eine große 917-Armada tritt auf. Dazu fokussiert Porsche in sechs Themeninseln die Eigenschaften, die für die Marke stehen. Doch bei aller Präzision zeigt die Marke auch ein paar Gefühle. Immerhin melden sich legendäre Haudegen wie Hans Herrmann, Vic Elford oder Derek Bell mit Anekdoten zu Wort, feiert Porsche mit einem Wald aus Pokalen seine bisher 28.000 Rennsiege und liegt in kleinen Vitrinen Symbolisches - wie eine schwäbische Spätzle-Presse. "Nur wer gut isst, kann auch gut schaffen", proklamierte Ferry Porsche.

Dass Essen auch heute noch eine tragende Rolle spielt, zeigt das Nobelrestaurant Christophorus, das weit oben hinter der prominenten Glasfassade seine Gäste verköstigt. Doch der Blick in diesen Gastraum zeigt, wie sehr die Architektur beeindruckt: In dieser weißen Welt irritiert das geerdete Ambiente. Wendelin Wiedeking, der Chef selbst, soll seine Hand im Spiel gehabt haben, die Architekten blieben außen vor.

Ein kleiner Fauxpas, doch er verblasst zur Randnotiz, rechnet man die gemeisterten Herausforderungen gegen. Wiedeking hat schließlich Porsche aus den tiefsten Tiefen in nie geahnte Höhen geführt. Und jetzt hat er auch noch, am Porscheplatz steht es, für seine Marke das Unbaubare bauen lassen.

Porsche Museum: ab 31. Januar geöffnet; Dienstag bis Sonntag 9 bis 18 Uhr; Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, freier Eintritt für Kinder bis 14 Jahre sowie angemeldete Schulklassen. Weitere Infos unter Telefon 01805/356 911.

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