Das Autojahr 2017:Ein Ende des SUV-Booms ist nicht in Sicht - ganz im Gegenteil

Das bringt das Autojahr 2017: den Mazda CX-5

SUVs werden zunehmend kompakter. Mazda bringt in diesem Jahr den neuen CX-5 auf den Markt.

(Foto: Mazda)

Was fehlt im Potpourri der Möchtegern-Geländewagen sind alternative Antriebe. Das ist umso weniger entschuldbar, weil fast jedes SUV genug Platz dafür hätte.

Von Georg Kacher

Der Mensch ist ein unvernünftiges Wesen. Er trinkt zu viel und isst zu fett, bewegt sich zu wenig. Kein Wunder, dass der Homo stupidus dem SUV - vulgo Geländewagen - verfiel wie das Eichhörnchen dem Buchecker. Er liebt es, hoch zu sitzen, denn dann sieht er besser. Er glaubt an die Mär der Unverwundbarkeit seines Mehrtonners. Er hat sich ganz bewusst einen überqualifizierten Koloss angeschafft für die jährliche Fahrt zum Baumarkt und die zwei oder drei Tage Schneematsch. Zumal er auf fast nichts verzichten muss: In einen SUV passen mehr Holzleisten und Lederpolster als in eine Langlimousine, das hohe Gewicht wird durch immer mehr Leistung ausgeglichen, die Fahrdynamik-Defizite lassen sich gegen Aufpreis abbauen. Und den locker zweistelligen Verbrauch haben die niedrigen Benzinpreise - bislang zumindest - relativiert.

Um die Hochdachmobile, die die Aura von Freizeit und Abenteuer vermitteln, einer noch breiteren Masse zugänglich zu machen, setzt die Industrie künftig verstärkt auf kompaktere Formate. So bringt VW in diesem Jahr mit dem T-Roc einen Golf für Outdoor-Fans, ehe der T-Cross auf Polo-Basis ein Jahr später Begehrlichkeiten bei den weniger gut Verdienenden wecken soll. Am anderen Ende der Skala präsentiert sich der neue Touareg als Cayenne zum Discountpreis, der Tiguan bietet als Allspace Platz für sieben Personen (im Idealfall zwei Erwachsene und fünf Kinder), und der in Chattanooga gebaute Atlas-XXL-SUV soll mal wieder die Amerikaner zur Marke Volkswagen zurückführen. Im Kielwasser der VW-Neuheiten schwimmen die zweite Auflage des Skoda Yeti, der noch kleinere Skoda Polar, der Ende 2018 kommt, sowie zwei elegante Coupés auf Tiguan- und Kodiaq-Basis sowie der Seat Arona als Gegenstück zum T-Roc.

Der Markt wird langsam unübersichtlich

Auch im Premium-Bereich haben die SUV den klassischen Erfolgstypen längst den Rang abgelaufen. In jeder Baureihe bietet inzwischen fast jeder Hersteller zumindest einen Crossover an. Und sogar zwischen SUV und Kombi ist offenbar genug Platz für Zwitter wie Golf Variant Alltrack, Audi A6 allroad (kommt 2018) und Mercedes All Terrain auf Basis E-Klasse, T-Modell. Audi startet mit dem Q5-Nachfolger in dieses Jahr, Alfa bringt den Stelvio, Land Rover zeigt in Genf eine neue Range-Rover-Baureihe. Bei BMW stehen mit der dritten Auflage des X3 und dem Coupé-artigen X2 mit Front- oder Allradantrieb zwei Premieren im Kalender. Und Mercedes bringt von Dezember an mit der X-Klasse einen Pick-up. Zudem frischen die Stuttgarter ihre G-Klasse technisch auf. Nur das Design bleibt nahezu unverändert - es erinnert nach wie vor an ein Militärfahrzeug.

Alles viel zu teuer? Auch in den mittleren Preisregionen, in denen sich Peugeot / Citroën / DS und Opel zusammengetan haben, steht eine Flut an SUV an: Der Opel Crossland X, der im August startet, ist nichts anderes als der Zwillingsbruder des Peugeot 2008, der Grandland X (Marktstart im November) orientiert sich am Schnittmuster des Peugeot 3008. Während Citroën im September den auf SUV getrimmten Nachfolger des C3 Picasso beschert, schickt DS auf artverwandter DNA eine noch namenlose Luxusversion ins Rennen. Minivan-Fans könnten sich für den SUV-ig gestylten Peugeot 5008 erwärmen, dessen Gen-Mix die Handschrift von Opel trägt, wo 2018 der entsprechende Bigland X die Insignia-Palette abrunden soll.

Auch die Japaner räumen dem SUV in Zukunft noch mehr Platz ein. So präsentiert Honda zur Jahresmitte den neuen CR-V, bei Mazda beginnt im Juli der Verkauf des CX-5-Nachfolgers, Mitsubishi (gehört jetzt zu Nissan-Renault) lanciert die von Citroën abgekoppelte zweite Generation des ASX, Infiniti zielt mit dem QX50 auf Audi Q5 und BMW X3, und Toyota setzt auf den schräg eingekleideten CH-R.

Obwohl Hyundai und Kia ihr SUV-Pulver größtenteils schon 2016 verschossen haben, bringen die Koreaner mit den auf SUV getrimmten Nachfolgern von ix20 und Venga zwei neue, aggressiv bepreiste Crossover ins Land. Auch die nächste Generation des Ssangyong Rexton bietet viel Auto fürs Geld. Mini ersetzt den Countryman durch eine Neukonstruktion, die eher maxi als mini erscheint, aber dafür noch bunter und demnächst auch als Plug-in-Hybrid lieferbar ist. Jeep führt im Sommer den verbindlicher gestylten Compass ein und schlägt auf der Detroit Auto Show das nächste Kapitel der Wrangler-Saga auf.

Am unteren Ende der Preis-und-Prestige-Skala feiert der Dacia Duster II auf der IAA seinen großen Auftritt. Während das erfolgreiche Duster-Design nur behutsam überarbeitet wird, erhält der schmucklose Renault Koleos im März ein neues, hübscheres Outfit. Volvo erweitert sein SUV-Programm nach unten: Zur Jahresmitte debütiert mit dem XC60 der kleine Bruder des XC90. Was fehlt noch? Genau. Der kleinere XC40, der von Ende 2017 an gegen BMW X1 und Mercedes GLA mobil macht.

Einen Geländewagen mit Elektro-Antrieb wird nicht vor 2018 geben

Die wichtigste Neuheit in der Luxusklasse ist wohl der dramatisch leichtere und effizientere Cayenne III, der sich das Entwicklungsbudget mit Q7, Bentley Bentayga, VW Touareg und Lamborghini Urus (kommt 2018) teilt. Natürlich ist auch jenseits der für diese Spezies typischen Schmerzgrenzen von fünf Meter Länge, zwei Tonnen Gewicht und einem Preis von mehr als 100 000 Euro noch Luft nach oben. Das beweist etwa der kantige BMW X7, der von 2018 an vorwiegend amerikanische Gutverdiener beglücken soll. Die gleiche Zielgruppe hat der Nachfolger des Mercedes GL im Visier, der wohl nicht vor 2019 als wuchtiger GLS und noch opulenterer Maybach verkauft wird. Die vorläufig letzte Steigerungsstufe in Sachen Pomp und Dekadenz manifestiert der Rolls-Royce-SUV mit dem Decknamen Cullinan, der von 2018 an bei Scheichs, Stars und Großgrundbesitzern Kaufreflexe auslösen soll.

Was leider fehlt in diesem Potpourri der Möchtegern-Furchenzieher, sind der immer öfter aufpreispflichtige Allradantrieb sowie alternative Antriebslösungen. Das ist kaum nachvollziehbar, weil im Bauch fast jedes SUV genug Platz wäre für ein mehr oder weniger großes Batteriepaket. Auch die Umrüstung zum Plug-in-Hybrid per E-Motor im Getriebegehäuse ist kein Hexenwerk. Aber warum sich beeilen, solange die profitableren Verbrenner gekauft werden? Vor 2018, so steht zu befürchten, sind nicht einmal Derivate bestehender Modelle mit E-Antrieb zu erwarten. Audi bringt dann verschiedene Varianten des e-tron-Stromers, der als Crossover-Basismodell weniger als 60 000 Euro kosten soll. Mercedes baut den GLC zum EQC mit E-Power um, von dem sogar eine Langversion in Planung ist. BMW stattet den neuen X3 auf Wunsch mit E-Motoren aus. Und Jaguar lässt ebenfalls vom Jahr 2018 an den vollelektrischen i-Pace herstellen. Alle Autobauer stellen ausreichend Leistung und Reichweiten von mindestens 400 Kilometer in Aussicht.

Das klingt gut, doch den großen Durchbruch bringt vermutlich erst die nächste Generation der Fahrzeug-Architekturen, die für autonomes und emissionsfreies Fahren ausgelegt ist. Genau hier scheiden sich freilich die Geister: Während BMW nach einer Patentlösung für alle Antriebs-Alternativen sucht, setzen Mercedes sowie VW und dessen Konzernmarken Audi und Porsche auf eine für die Elektrotraktion maßgeschneiderte Matrix. Der SUV spielt bei diesem Paradigmenwechsel nur eine Nebenrolle, denn sein Hochbodenkonzept bietet genug Platz für das Akku-Arsenal. Deutlich schwieriger - aber wettbewerbsentscheidend - dürfte das bei allen anderen Aufbauvarianten umzusetzen sein.

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