Süddeutsche Zeitung

Bahnhistorie:Zurück ins Gleis

Lesezeit: 4 min

Die Dampflok 01 150 ist eine Legende, doch sie steht seit einiger Zeit in einem Lokschuppen in Hanau. Eisenbahn-Fans wollen sie wieder auf die Strecke schicken - zu einem ganz speziellen Datum.

Von Marco Völklein

Sie waren etwa 24 Meter lang, brachten fast 170 Tonnen auf die Waage und schafften 2240 PS. Die Schnellzuglokomotiven der Baureihe 01 galten lange Zeit als Inbegriff der schweren Schnellzugdampflokomotiven in Deutschland. Mehr als 240 dieser kraftstrotzenden Maschinen wurden gebaut, nur wenige sind bis heute erhalten geblieben. Eine davon ist die Dampflok 01 150 - deren Geschichte zudem außergewöhnlich ist. Momentan steht sie in einem historischen Lokschuppen in Hanau in Hessen; gefahren werden darf sie aktuell nicht. Einige Engagierte allerdings wollen versuchen, die alte Lok wieder fahrbereit zu machen. Das große Ziel ist das Jahr 2035. Dann feiert die Eisenbahn in Deutschland ihren 200. Geburtstag. Bis dahin allerdings ist noch eine Menge zu tun. Hier ein Überblick über die Geschichte und die geplante Zukunft der Lokomotive:

Der Auftakt

Gebaut wurde 01 150 in der Lokomotivfabrik Henschel in Kassel, im Herbst des Jahres 1935 wurde sie an die Deutsche Reichsbahn ausgeliefert. Eine der ersten großen Aufgaben hatte die fabrikneue Maschine bereits im Jahr ihrer Auslieferung zu erledigen: Sie diente der Reichsbahn als Aushängeschild bei der 100-Jahr-Feier der Eisenbahn im Jahr 1935. Mit viel Prunk und Pomp begingen die Nazis damals in Nürnberg das Jubiläum - schließlich hatte 100 Jahre zuvor, im Dezember 1835, mit dem "Adler" zwischen Nürnberg und Fürth die erste Eisenbahn auf deutschem Boden ihren Betrieb aufgenommen. Zahlreiche Lokomotiven, viele davon mit Hakenkreuzfahnen beflaggt, wurden in einer langen Lokomotivparade präsentiert. 01 150 stand damals für die neueste, leistungsstärkste Technik auf der Schiene.

Die Lokomotive

Die Schlepptenderlokomotiven der Baureihe 01 waren von Anfang an als schwere Schnellzugloks konzipiert. Die ersten wurden bereits Mitte der Zwanzigerjahre an die damalige Reichsbahn ausgeliefert, zunächst mussten aber noch einige Strecken auf die für den Betrieb notwendige Achslast von 20 Tonnen ausgelegt werden, auch standen zu Beginn nicht genügend Drehscheiben mit ausreichendem Durchmesser zur Verfügung.

Mit Beginn der Dreißigerjahre entwickelte sich die Baureihe 01 dann zur dominierenden Schnellzuglokomotive in Deutschland. Auch nach dem Krieg blieben zahlreiche Maschinen im Einsatz - im Osten wie im Westen Deutschlands. Die Deutsche Bundesbahn nahm die letzten Maschinen im Jahr 1973 außer Betrieb, bei der Reichsbahn der DDR fuhren die 01er bis zu Beginn der Achtzigerjahre, unter anderem auf der Strecke Berlin-Dresden.

Die 01 150 verrichtete ihre Arbeit vor allem bei der Bundesbahn-Direktion Frankfurt am Main im schweren Schnellzugdienst. Im November 1973 war aber auch für sie Schluss - nach einer Gesamtlaufleistung von mehr als 2,5 Millionen Kilometern. Ein Unternehmer aus Bielefeld erwarb die Lok und ließ sie etwa zehn Jahre später aufwendig restaurieren. Als im September 1985 die Bundesbahn - erneut mit einer großen Lokparade in Nürnberg - das 150. Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland feierte, war auch 01 150 wieder mit dabei.

Die Brandnacht

In einer Nacht im Oktober 2005 brannte der Ringlokschuppen des DB Museums in Nürnberg bis auf die Grundmauern nieder. Zahlreiche historische Lokomotiven und Waggons fielen dem Feuer zum Opfer. Auch 01 150, die mittlerweile von der DB zurück erworben worden war, wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Fotos von damals zeigen eine völlig verkohlte Lok, auch der Tender war schwer beschädigt. Der Bielefelder Lokführer Olaf Teubert setzte sich für den Erhalt der Lok ein, warb immer wieder um Spenden - mehr als eine Million Euro kamen so zusammen, ein Großteil davon steuerte die DB bei. Im Dampflokwerk in Meiningen in Südthüringen wurde 01 150 wieder betriebsfähig hergerichtet, die größte (und teuerste) Aufgabe war es, den etwa 30 Tonnen schweren Lokomotivkessel neu zu errichten. Im Mai 2013 steht 01 150 wieder unter Dampf.

Die Gegenwart

Mehr als fünf Jahre lang dampft 01 150 anschließend durch Deutschland und begeistert überall Fans historischer Lokomotiven. Doch seit einiger Zeit ist nun erneut Schluss damit: Bei der Aufbereitung in Meiningen wurden der Lok aus Kostengründen keine neuen Radreifen verpasst. Mittlerweile sind diese so verschlissen, dass die Grenzwerte erreicht sind - die Maschine darf so nicht mehr aufs Schienennetz. Nun also steht 01 150 in Hanau - und wartet darauf, mit neuen Radreifen ausgestattet zu werden.

Doch das ist einfacher gesagt als getan, wie Marvin Christ und Matthias Kopitzki von der Stiftung Deutsche Dampflokomotiven berichten. Beide sind aktive Eisenbahner, beschäftigt bei der Deutschen Bahn. In ihrer Freizeit widmen sie sich dem Erhalt von 01 150. Die Stiftung muss etwa 300 000 Euro auftreiben, um Lokomotive und Tender mit neuen Radreifen auszurüsten sowie die Maschine einer umfangreichen Hauptuntersuchung zu unterziehen. Etwas mehr als 100 000 Euro kamen bereits zusammen. Hinzu kommt, dass bei einer alten Lok, sobald man sie mal in ihre Einzelteile zerlegt hat, erfahrungsgemäß weitere Probleme und Problemchen auftauchen - und diese dann behoben werden müssen. Andernfalls darf sie nicht zurück aufs Gleis.

Die Zukunft

All das kostet also viel Geld - auch künftig. Zumal Christ und Kopitzki und deren Mitstreiter ein großes Ziel verfolgen: Wenn im Jahr 2035 in Nürnberg der 200. Geburtstag der Eisenbahn in Deutschland gefeiert wird, dann soll auch 01 150 erneut in der große Lokparade mitrollen. Deshalb wollen sie mit ihrer Stiftung einen Grundstock an Kapital ansammeln, aus dessen Erträgen heraus nicht nur die derzeit notwendige Neuausstattung der Lok finanziert werden kann, sondern der gesamte Unterhalt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. "Wir wollen das auf ein solides finanzielles Fundament stellen", sagt Kopitzki, der immer mal wieder als Lokführer auf anderen Dampfloks mitfährt, um ja nicht aus der Übung zu kommen. Auch Christ, der als Heizer die Kohlen in die Feuerbüchse schaufelt, ist immer wieder auf Dampfloks unterwegs. Und was ist das Besondere am Dampflokfahren? "Die Technik fasziniert mich", sagt Marvin Christ. Die vielen Einzelteile der Lok, die ineinander greifen; die Wärme, die der Kessel abstrahlt. Eine Dampflok zu steuern, sagt Kopitzki, das sei "Gefühlssache". Wer eine solche Maschine bediene, der müsse auf alle seine Sinne achten, die Erschütterung spüren, das Zischen der Kolben hören. Im Grunde, sagt Christ, sei so eine Dampflok "wie eine Zeitmaschine".

Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.01150.de.

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