Süddeutsche Zeitung

Autonomes Fahren:Der Mensch macht sich überflüssig

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Bosch und Daimler ist mit dem autonomen Parken eine Punktlandung gelungen. Sie haben als Erste ein marktfähiges System, das zur Plattform für alle anderen Hersteller werden könnte.

Kommentar von Joachim Becker

Mondraketen und Roboterautos haben viel gemeinsam. In den 1950er Jahren sahen amerikanische Straßenkreuzer beispielsweise aus wie Raumschiffe auf Rädern. Steile Heckflossen und stilisierte Düsenantriebe ließen die Fahrer von einer besseren, weil unfallfreien Zukunft träumen. Die Vision vom Fahrzeug, das selbständig lenken, bremsen und Gas geben kann, passte prima zu diesem Fortschrittsoptimismus. Doch die Designelemente aus der Fliegerei stellten sich als großer Bluff heraus. Letztlich war es leichter, einen Stellplatz auf dem Mond zu finden, als autonom vor dem heimischen Supermarkt zu parken.

Das hat viele Gründe. Unter anderem gibt es auf dem Weg zum Mond keinen Gegenverkehr. In der Fahrschule lernen wir nicht nur die Technik zu beherrschen, sondern entwickeln (möglichst) auch einen siebten Sinn für andere Verkehrsteilnehmer. Denn diese interpretieren die Verkehrsregeln gerne auch mal etwas freier. Was nicht nur vor dem Supermarkt zu Komplikationen führen kann. Autofahren hat also viel mit Kommunikation und Interaktion zu tun. Im Idealfall kommt eine Art Schwarmintelligenz dabei heraus. Im schlechtesten Fall stehen wir in Phantomstaus, die nur aus dem Grund entstehen, dass die Leute falsch oder gar nicht aufeinander reagieren.

Eine technische Großtat, die nicht aus dem Silicon Valley kommt

Weltweit arbeiten viele Autohersteller und Tech-Unternehmen daran, ihre Roboterautos in so eine Art von Fahrschule zu schicken. Die Autohersteller Daimler und der weltgrößte Zulieferer Bosch haben jetzt eine wesentliche Idee der Mondlandung auf die Straße übertragen: Ähnlich wie eine Mondrakete, die per Funk Unterstützung von der Leitstelle bekommt, führen sie die Autos im Parkhaus ferngesteuert zu einer freien Lücke. Die fahrerlosen Autos agieren also nur scheinbar autonom; in Wirklichkeit sind sie eng mit der Infrastruktur vernetzt. Weil die "Flugroute" dabei von einem Leitcomputer genauestens vorgegeben wird, können Dutzende von unbemannten Autos gleichzeitig im Parkhaus unterwegs sein. Die Passagiere sind zuvor am Eingang ausgestiegen und können sich um Angenehmeres kümmern als Parkrempler zu vermeiden.

Das Parkhausballett findet zwar nur im Schritttempo statt. Trotzdem ist es eine technische Großtat, denn das System arbeitet so zuverlässig, dass die Zulassungsbehörden erstmals grünes Licht für das fahrerlose Parken gegeben haben. Weil die vernetzte Technik komplett ohne menschliche Überwachung funktioniert, lässt sie sich relativ einfach auf andere Länder und Anwendungsfälle übertragen. Während Robotertaxis derzeit nur mit Sicherheitsfahrern in einzelnen, genau definierten Arealen funktionieren, lässt sich das autonome Valet-Parken schnell vermarkten. Zum Beispiel an Flughäfen, die ihre besten Standorte direkt am Terminal nicht mehr mit Parkhäusern zubetonieren müssen: Das fahrerlose Parken funktioniert auch über längere Distanzen, solange keine anderen Verkehrsteilnehmer den Weg kreuzen.

Es braucht wenig Phantasie, sich vollautomatisierte Container-Terminals an Häfen oder Lkw-Betriebshöfe ohne Rangierfahrer vorzustellen. Bosch und Daimler ist eine Punktlandung gelungen, weil sie als Erste ein marktfähiges System haben, das zur Plattform für alle anderen Autohersteller werden könnte. Entstanden in einer Gründergarage, die ausnahmsweise nicht im Silicon Valley, sondern im Schwäbischen steht. Was folgt, sind weitere Gespräche mit den Zulassungsbehörden, um endlich auch das hochautomatisierte Fahren auf Autobahnen in konkrete Zulassungsvorschriften zu gießen. Dabei bleibt der Fahrer zwar als Kontrollinstanz hinter dem Steuer, doch der Komfortgewinn durch diese Autobahnpiloten könnte trotzdem hoch sein.

Der Countdown zum autonomen Fahren hat jedenfalls begonnen. Nach Millionen von Testkilometern und Milliardengeldern, die in das autonome Fahren investiert worden sind, gibt es nun eine konkretes, alltagstaugliches Geschäftsmodell. Gut möglich, dass Fahrroboter in zehn Jahren tatsächlich so massentauglich sein werden, wie viele Studien voraussagen.

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