Dacia Lodgy:Platz statt Pomp

Ein Familienauto mit bis zu sieben Sitzen und jeder Menge Platz für einen günstigen Preis: Der Lodgy will zum Alptraum für die Kompaktvan-Elite um VW Touran und Opel Zafira werden. Eine erste Ausfahrt auf der Präsentation des Wagens in Marokko.

Sascha Gorhau, Marrakesch

Alle Fensterkurbeln dieser Welt sollten Dacia ein Denkmal bauen. Denn der Autobauer sichert dieser beinahe schon ausgerotteten Gattung das Überleben. Der Kampf gegen die bequemen elektrischen Fensterheber ist zwar schon fast verloren, doch Dacia bleibt standhaft. In der Einstiegsversion des neuen Kompaktvans Lodgy darf das Fenster noch mit einer Fensterkurbel geöffnet und geschlossen werden. Das ist ein Graus für Technik- und Komfortfreunde. Doch es drückt die Herstellungs- und Entwicklungskosten und repräsentiert die gesamte Markenphilosophie: billige Autos mit wenig Charme aber viel Nutzwert und alter Renault-Technik zu bauen. Das Ergebnis ist ein Einstiegspreis von 9990 Euro für die Basisversion. Selbst mit allen erhältlichen Ausstattungsoptionen bleibt der Kompaktvan unter einem Preis von 18.000 Euro.

Dacia Lodgy

Der Dacia Lodgy ist ab dem 16. Juni in Deutschland erhältlich.

(Foto: Sascha Gorhau)

Im Gegensatz zu früheren Dacia-Modellen ist dieser Preis der Karosse nicht auf den ersten Blick anzusehen. Sie präsentiert fließende Linien im Gegensatz zu den kantigen und hart gezeichneten früheren Entwürfen der Marke. Dacia preist eine Chromleiste am oberen Rand des Kühlergrills als Indiz für ein "hochwertiges Erscheinungsbild". Das zeigt, wo der bisherige Anspruch der Marke liegt. Designglanzpunkte stehen hier nicht im Vordergrund. Der Lodgy lockt mit Platz und Pragmatismus statt mit Pomp und Prahlerei. Bis zu 2617 Liter Ladevolumen stellt der Wagen bei 4,5 Metern Länge, 1,75 Metern Höhe und 1,71 Metern Breite zur Verfügung. Schlagende Argumente für die Zielgruppe, die der Kompaktvan ansprechen will: Familien mit mittlerem Einkommen und mehr als einem Kind.

Bis zu sieben Personen finden Platz. Allerdings nicht in der Grundausstattung. Erst ab dem zweiten von insgesamt vier Ausstattungsniveaus ist die dritte Sitzreihe für 590 Euro bestellbar. Der massig vorhandene Platz indes ist serienmäßig. Die Kopffreiheit in den ersten beiden Sitzreihen ist üppig bemessen und auch auf der dritten Bank stoßen sich selbst ausgewachsene Mitteleuropäer nicht das Haupt - dank großzügiger Beinfreiheit auch nicht die Knie.

Der Umbau des Innenraums ist verbesserungswürdig

Im Bereich der Variabilität des Innenraums ist das Sparkonzept des Wagens spürbar, die zweite Sitzbank ist in der Grundausstattung nicht asymmetrisch teilbar. Elegante Lösungen wie bei der Konkurrenz fehlen, die Sitze lassen sich beispielsweise nicht im Boden verstauen. Wirklich ärgerlich allerdings ist, wie mühselig sich der Ausbau der optionalen dritten Sitzreihe gestaltet. Spitze Kanten bergen dabei zusätzlich ein Verletzungsrisiko. Die Sitzbänke selbst sind aus einfachstem Schaumstoffpolster und wer beim Justieren der Vordersitze unter selbige greift, der kann das dürre Metallgestell ertasten, auf dem es aufliegt. Für Langstreckentauglichkeit spricht das nicht.

Doch für die große Fahrt ist der Kompaktvan, der im marokkanischen Tanger gebaut wird, ohnehin nur bedingt geeignet. Das ist hauptsächlich den Motoren geschuldet. Zwei Benziner und zwei Diesel stehen zur Auswahl, nur der größere Selbstzünder mit 107 PS verfügt über einen sechsten Gang, der Drehzahl und Verbrauch senkt und damit den Geräuschpegel auf ein erträgli-ches Niveau drückt. Für den Alltagsbetrieb zwischen Kindergarten, Supermarkt und dem Haus der Großeltern allerdings reicht bereits der Basisbenziner. Allein er ist in der Einstiegsvariante für 9990 Euro erhältlich. Der Saugmotor mit Zweiventiltechnik generiert aus 1,6 Litern Hubraum 83 PS. In Kombination mit dem niedrigen Leergewicht zwischen 1165 (Fünfsitzer) und 1266 (Siebensitzer) Kilogramm ergibt sich so kein überschäumender, aber ein ausreichender Vortrieb mit einer angenehmen linearen Leistungsentfaltung.

Die ist der vielleicht größte Vorteil, den der konservative Saugmotor gegenüber den drei Moto-ren mit Turboschub hat. Denn zwischen Standgas und knapp 1500 Kurbelwellenumdrehungen befindet sich der Motor im leistungsfreien Turboloch. Das nervt den Fahrer nerven und kann die Insassen schlimmstenfalls gefährden. Denn gerade beim Beschleunigen aus dem zweiten Gang aus einer Auffahrt oder am Berg kommt der Rumäne aus Marokko nicht vom Fleck. Das wollen die Turbomotoren mit einem günstigeren Verbrauch im Gegensatz zum Basissauger wettmachen, der sich allerdings erst noch im Alltagstest wird bewähren müssen.

Wenig- und Stadtfahrer können bedenkenlos zum günstigen Basisbenziner greifen. Er ist zudem dank simpler Technologie wartungsarm und weniger anfällig als die Turboaggregate. Wer allerdings viele Kilometer fährt und dabei auch auf der Autobahn unterwegs ist, der sollte zum großen Diesel greifen. Einmal in Fahrt, bewegt er den Van deutlich souveräner und bietet dank sechs Schaltstufen ein spürbares Plus an Komfort. Ein Automatikgetriebe wird es nicht geben.

Einfache Bedienung, unkompliziertes Fahrverhalten

Gemäß dem Grundkonzept der Marke gibt die Bedienung des Lodgy keine Rätsel auf. Geschwindigkeitsanzeige und Drehzahlmesser sind analog und die Belüftung wird mit großen runden Reglern gesteuert. Und dann natürlich die Kurbel für die Fenster. Am anderen Ende der Ausstattungsoptionen bietet der Lodgy als erster Dacia in Deutschland überhaupt ein Navigati-onssystem an. Das Gerät stammt aus dem Hause LG und ist für 430 Euro Aufpreis an Bord, in der Topausstattung Prestige serienmäßig. Es bietet eine Bluetooth-Schnittstelle, einen Klinken-anschluss und einen USB-Schacht. Für den abgerufenen Preis ist das ansehnlich.

Die einfache Bedienbarkeit des Innenraums gilt auch für das Fahrverhalten des Dacia. Er fährt sich sicher und beherrschbar. Er ist der erste Dacia in Deutschland, der serienmäßig über das elektronische Stabilitätsprogramm ESP verfügt. Doch auch ohne den Anti-Schleuderassistenten ist der Wagen gut fahrbar. Die Lenkung arbeitet exakt, könnte aber etwas leichtgängiger im Stadtbetrieb sein. Die Wankneigung in Kurven ist in Anbetracht des bauartbedingt hohen Schwerpunktes relativ gering.

Das fügt sich in den harmonischen Gesamteindruck des Lodgy. Er bietet nicht Spektakuläres, aber was an Bord ist, das tut schnörkellos seinen Dienst. Auch der Geschwindigkeitbegrenzer. Dessen Nutzen allerdings bleibt das Geheimnis der Marke, denn die Funktion eines Tempomaten bietet er nicht. Stattdessen kann man auf dem Gas stehen bleiben und der Wagen überschreitet trotzdem die eingestellte Geschwindigkeit nicht. Das braucht in Deutschland niemand. Und das Turboloch allerdings hätte man mit geringem Aufwand mittels einer anderen Übersetzung besei-tigen können. Seltsam, dass Dacia das nicht geschafft hat. Denn einfache Lösungen sind eigent-lich die Spezialität der Marke. So wie die Fensterkurbel. Die ist zusammen mit dem ganzen Wagen ab dem 16. Juni im Handel.

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