Süddeutsche Zeitung

Concorde-Auktion:Spannung auf Position 568

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Am kommenden Wochenende werden in Toulouse viele Bauteile der legendären "Concorde" teuer versteigert.

Andreas Spaeth

Gut, dass Ferenc Gaspar schon vor knapp vier Jahren in London zugeschlagen hatte - seinerzeit erstand der 49 Jahre alte Ingenieur aus New York für umgerechnet 460.000 Euro eine schlanke Original-Nasenspitze der Concorde. Obendrein gab es den Applaus der anderen Bieter und einen Händedruck vom ehemaligen Concorde-Chefpilot der British Airways, Mike Bannister.

835 Einzelteile sind im Angebot

Gaspar gab sich damals von dem Bietgefecht unbeeindruckt: "Ich finde das sehr billig, weil ich mit 1,5 Millionen Euro oder mehr für die Nase gerechnet hatte"; dabei hatte der Einstiegspreis im Auktionskatalog bei 50.000 Euro gelegen. Doch Gasper wusste um die Preisentwicklung bei vorangegangenen Auktionen von Concorde-Teilen, bei denen die Schätzwerte quasi im Überschalltempo emporschossen und am Ende manchmal das Hundertfache des ursprünglich angesetzten Wertes erzielt wurde.

Insgesamt drei öffentliche Auktionen von Einzelteilen des bislang weltweit einzigen Überschall-Passagierflugzeugs hat es zugunsten karitativer Einrichtungen seit dem Ende der Concorde-Ära im Oktober 2003 gegeben, eine in Paris und zwei in London. Jeweils war eine Concorde-Nase der Höhepunkt und teuerstes Auktionsobjekt - die Zuschläge lagen bei 480.099 Euro, 460.000 und 165.000 Euro.

Am kommenden Freitag nun wird das Concorde-Fieber wieder kräftig angeheizt - dann kommen in Toulouse für vier Tage 835 Einzelteile des Flugzeugs unter den Hammer. Aber: Eine Nasenspitze wird diesmal nicht dabei sein.

Die südwestfranzösische Stadt ist jener Ort, in dem die Concorde am 2. März 1969 zum Erstflug abhob. Auch das zweistrahlige Passagierflugzeug Caravelle (Erstflug 1955) stammt aus Toulouse, später wurde die Stadt an der Garonne zur Heimat von Airbus, vom A300 (1972) bis hin zum A380 (2005) erlebten die meisten Typen des europäischen Herstellers hier ihren Jungfernflug.

Genau aus diesem Grund wird jetzt auch in Toulouse die Auktion von Concorde-Teilen abgehalten: Die Stadt will ihrer Luftfahrtgeschichte ein eigenes Museum mit dem Namen Aeroscopia widmen, die Eröffnung ist für 2010 geplant. "Es wird dort eine große Anzahl flugfähiger Flugzeuge ausgestellt, auch eine Concorde; sogar einen aktiven Concorde-Flugsimulator werden die Besucher erleben können", verspricht André Turcat, ehemals Flugtestdirektor der Concorde und Pilot des Erstflugs.

Um Geld für dieses ehrgeizige Projekt zu beschaffen, hoffen die Veranstalter jetzt auf möglichst üppige Einnahmen bei der Auktion. Die 835 Einzelteile, von denen viele an Bord des Überschalljets eingebaut waren, wurden der gemeinnützigen Organisation Aérothèque, die hinter dem Museumsprojekt steht, vom Airbus-Konzern EADS für einen symbolischen Euro verkauft; legt man bisherige Erfahrungen zugrunde, dürften damit Millionengewinne zu erzielen sein. Im Auktionshaus Christie's in Paris lagen die Aufrufpreise für 218 zu versteigernde Stücke im November 2003 bei insgesamt nur 150.000 Euro - doch am Ende hatte die Begeisterung der Bieter aus aller Welt 3,3 Millionen Euro in die Auktionskassen gespült.

Ob solche Rekorde während der am kommenden Freitag um 15 Uhr beginnenden und am darauffolgenden Montag um 18.30 Uhr endenden Auktion erneut erzielt werden, hängt vor allem vom Grad des Bieter-Fiebers ab, das das legendäre Flugzeug noch immer auszulösen vermag.

Viele Stücke, die in der Halle Aux Grains unter den Hammer kommen, wirken im Katalog weniger attraktiv, spektakuläre Posten fehlen weitgehend. Den größten Preisschub dürfte seiner Symbolkraft wegen wohl die Position 568 auslösen, die am Sonntagnachmittag aufgerufen werden soll: ein Machmeter aus dem Concorde-Cockpit. Der Aufrufpreis für das 1,3 Kilo schwere Gerät liegt bei 1500 bis 2500 Euro, doch das dürfte sich schnell vervielfachen - im Dezember 2003 erzielte ein identisches Instrument bei der Auktion in London am Ende mehr als 40.000 Euro.

Nahezu alles ist im Angebot - auch ein Toilettensitz

Der dickste Brocken in Toulouse ist ein komplettes Bugfahrwerk, allerdings ohne Räder - inklusive einer 3,80 Meter langen hölzernen Box liegt das Gewicht bei stolzen 1,2 Tonnen. Auch hier dürfte der Schätzpreis von 3000 Euro bei weitem übertroffen werden. Versteigert werden auch ein Hauptfahrwerks-Bein, Cockpitscheiben, Bord-Geschirr, Anschnallgurte und ein kompletter Toilettensitz; dazwischen finden sich viele Dutzend Metallobjekte, die selbst für den Kenner auf den ersten Blick nicht als Concorde-Teil zu identifizieren sind. Aber selbst ein unscheinbares Benzinleitungs-Zwischenstück (Position 834, Gewicht 500 Gramm, Preisschätzung 30 bis 50 Euro) dürfte zu einem weit höheren Gebot einen Abnehmer finden, schließlich gibt es für jedes einzelne der angebotenen Stücke ein Echtheits-Zertifikat.

Das Nachsehen haben angesichts der immensen Preisentwicklung von Concorde-Artefakten vor allem Mitarbeiter von Air France und British Airways. Die Franzosen hielten daher Anfang 2004 einen Verkauf von Memorabilia unter ihren Angestellten ab, deren Festpreise normalen Interessenten die Tränen in die Augen trieben: Ein Kollisions-Warnlicht gab es bereits für 60 Euro, ein identisches Teil erzielte per Auktion 2500 Euro.

Auch Jean-Louis Chatelain, ehemals Concorde-Pilot bei Air France und heute Airbus-Testpilot, hat sich die in Toulouse bereits vorab ausgestellten Stücke angesehen. "Es sind einige schöne Dinge dabei, aber es werden acht Telefonleitungen ins Ausland geschaltet, da werden die Preise ohne Zweifel wieder hochschießen", so Chatelain, "trotzdem gehe ich hin."

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