CO2-Steuer:Staatlicher Rettungsring für die Autobranche

Wirtschaftsminister Michael Glos kündigt eine schnelle Reform der Kfz-Steuer an - Experten bleiben allerdings skeptisch.

Stopp an den Fließbändern, Zwangsurlaub für Monteure, Gefahr für Zehntausende von Stellen: Die dramatischen Nachrichten aus der Autoindustrie machen auch die Bundesregierung nervös. Kanzlerin Angela Merkel hat bereits recht vage "Anreize" in Aussicht gestellt, damit Verbraucher sparsame Autos kaufen. Wirtschaftsminister Michael Glos wurde am Dienstag konkreter. Die Kfz-Steuer solle nun möglichst bald auf CO2-Werte umgestellt werden, sagte der CSU-Politiker. CDU und SPD stoßen ins gleiche Horn. Entschieden werden soll nächste Woche.

CO2-Steuer: Die Neuordnung der Kfz-Steuer aufgrund von CO2-Werten: Kommt sie? Kommt sie nicht? Die

Die Neuordnung der Kfz-Steuer aufgrund von CO2-Werten: Kommt sie? Kommt sie nicht? Die

(Foto: Foto: ddp)

Unendliche Reformgeschichte

Damit kommt die Koalition dem Verband der Automobilindustrie entgegen. Dessen Präsident Matthias Wissmann, selbst einst Verkehrsminister, wiederholt seit Tagen, wie wichtig die Umstellung der Kfz-Steuer sei, um den Verbrauchern wieder Vertrauen für den Kauf eines Neuwagen zu geben. Allerdings sind Experten skeptisch, ob die Umstellung wirklich schnell gelingen kann und ob sie als Konjunkturhilfe sinnvoll wäre.

Tatsächlich hat sich die Neuordnung der Kfz-Steuer, die mit Ermäßigungen den Kauf sparsamer und klimafreundlicher Autos belohnen und so nach und nach alte Dreckschleudern von der Straße drängen soll, zu einer unendlichen Geschichte ausgewachsen. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2005 hatten Union und SPD festgelegt, die Steuer nicht mehr nach Hubraum, sondern nach dem Ausstoß von Kohlendioxid zu bemessen. Dann geschah erstmal: wenig.

Im Klimaschutz-Jahr 2007 kam etwas Schwung in die Debatte. Doch begannen die Koalitionäre zunächst einen Grundsatzstreit. Nur Vorteile für Neuwagen? Oder auch - als Gegenfinanzierung - höhere Steuern für alte Spritfresser? Mal machte Glos einen Vorschlag, mal widersprach Finanzminister Peer Steinbrück, mal hackte Umweltminister Sigmar Gabriel auf Glos herum. Und dann ging der Streit erst richtig los.

Denn die Kfz-Steuer wird zwar vom Bund geregelt. Die Einkünfte von derzeit rund 8,9 Milliarden Euro im Jahr stehen aber vollständig den Ländern zu, die folglich im Bundesrat zustimmen müssen. Im Frühjahr schließlich, nachdem die Reform bereits vollmundig als Maßnahme im Klimaschutzpaket der Bundesregierung verbucht war, musste die Koalition ihr Scheitern einräumen.

Der Kompromiss: Der Bund soll 2010 die Kfz-Steuer von den Ländern übernehmen und diesen für die entgangenen Einnahmen einen Ausgleich gewähren. Dann könnte der Bund selbst regeln, wem er Steuervorteile einräumt und wie er dies gegenfinanzieren will.

Staatlicher Rettungsring für die Autobranche

Wegen des langwierigen Hin und Her scharrte VDA-Chef Wissmann schon seit geraumer Zeit mit den Hufen. Denn die Unsicherheit, wie sehr sich der Kauf eines modernen Autos lohnt, verleitete ganz unabhängig von der Finanzkrise viele Verbraucher zum Abwarten. Hinzu kam der langwierige Streit auf EU-Ebene, wie und wann schärfere Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid festgelegt werden. Beides dämpfte die Auto-Nachfrage, wie EU-Industriekommissar Günter Verheugen einräumt: "Beim Kauf eines Autos weiß heute niemand, mit welchen Steuern und Grenzwerten er rechnen muss."

Allerdings ist damit die Krise der deutschen Autoindustrie noch nicht voll erklärt, wie Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sagt. Der schwache Dollar, die hohen Stahlpreise, die monatelang drastisch gestiegenen Benzinpreise und nicht zuletzt "Managementfehler" bei der Entwicklung sparsamer Autos - all dies habe die Autokonjunktur auch unabhängig von der Finanzkrise und der Umweltdebatte gedämpft, sagt der Konjunkturexperte im AP-Gespräch.

"Ob die Politik das auffangen sollte, würden wir eher skeptisch beurteilen", sagt Dreger. Die Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Werte sei schon sinnvoll, aber vor allem unter Klimaschutzgesichtspunkten. Als Konjunkturstütze sei sie aber zweifelhaft. Ähnlich zurückhaltend sieht er Vorstöße, etwa über die staatliche Förderbank Kfw Zuschüsse oder verbilligte Kredite zum Autokauf zu gewähren.

Bei jeder Art von Konjunkturprogramm gebe es Mitnahmeeffekte und eine "Gewöhnung", gibt Dreger zu bedenken. Die Industrie müsse sich dann nicht mehr mit Innovation selbst helfen, sondern vertraue auf den Staat. Schnell würden auch andere Industriezweige staatliche Stütze verlangen, meint der Wirtschaftswissenschaftler.

Einen Lichtblick sieht er für die Autoindustrie und die Konjunktur insgesamt aber auch ohne staatliches Handeln: den sinkenden Ölpreis. Bliebe es bei dem jüngsten Rückgang, würde Deutschland gerechnet auf ein Jahr 20 Milliarden Euro bei den Energieimporten sparen - was auch die Bürger erheblich entlaste. "Es hängt nun sehr davon ab, wie die Verbraucher reagieren", sagt Dreger. "Aber das ist bei jedem Vorschlag der Fall."

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