CO₂-Bilanz - Teil 1:Absturz mit Ansage

BMW i3

Das Elektroauto i3 soll BMW dabei helfen, den CO2-Ausstoß seiner Flotte zu reduzieren.

(Foto: BMW)

Von 2015 an müssen die Autohersteller ihre Flottenemissionen schneller als je zuvor senken. Wer schafft die Abwärtsspirale - und mit welchen Technologien? Eine Bestandsaufnahme bei Audi und BMW.

Von Joachim Becker

Die gute Nachricht zuerst: In Europa sinken die CO₂-Emissionen schneller als geplant. Im vergangenen Jahr haben alle Automarken zusammen einen Schnitt von 127 g/km erreicht. Dabei schreibt die EU den Normwert von 130 g/km erst für 2015 vor. Im Vergleich zu 1995 sind Neuwagen ein Drittel sparsamer geworden - damals lag der Flottendurchschnitt bei 186 g/km. "Europas Autos sind die saubersten in der Welt", jubelt Erik Jonnaert, Generalsekretär der Herstellervereinigung ACEA. Merkwürdig nur, dass die Autobosse in Hinblick auf die Klimaziele alles andere als entspannt sind.

"Jedes weitere Gramm CO₂, das wir in Europa in der Flotte einsparen, kostet unseren Konzern fast 100 Millionen Euro", gab VW-Chef Martin Winterkorn jüngst auf dem Pariser Autosalon zum Besten: "Die letzten Gramm auf diesem Weg werden die teuersten." In den nächsten fünf Jahren müssen die Hersteller den Kraftstoffverbrauch um ein Viertel senken. Das CO₂-Ziel von 95 g/km entspricht einem Normverbrauch von 4,1 Liter Benzin beziehungsweise 3,6 Liter Diesel pro 100 km. Konventionelle Spritspartechnologien sind dabei weitgehend ausgereizt: Im ersten Halbjahr 2014 gelang nur noch eine CO₂-Minderung um 2,3 Prozent - deutlich weniger als in denselben Vorjahreszeiträumen.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Während bei den Herstellern in Europa die Alarmglocken klingeln, fahren andere Kontinente in Bezug auf die Emissionsziele hinterher: In den USA müssen die Flotten 2020 lediglich 132 g/km schaffen, in China und in Japan liegen die Limits bei 117 g/km und 114 g/km. Sind die CO₂-Vorgaben in Europa angesichts eines wachsenden Anteils von schweren SUV- und Crossovermodellen überhaupt zu schaffen - und wenn ja, zu welchem Preis?

Wie weit Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen, zeigt die Zulassungsstatistik: 2013 waren in Europa lediglich 24 000 Elektrofahrzeuge und rund 31 000 Plug-in-Hybride unterwegs - verschwindend wenig angesichts von 11,8 Millionen neu zugelassenen Pkw. Deutsche Kunden fordern in Umfragen immer wieder umweltfreundliche Personenwagen. Tatsächlich ordern sie aber immer größere (Firmen-)Wagen mit mehr Leistung (138 PS im Durchschnitt).

Plug-in-Hybridantriebe als Heilmittel?

Um aus dem Dilemma herauszukommen, setzen die Hersteller große Hoffnungen auf Doppelantriebe mit einer leistungsstarken Batterie für rein elektrisches Fahren. Solche Plug-in-Hybride können sowohl an der Zapfsäule als auch der Steckdose Energie tanken. Da sie mit voll geladener Batterie zum ECE-Fahrzyklus antreten, können sie einen Großteil des Tests rein elektrisch fahren - daher strahlt ihre Ökobilanz besonders rosig.

Die gesamte Autoindustrie befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Während der US-Newcomer Tesla konsequent auf Batteriefahrzeuge setzt, müssen die Traditionsmarken ihre Fahrzeug- und Antriebsarchitekturen aufwendig umbauen. Eine zweiteilige SZ-Serie dokumentiert die Strategien auf diesem Weg ins (elektro-)technische Neuland.

Audi

Vorsprung durch Technik? Audi hat sich bei der Elektromobilität bisher nicht als Vorreiter profiliert. Das Prestigeprojekt R8 e-tron wurde Anfang 2013 zunächst gestoppt. Von 2016 an soll der Elektrosportler in kleinen Stückzahlen auf den Markt kommen, bevor 2017 ein Elektroauto im Crossover-Look startet.

Momentan kann bei Audi ausschließlich der A3 e-tron rein elektrisch fahren. Für den Spaß, knapp 50 Kilometer zu stromern, bevor der 1.4 TSI Benziner anspringt, sind mindestens 37 900 Euro fällig. Das kompakte Plug-in-Hybridmodell schleppt knapp 200 Kilogramm Zusatzgewicht mit sich herum, da es auf eine spezielle Leichtbaukarosserie verzichten muss. Auch den kommenden A4 (2015) und A6 (2017) wollen die Ingolstädter als Plug-in anbieten - zunächst wie beim A3 auf Basis des Modularen Querbaukastens, der vom Mutterkonzern Volkswagen entwickelt wird.

Hausgemacht wird der wesentlich stärkere Audi Plug-in-Hybrid für den Längsbaukasten. Im nächsten A8 (2016) wird der V6-Diesel mit Elektrounterstützung auf eine Systemleistung von 275 kW (374 PS) kommen. 700 Nm Drehmoment soll dann ein Normverbrauch von weniger als drei Liter gegenüberstehen.

Audi setzt auf den elektrisch angetriebenen Verdichter

Eine solche Hightech-Lösung bleibt aber die Ausnahme: "Der Verbrennungsmotor wird künftig teilelektrisiert und hat sicher noch eine lange Zukunft", ist sich Hackenberg sicher. "Unsere Flotte, die heute rund 130 g/km CO₂ ausstößt, muss bis zur 95-Gramm-Grenze mindestens 35 Gramm besser werden. Von diesen 35 Gramm werden wir 40 Prozent über den Motor erreichen, 30 Prozent über die Fahrwiderstände und 30 Prozent über alternative Antriebe. Daher entwickeln wir den Verbrennungsmotor natürlich weiter", so der Entwicklungsvorstand im Interview mit auto motor und sport, "Zylinderabschaltung, Einspritzsysteme und Ventilregelung sind beispielhafte Technologien, an denen wir arbeiten. Dazu kommen neue Getriebe."

Einer der schärfsten Pfeile im Köcher ist der elektrisch angetriebene Verdichter, den Audi im RS 5 TDI concept vorgestellt hat. Eine zweite Spannungslage im Bordnetz mit 48 Volt sowie eine kompakte Lithium-Ionen-Batterie setzen den V6-Diesel unter Strom. Eigentlicher Clou des elektrischen Biturbos: Er funktioniert nicht nur bei Supersportlern mit rund 380 PS, sondern auch in Verbindung mit Dreizylinder-Diesel- oder Benzinermodellen. Der E-Lader befreit kleine Motoren vom lästigen Turboloch. Dank des hohen Anfahrdrehmoments können sie auch in SUV wie den Q3 eingebaut werden. Von Vorteil ist dabei, dass die Elektro-Technik nicht unbedingt ein separates 48-Volt-Stromnetz benötigt, sondern auch mit einem verstärkten 12-Volt-Bordnetz auskommt.

BMW

Kein europäischer Hersteller hat mehr Geld in die Elektromobilität gesteckt als BMW: Nicht nur die sportlichen alternativen Antriebe, sondern auch die Fahrzeugarchitekturen aus hochfestem und leichtem Karbon sind neu in der Großserie. Grund für die Milliarden-Investitionen: Mit der vergleichsweise leistungsstarken BMW-Flotte ist es schwierig, künftige CO₂-Limits zu erreichen. "Um bis 2021 auf die für BMW vorgeschriebenen 101 Gramm in der EU zu kommen, brauchen wir eine fünfstellige Zahl von Elektroautos pro Jahr. Andernfalls könnten wir in Europa nur noch kleine Autos verkaufen", erklärt BMW-Chef Norbert Reithofer. Bereits vor Jahren war absehbar, dass die CO₂-Ziele der EU allein mit konventionellen Verbrennungsmotoren nicht erreichbar sind: "Bei 120 Gramm pro Kilometer ist Schluss, dann ist technisch alles ausgereizt", so Norbert Reithofer.

Bis 2020 will BMW rund 90 Prozent aller möglichen Einsparungspotenziale bei konventionellen Antrieben umgesetzt haben - allen voran das Downsizing. Der Achtzylinder-Diesel ist bereits Geschichte und wird von einem dreifach aufgeladenen Sechszylinder ersetzt. Selbst die hoch gelobten Reihensechszylinder-Benziner werden in Europa größtenteils von Turbo-Vierzylindern abgelöst.

"Dreizylinder passen zu BMW"

Als erster Premiumhersteller setzt BMW auch konsequent auf Dreizylinder: Im BMW i8 kommt der Ottomotor mit 1,5 Liter Hubraum auf 170 kW (231 PS). "Wir wollen mit sehr kleinen Motoren sehr emotionale Antriebe schaffen. Der neue Dreizylinder passt besser zur Marke als viele Vierzylinder - auch vom Klang her", sagt Entwicklungsvorstand Herbert Diess.

Weitere Effizienzfortschritte sind darüber hinaus nur per Elektrifizierung machbar. "Wir haben für den BMW i3 und den i8 nicht nur die Fahrzeugarchitekturen, sondern auch die Elektroantriebe und Batterien komplett neu entwickelt. Sie können sicher sein, dass wir diese umfangreiche und ausgefeilte E-Klaviatur auch bei der Kernmarke BMW über alle Modellreihen spielen werden", sagt Markus Duesmann, Leiter der BMW Antriebsentwicklung.

Das erste Volumenmodell bei den Plug-in-Hybriden wird 2015 der BMW X5 eDrive sein. Die Kombination eines 180 kW/245 PS starken 2,0-Liter-Vierzylinder-Ottomotor mit einer 70 kW/95 PS E-Maschine soll den Verbrauch auf 3,8 Liter senken - wenn der große SUV regelmäßig an die Ladeleine genommen wird. Auch der nächste BMW Siebener wird ab 2017 als Plug-in-Hybrid mit Hochvoltsystem zu haben sein - alternativ mit der zweiten Spannungsebene von 48 Volt.

In der zweiten Folge lesen Sie mehr über die Spritspar-Rallye - und warum es dabei nicht nur Gewinner geben wird.

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