CNG-Antrieb:Erdgas ist eine sinnvolle Alternative zum Diesel

Audi A4 Avant

Der Audi A4 Avant g-tron kommt mit jeweils 19 Kilogramm CNG in vier Gasflaschen bis zu 500 Kilometer weit.

(Foto: Audi AG)
  • Seitdem der Dieselantrieb in Verruf geraten ist, rücken alternative Antriebe in den Fokus.
  • Dabei wird Erdgas als Kraftstoff oft übersehen. Das verwundert, schließlich sind Erdgasautos zu einer besseren Ökobilanz fähig als Elektro-Fahrzeuge.
  • Ausgerechnet die Dieselsünder VW und Audi versuchen den Kraftstoff nun wieder nach vorne zu bringen.

Von Joachim Becker

Reisezeit, Autozeit: Den motorisierten Urlauber muss man sich als glücklichen Menschen vorstellen. Sprit ist billig und mit dem Ersparten lässt sich trefflich feiern. Auf die Partystimmung an den Tankstellen folgt allerdings der kollektive Kater: Dauerhaft niedrige Kraftstoffpreise sind Gift für die teuren alternativen Antriebe. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres lediglich 848 Erdgasautos neu zugelassen - 42,2 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Das Steuerprivileg für CNG (Compressed Natural Gas) wurde zwar bis Ende 2026 verlängert. Doch ab 2024 läuft die Begünstigung sukzessive aus. Ist das der Anfang vom Ende des Erdgasantriebs?

Der Verkehr ist in Deutschland weiterhin zu über 90 Prozent von der Droge Erdöl abhängig. Allein im Jahr 2014 hat das schwarze Gold rund 50 Milliarden Euro gekostet. Das mag verkraftbar sein, doch in Hinblick auf den Klimaschutz ist die Öl-Sucht fatal: Die Treibhausgas-Emissionen (THG) des Verkehrs lagen 2015 auf demselben Niveau wie im Jahr 1990. Dabei sollen sie im Automobilsektor bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 sinken. Das haben die EU-Staats- und Regierungschef 2014 beschlossen.

Fortschritte sind nicht in Sicht - im Gegenteil. Durch die Dieselkrise steigen tendenziell der Spritdurst und die CO₂-Flottenwerte. "Aus unserer Sicht werden die deutschen Hersteller die CO₂-Grenzwerte mit hoher Sicherheit verfehlen, wenn der Dieselanteil an den Neuzulassungen dauerhaft unter die 40-Prozent-Marke sinkt", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Wie viele andere Experten fordert er eine Technologie-offene Politik. Sobald strenge Grenzwerte für Luftschadstoffe und Klimagase der Maßstab sind, haben gasförmige Kraftstoffe klare Vorteile: Im Vergleich zu Benzin entstehen bei der Verbrennung von Erdgas 25 Prozent weniger CO₂. Im Gegensatz zum Benzindirekteinspritzer hat der CNG-Motor auch kein Partikelproblem. Gar nicht zu reden von den Stickoxidemissionen, die im Vergleich zum Diesel kaum messbar sind.

Elektroautos haben keine besonders gute CO₂-Bilanz

Ganzheitlich betrachtet sind auch Elektroautos keine reinen Umweltengel. Die lokal emissionsfreien Stromer punkten zwar gegen die dicke Luft in den Städten. Doch der Ausstieg aus der Kernenergie hat zunächst einmal die Kohleverstromung befeuert. Selbst im Energiemix 2030 trügen Elektromobile mit 91 Gramm CO₂/km nur wenig zur Erreichung des Klimaziels bei, warnt eine neue Studie von Arthur D. Little.

Die Berater haben nicht nur die Stromerzeugung in Deutschland berücksichtigt, sondern den gesamten ökologischen Fußabdruck. Beim Elektroauto wird viel Energie zur Gewinnung von Lithium als Rohstoff und noch mehr für die Akkufertigung benötigt. Auch bei der Zweitverwertung von Hochvolt-Autobatterien gibt es mehr Fragen als Antworten.

Mercedes hat den CNG-Antrieb beerdigt

Trotzdem überschlagen sich die Hersteller mit Ankündigungen zu neuen Elektrofahrzeugen. Während Daimler Milliarden in die Stromer investiert, haben die Stuttgarter den CNG-Antrieb still und leise beerdigt. "Die Nachfrage nach Erdgasantrieben im Pkw-Segment ist deutlich zurückgegangen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, diese Antriebsvariante zunächst nicht mehr anzubieten", sagt ein Sprecher.

Die Mercedes E-Klasse 200 NGD ist mit dem Modellwechsel 2015 ausgelaufen, auch bei der B-Klasse wird es 2018 keinen Nachfolger mit Drucktanks mehr geben. Bei Opel verkaufen sich der Zafira Tourer, der Astra und der Combo als Erdgasmodelle immer schlechter. Seit 2001 haben die Rüsselsheimer knapp 100 000 CNG-Fahrzeuge verkauft, 2016 waren es aber nur noch 1200. Vor dem Hintergrund der Übernahme durch PSA stehen die Nachfolger auf dem Prüfstand: Was sich nicht rechnet, hat im neuen Konzern keine Zukunft.

VW will den Bestand an Erdgasautos verzehnfachen

Lediglich die Marken des Volkswagen-Konzerns trommeln mehr denn je für CNG: "Die kurzfristige Verfügbarkeit macht Erdgas zu einem wichtigen Baustein unserer Gesamtstrategie zur umweltfreundlichen Mobilität der Zukunft", betont Ulrich Eichhorn, Leiter Forschung und Entwicklung auf Konzernebene: "Durch Beimischung von Methan aus erneuerbaren Quellen kann der Kraftstoff sukzessive noch grüner werden. Das macht ihn auch langfristig zu einem wichtigen Bestandteil der Energiewende im Verkehrssektor." Bis zum Jahr 2025 will VW den aktuellen Bestand von knapp 100 000 Erdgasautos in Deutschland auf eine Million erhöhen. Parallel dazu sollen die rund 900 CNG-Tankstellen hierzulande auf 2000 Standorte ausgebaut werden. Dazu hat sich eine Initiative verpflichtet, der auch Unternehmen aus der Gas- und Mineralölwirtschaft angehören.

Also alles bestens für Erdgas 2.0? Wird der alternative Antrieb sogar zum Krisengewinner des Dieselabgas-Skandals? Wie schwierig Änderungen im Energie-Mix sind, zeigt das Beispiel Rosenheim. Die Stadtwerke wollen den Betrieb der dortigen Erdgastankstelle nur noch für zwei Jahre garantieren, "sofern es die Wirtschaftlichkeit erlaubt". Da die nächste CNG-Zapfsäule fast 25 Kilometer entfernt ist, sorgte die Nachricht für einigen Wirbel.

CNG-Antrieb: SZ-Grafik; Quelle: Zukunft ERDGAS

SZ-Grafik; Quelle: Zukunft ERDGAS

"Niemand hatte Interesse an dem Thema"

Zumal sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden könnte: Wer kauft schon ein neues Auto mit diesem Antrieb, wenn der Gashahn demnächst abgedreht wird? "Wir betreiben die Erdgastankstelle seit mehr als zehn Jahren. Unterm Strich kam eine schwarze Null dabei heraus - aber nur, weil der Busverkehr mit seinen Erdgasbussen der wichtigste Abnehmer war. Jetzt werden im öffentlichen Personennahverkehr keine Erdgasbusse mehr eingesetzt", erklärt Götz Brühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Rosenheim, außerdem stehe die Tankstelle auf dem Gelände des Busbetreibers, was perspektivisch auch keine Lösung sei.

Für gut 100 Erdgas-Pkw rechne sich keine neue Erdgas-Tankstelle, weil sie knapp eine halbe Million Euro kosten würde. "Wir haben mit Tankstellenbetreibern gesprochen, aber wegen des absehbar geringen Umsatzes hatte niemand Interesse an dem Thema", so Brühl: "Verschärft wird die Situation durch die Elektromobilität, die seit einiger Zeit viel Aufmerksamkeit erhält."

Graben Elektro- den Erdgasautos das Wasser ab?

Noch ist völlig unklar, was eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur für E-Autos kosten wird. Doch schon jetzt gräbt sie den anderen alternativen Antrieben das Wasser ab. Wer investiert schon in eine Erdgas-Tankstelle, wenn sich Elektroautos absehbar als Alternative durchsetzen werden? Dabei wäre Deutschland prädestiniert für eine schnelle Energiewende in Richtung Methan: Das bundesweite Gasnetz ist mit mehr als 500 000 Kilometer Länge nicht nur eine weit verzweigte Versorgungsader, sondern auch der größte Energiespeicher der Republik.

Audi will damit sogar eine nahezu klimaneutrale Mobilität ermöglichen: Kunden eines A3 Sportback g-tron können an jeder beliebigen CNG-Tankstelle tanken und bezahlen dafür den regulären Preis. Audi speist dann die entsprechende Menge synthetisches Gas in das Netz ein. Das sogenannte E-Gas, das Audi im norddeutschen Werlte aus Windstrom und CO₂ herstellt, verspricht eine CO₂-Reduktion um 80 Prozent. Im größeren Maßstab können sich die Ingolstädter solche Subventionen allerdings nicht leisten. Experten gehen davon aus, dass künstliches Methan mindestens 40 Mal so viel kostet wie Erdgas. Ganz einfach, weil es in Deutschland keine Anlage auf großindustriellem Niveau gibt.

Die Fortschritte beim Erdgasantrieb sind spürbar

Obwohl Audi seit 2014 lediglich 10 000 A3 Sportback g-tron verkauft hat, wird das Angebot weiter ausgebaut: Der neue A4 Avant g-tron und der A5 Sportback g-tron kommen mit jeweils 19 Kilogramm CNG in vier Gasflaschen bis zu 500 Kilometer weit. Zusammen mit einem 25-Liter-Benzintank soll die Reichweite auf 950 Kilometer steigen. In einer ersten Testfahrt glänzt der 125 kW (170 PS) starke A5 g-tron mit typischen TFSI-Tugenden: Der 2,0-Liter-Motor ist dank des neuen Miller-Zyklus sparsam und säuselt kaum hörbar: "Diese Art des Ladungswechsels passt besonders gut mit dem Kraftstoff Gas zusammen. Dadurch haben wir einen deutlichen Effizienz- und damit Reichweitensprung", sagt Reinhard Otten, verantwortlich für nachhaltige Produktentwicklung bei Audi: "Bisher war der Passat Ecofuel der Maßstab mit einem Verbrauch von 4,4 kg auf 100 km. Beim Audi A5 g-tron kommen wir im Normzyklus auf 3,8 kg. Gleichzeitig ist die Leistung von 150 auf 170 PS gestiegen."

Die Fortschritte beim Erdgasantrieb sind spürbar. Experten gehen davon aus, dass der Verbrenner mit der Direkteinblasung einen weiteren Sprung machen könnte. Der Zulieferer Mahle hat gerade ein derartiges System vorgestellt, das auf monovalenten Antrieb mit CNG optimiert ist. Weil Gas eine höhere Oktanzahl hat, bringt allein der Verzicht auf Benzin als zweiten Kraftstoff einen Effizienzsprung um sieben Prozent.

Der Gasantrieb hat also noch Potenzial - wenn weitere Entwicklungsgelder fließen. Sicher ist das nicht. Gut möglich, dass sich die Bilder eines explodierenden VW Touran in den Köpfen vieler Kunden festgebrannt haben: Verrostete Gasflaschen hatten im vergangenen September zu dem Unfall geführt, der Fahrer musste ins Krankenhaus. Dass er den Rückruf von VW ignoriert hatte, wissen die wenigsten.

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