Claude Dornier zum 125. Geburtstag:Ein Mann verleiht Flügel

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Der Konstrukteur Claude Dornier, dessen Geburtstag sich zum 125. Mal jährt, revolutionierte den Flugzeugbau.

Peter Pletschacher

Als Claude Dornier im Jahre 1910 seinem Chef beim Eisenwerk Kaiserslautern die Kündigung auf den Tisch legte, um zur Luftschiffbau Zeppelin GmbH zu wechseln, gab es Ärger. "Da können Sie ja auch gleich zum Zirkus gehen", raunzte der Unternehmer den damals 26-jährigen Dornier an - und ließ ihn ziehen. Was der Herr Direktor nicht ahnte: Mit diesem Abschied begann für den jungen Ingenieur eine stürmische Karriere, die den Flugzeugbau revolutionieren sollte.

Eine "Do X" über dem Wasser (undatiertes Archivbild): Sie war das berühmteste von den Dornier-Werken erbaute Flugboot der Vorkriegszeit. Vor 80 Jahren, am 12. Juli 1929, hob das riesige Flugschiff am Bodensee zu seinem Erstflug ab. Es war mit 12 Motoren ausgerüstet, erreichte eine Gipfelhöhe von 1250 Metern und eine Geschwindigkeit von ca. 195 km/h. Die Überquerung des Atlantiks 1931 war der Anfang des heute selbstverständlichen Flugverkehrs über Ozeane und Kontinente. (Foto: Foto: dpa)

Am 14. Mai 1884, vor 125 Jahren also, wurde Claude Honoré Desiré Dornier in Kempten geboren; sein Vater, gebürtiger Franzose, betrieb im Allgäu eine Weinhandlung. Schon zur Schulzeit galt die Begeisterung des jungen Dornier der Technik; seine Eltern erkannten das Talent des Sohnes und ließen ihn im fernen München an der Technischen Hochschule Maschinenbau studieren. Mitte des Jahres 1907 machte der damals 23-jährige Dornier sein Ingenieurs-Diplom - "eine schöne Zeit", erinnerte er sich später an sein Studium. Nebenher ging er nicht weniger leidenschaftlich in die Berge oder unterhielt seine Kommilitonen mit passablem Zitherspiel.

Nach ersten Jobs in Karlsruhe, Illingen und Kaiserslautern war schließlich der 2. November 1910 der Stichtag für den rasanten Aufstieg: Claude Dornier nahm in der Versuchsabteilung der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen seine Arbeit auf. Schon zwei Jahre später gewann Zeppelin einen Wettbewerb des preußischen Kriegsministeriums für eine drehbare Luftschiffhalle mit einer Konstruktion von Dornier. Das unerhörte Preisgeld: 80.000 Goldmark.

Als sich Graf Zeppelin entschloss, neben dem Bau von Luftschiffen auch die Konstruktion von Flugzeugen zu wagen, übertrug er 1914 diese Aufgabe an Claude Dornier. Der zog mit seiner Abteilung "Do" um nach Seemoos - das damalige Konstruktionsbüro am Ufer des Bodensees wird heute nahezu unverändert vom Württembergischen Yachtclub als "Jugendheim Claude Dornier" genutzt.

Claude Dornier
:Ein Mann verleiht Flügel

Der Konstrukteur Claude Dornier, dessen Geburtstag sich zum 125. Mal jährt, revolutionierte den Flugzeugbau.

Als Erstes entstand hier das Riesen-Seeflugzeug RS I mit damals gigantischen Dimensionen: 43,5 Meter Spannweite, 29 Meter Länge. Die tragende Struktur des Flugzeugs bestand aus Stahl und Aluminium - zu einer Zeit, in der Flugzeuge überwiegend noch aus Holz und Leinwand gebaut wurden, war das eine Revolution. Aber noch bevor die RS I zum ersten Flug abheben konnte, wurde sie Ende 1915 durch einen Sturm zerstört. Die Enttäuschung war groß. Doch Dornier ließ sich nicht entmutigen, hochseefähige Flugboote wurden seine Spezialität.

Nach dem Ersten Weltkrieg der Flugzeugbau in Deutschland verboten war, wich Dornier nach Italien aus und baute in Marina di Pisa denWal- ein Flugzeug, das Luftfahrtgeschichte schreiben sollte. (Foto: Foto: www.schule.bw.de)

Als nach dem Ersten Weltkrieg der Flugzeugbau in Deutschland verboten war, wich Dornier nach Italien aus und baute in Marina di Pisa den Wal. Ein Flugzeug, das Luftfahrtgeschichte schreiben sollte. "Der Wal hat Dornier gemacht", sagte Claude Dornier später. Und das robuste Flugboot bewährte sich auf allen Weltmeeren. 1925 wurden damit 22 Weltrekorde geflogen, die Pionierflüge sind kaum zu zählen: Der Wal beförderte Roald Amundsen 1925 auf seiner Arktisexpedition, der Spanier Ramón Franco erreichte 1926 damit Rio de Janeiro und Wolfgang von Gronau flog mit dem Wal 1930 nach New York, zwei Jahre später sogar rund um die Welt. Auch im Passagierverkehr flog der Wal im Dienst vieler Fluggesellschaften, der Lufthansa allen voran.

Dorniers Passion für Flugboote bekam weiteren Auftrieb, als ihm Admiral Lahs 1925 ein Angebot machte: "Was würden Sie sagen, wenn Ihnen ein Unbekannter einen Haufen Geld geben würde, um etwas ganz Großes zu bauen. Etwas, das überhaupt noch nicht da war?" Im Hintergrund stand die damalige Reichsmarine, die wegen der Restriktionen des Versailler Vertrags nicht in Erscheinung treten durfte.

Gut drei Jahre später verblüffte Dornier die Welt mit der zwölfmotorigen Do-X, mit 48 Meter Spannweite und 40 Meter Länge das damals größte Flugzeug der Welt. Viele Zweifler mochten nicht glauben, dass dieser Gigant überhaupt fliegen könnte. Doch am 12. Juli 1929 war es so weit: Die Do-X hob vom Bodensee ab, für den eigentlich stillen und zurückhaltenden Claude Dornier "einer der größten Momente meines Lebens". Aber allein ihrer schieren Größe wegen passte die Do-X nicht in die Zeit, ging nie in den Verkehrseinsatz und landete schließlich in der großen Berliner Luftfahrtsammlung, wo sie Ende des Krieges durch Bomben zerstört wurde.

Mit den kleineren Flugbooten hatte Dornier mehr kommerziellen Erfolg. Die Do-18 und Do-26 standen im Übersee-Postdienst der Lufthansa, die besonders hochseefähigen Maschinen vom Typ Do-24 retteten während des Krieges mehr als 11.000 Menschen aus Seenot. Doch die massive Aufrüstung der Nazis brauchte andere Flugzeuge. Dazu gehörte die Do 17, die wegen ihrer extrem schlanken Form "Fliegender Bleistift" genannt wurde. Den Höhepunkt der Propeller-Ära setzte Dornier 1943 mit der rund 750 km/h schnellen Do 335.

Nach Ende des Krieges 1945 lag auch der Flugzeugbau in Deutschland am Boden. Um wenigstens eine Stammbelegschaft halten zu können, verlegte sich Dornier auf den Bau von Textilmaschinen und wagte erst 1955 den Neuanfang mit der Do-27, einem kleinen Flugzeug mit hervorragenden Kurzstarteigenschaften. Die Do-27 und das Folgemodell Do-28 verkauften sich glänzend und Dornier, im besten Sinne Patriarch, konnte als erster deutscher Flugzeugbauer seine Leute wieder beschäftigen. In den sechziger Jahren machte der geniale, aber immer bescheiden auftretende Konstrukteur noch einmal Furore: Dornier baute den Senkrechter Do-31E.

Claude Dornier starb am 5. Dezember 1969 mit 85 Jahren; sein Tod läutete auch das Ende des Unternehmens ein. Dornier wurde in die Daimler Aerospace (Dasa) integriert, aber die Dasa-Chefs schafften es nicht, den Flugzeugbau mit dem Regionalflugzeug Do-328 am Leben zu halten. Der Flugzeugbau wurde 1996 an Fairchild verkauft; dort verhob man sich am Projekt Do-728, ein 70-sitziger Regionaljet. 2002 dann kam das Aus für eine Flugzeugbautradition, die fast das ganze 20. Jahrhundert umspannte.

Ganze Generationen arbeiteten "beim Dornier", respektierten den Chef, schätzten seine menschliche Zuverlässigkeit. Ein Konstrukteur, der abends an den Zeichenbrettern seinen Ingenieuren gerne kleine Zettelchen mit Hinweisen und Gedanken hinterließ oder im für ihn so typischen Allgäuer Dialekt Lösungen diskutierte. Und für seine Nachfahren ist er noch heute, fast 40 Jahre nach seinem Tod, "die Seele der Familie". Vor allem deshalb arbeitet derzeit Sohn Silvius am Aufbau des Dornier-Museums in Friedrichshafen, das im Sommer eröffnet werden und an das Lebenswerk von Claude erinnern soll. Und Enkel Iren, der sich schon als Zwölfjähriger in den Kopf gesetzt hatte, die Do-24 vom Opa - "sein Meisterwerk" - selbst in die Luft zu bringen, umrundete mit dem letzten erhaltenen Exemplar von April 2004 bis Juli 2006 die Welt.

© SZ vom 18.5.2009/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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