City-Maut:Vorbild London

Singapur, London, Stockholm: Die Zahl der Metropolen mit City-Maut wächst. Als nächstes müssen wohl die New Yorker zahlen, wenn sie mit dem Auto nach Manhattan wollen. Auch Hamburg prüft Mautpläne.

Christian Wölbert

Das New Yorker Verkehrschaos ist legendär. Autofahrer sollen bald 8 Dollar für eine Fahrt in den südlichen Teil Manhattans bezahlen. So sollen Pendler zum Umstieg in den öffentlichen Nahverkehr bewegt werden. Die Bus- und Bahnverbindungen werden mit Hilfe der Mauteinnahmen ausgebaut.

Die City-Maut hat sich vor allem ein New Yorker zu eigen gemacht: Bürgermeister Michael Bloomberg, mit einem geschätzten Privatvermögen von 5,5 Milliarden Dollar einer der reichsten Amerikaner. Er überredete die Regierung in Washington bereits dazu, 354 Millionen Dollar für die Installation des Mautsystems zu spendieren. Zuerst muss Bloomberg allerdings seinen Stadtrat und das Parlament des Staates New York überzeugen. Erst dann fließen die Millionen.

Eine Kommission prüft derzeit Bloombergs Plan und soll bis Anfang 2008 entweder die Maut empfehlen oder eine Alternative vorschlagen, die das Verkehrsaufkommen gleich stark mindert. Zehn der 17 Kommissionsmitglieder gelten als Maut-Befürworter.

Schon weiter als Bloomberg ist Ken Livingstone, Londons Bürgermeister. Der "rote Ken", wie er aufgrund seiner linken Politik, seiner markigen Anti-Bush-Sprüche und seiner Freundschaft mit Venezuelas Präsident Hugo Chavez genannt wird, hat ein Mautsystem eingeführt, das weltweit noch vielen Städten als Vorbild dienen dürfte.

230 fest installierte Kameras filmen die Autokennzeichen auf den Straßen der Londoner Innenstadt, hinzu kommen mobile Überwachungswagen. Der Anteil der erfassten Fahrzeuge am Gesamtverkehr soll bei 98 Prozent liegen.

"Politiker des Jahres" dank Maut

Eine Fahrt ins Zentrum kostet umgerechnet 11,80 Euro. Fahrer können die Gebühr per SMS, Telefon oder in Geschäften mit einem "PayPoint" entrichten. Wer nicht zahlt und gefilmt wird, bekommt nach zwei Wochen eine Rechnung über 50 Pfund (74 Euro) zugeschickt, nach vier Wochen steigt die Strafzahlung auf 150 Pfund (220 Euro).

Die Engländer wählten Livingstone sogar zum "Politiker des Jahres" - weil er die City-Maut gegen den Widerstand der Ladenbesitzer durchsetzte. Datenschützer beklagen allerdings, dass die Mautkameras den Überwachungsstaat Großbritannien weiter perfektionieren. Livingstone bestätigte, dass die Polizei auf die Videoaufnahmen zugreifen kann und die Kameras fernsteuerbar sind.

Vorbild London

In Deutschland gibt es noch keine City-Maut. "Umweltzonen" in den Innenstädten, die Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter sowie Uralt-Benziner aussperren, sind für 2008 in Berlin und Stuttgart geplant.

In München kämpft die Stadtratsfraktion der Grünen für eine allgemeine Innenstadtgebühr, zur Zeit ohne Erfolgsaussichten. 2004 hatte die Feinstaub-Diskussion den Mautbefürwortern Auftrieb gegeben, danach verschwanden die Pläne aber wieder in der Schublade.

In Hamburg ist man weiter: "Unsere Fachleute analysieren weltweit Städte mit City-Maut", berichtet Kerstin Feddersen, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. So schlimm wie in London oder Stockholm vor der Maut-Einführung sei das Verkehrschaos in der Hansestadt zwar nicht. "Aber wir behalten diese Option für die Zukunft im Auge."

Die größte Hürde dürfte der Widerstand der Anwohner sein, die knapp außerhalb der geplanten Mautzone leben. "In den Randzonen würde das Verkehrsaufkommen extrem steigen", sagt auch Feddersen.

Langfristig wird der Trend zur Mautzone auch Deutschlands Städte erfassen. Weltweit setzen immer mehr Metropolen auf die Anti-Stau-Gebühr. Beispiele aus Europa und Asien zeigen, dass das Modell City-Maut funktioniert. Positive Erfahrungen sammeln nicht nur die Städte, die mehr Geld einnehmen, sondern auch die Autofahrer, die seltener im Stau stehen.

Die Stockholmer Bevölkerung hatte sich im September 2006 nach einem sechsmonatigen Probelauf für die Maut entschieden. 53,1 Prozent der 600.000 Wahlberechtigten stimmten dafür.

Die Trängselskatt ("Gedrängelsteuer") liegt je nach Tageszeit zwischen 1,10 und 2,20 pro Fahrt in die Innenstadt oder aus dem Zentrum heraus. Pro Tag verlangt die Stadt maximal 6,50 Euro. Wie in London filmen Kameras die Autokennzeichen. Die Stockholmer können die Gebühr automatisch per Lastschrift bezahlen. Autos mit Hybridantrieb und Wagen mit ausländischem Kennzeichen sind befreit.

Seit Mai 2006 erhebt Bologna eine Maut. Wer wochentags in das historische Zentrum Roms fahren möchte, braucht seit 2002 eine 360 Euro pro Jahr teure Genehmigung. Seit 1990 zahlen die Autofahrer in Oslo. Der Verkehr im Zentrum der norwegischen Hauptstadt konnte so um 10 Prozent verringert werden.

Nur Trondheim schaffte die Maut wieder ab

Schon 1965 führte Singapur eine Stadtmaut ein. Per Chipkarte hinter der Windschutzscheibe bezahlen Autofahrer zwischen 25 Cent und 1,80 Euro - je nach Strecke und Tageszeit.

Wieder abgeschafft wurde die City-Maut erst an einem einzigen Ort: Im norwegischen Trondheim. Die Stadtväter verzichten seit 2005 wieder auf die 1990 eingeführte Maut - die Kosten für den Ausbau einiger Straßen hatten sich amortisiert.

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