Kult-Auto Citroën C2:Auf Entenjagd

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Der Herr der Enten in seiner Werkstatt: Der gelbe Post-Lieferwagen links hinten ist Thomas Franz’ jüngste 2CV-Errungenschaft. (Foto: Steve Przybilla)

Im Jahr 1990 wurde der letzte Citroën 2 CV produziert. Thomas Franz ist einer der wenigen Experten, die das Kult-Auto heute noch reparieren können.

Von Steve Przybilla

Thomas Franz' erste Ente führte ihn geradewegs ins Gefängnis. "Nach dem Abitur bin ich mit zwei Kumpels nach Paris gefahren", erinnert sich der heute 65-Jährige. "Schon in den Ardennen kamen wir nicht mehr den Berg hoch. Aber mit vereinten Kräften ging es dann irgendwie." Die Kumpel hatten ihren Spaß und schoben mit vollem Elan, die Ente rollte weiter. Nur die französische Polizei spielte nicht mit.

Zur Hochzeit der RAF wirkten drei junge, langhaarige Burschen verdächtig. Zumal sie in einer pinken Ente saßen, kein Wort Französisch sprachen und einen Lachanfall bekamen, als die französischen Beamten sie kontrollierten. Das Ergebnis: alle Mann aussteigen, Kofferraum auf, Polizeigewahrsam. "Wir waren auch ein bisschen angeschickert", gibt Franz zu. "Dass wir die ganze Zeit lachten, fanden die Flics gar nicht lustig." Drei Stunden später waren die Männer samt Auto wieder auf freiem Fuß, ein einziges großes Abenteuer, ermöglicht durch eine pinke Ente.

Keine Lust mehr mehr auf den Lehrer-Job

So jedenfalls erzählt es Franz heute, wenn er in seinem Fotoalbum blättert. Doch es sind weit mehr als nur verblichene Anekdoten, die den gebürtigen Duisburger mit dem Citroën 2 CV, genannt "Ente", verbinden. Seit seiner Jugend schraubt der Tüftler an den französischen Kultautos herum; zwischen 50 und 60 Exemplare hat er im Laufe seines Lebens besessen, erzählt Franz. Früher war er Lehrer, unterrichtete Latein und Physik. Irgendwann, so schildert er es, hatte er "einfach keinen Bock mehr". Also machte der junge Mann sein Hobby zum Beruf. 1982 gründete er einen Ersatzteil-Handel für das damals noch weit verbreitete Fahrzeugmodell. Er holte den Meisterbrief nach und eröffnete schließlich seine eigene Werkstatt, die ausschließlich 2 CV-Modelle repariert. Aus Thomas Franz, dem Lateinlehrer, wurde der Herr der Enten.

In seinem Betrieb im westfälischen Dülmen hat der Entenmann viel zu tun. Der 2 CV genießt heute Kultstatus. Rund 12 900 Enten sind laut Kraftfahrtbundesamt in Deutschland noch zugelassen (Stand: Januar 2018). In Frankreich dürften es mehr sein. Dort übrigens kennt man den Spitznamen "Ente" nicht. Stattdessen spricht man vom "Deudeuche", eine Abkürzung von "deux chevaux" (zwei Pferde). Mit Pferdestärken hat der Begriff allerdings nichts zu tun, denn die Ente hatte je nach Baujahr zwischen neun und 29 PS. Stattdessen bezieht sich das Kürzel 2 CV laut Citroën auf die Kennzahl der Kfz-Steuer in Frankreich.

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Ob aber in Frankreich oder in Deutschland - kaum noch jemand weiß, wie man die klapprigen Karosserien fachmännisch repariert. Entsprechend schwer ist es auch, eine Vertragswerkstatt zu finden, die sich mit dem Auto auskennt. Selbst Citroën räumt ein, dass man Kunden mit Fragen zum 2 CV lieber zu Tüftlern wie Thomas Franz schickt. "Wir bieten schon länger keinen Reparaturservice für Enten mehr an", sagt Unternehmenssprecherin Susanne Beyreuther. "Aber es gibt eine gut vernetzte Szene, die sich sehr gut mit den alten Modellen auskennt." Dementsprechend viele Aufträge stapeln sich bei Schraubern wie Thomas Franz. "Ich bin bis weit in den Sommer hinein ausgebucht", sagt er. Die Kunden kämen aus ganz Deutschland. "Das sind Leute, die jetzt in Rente gehen und Zeit haben. Viele haben seit 20 Jahren eine Ente in der Garage stehen und machen sie jetzt wieder flott."

Die Kosten für eine Komplettrestaurierung beginnen bei 18 000 Euro, ein gutes Geschäft für Franz. Dass es einmal so gut laufen würde, hatte er sich am Anfang nicht träumen lassen. Und seine Bank schon gar nicht. "Die sagten mir: ,Mach mal, aber ohne uns'", erinnert sich Franz. "Ich habe dann meine Stereoanlage verkauft, um an Startkapital zu kommen."

Selbst der Entenexperte gibt offen zu, dass der 2 CV während seiner Verkaufszeit als unzuverlässig galt: ein klappriges Auto, das schlecht anspringt und viel zu schnell rostet. Warum fährt man dann so etwas, damals wie heute? "Weil es anti ist", antwortet Franz. "Der Käfer war für uns ein Spießer-Auto, ein Modell für Familienväter. Wir hingegen waren Outlaws und wollten nie erwachsen werden."

Fast jedes Wochenende hätten sich die Enten-Enthusiasten irgendwo getroffen, um ihre neuesten Errungenschaften und Basteleien vorzustellen. Enten als Pick-up. Enten als Geländeauto, Enten mit Allrad und zwei Motoren ("Sahara-Ente"). Auch Franz konnte bei solchen Treffen auftrumpfen. Mit seinem selbst gebastelten Enten-Wohnmobil fuhr er sechs Wochen durch Europa. "Es passte alles rein", versichert der Bastler und zeigt zum Beweis zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos, auf der eine Ente mit eingebautem Bett zu sehen ist. Die wichtigsten Gepäckstücke: Ersatzteile. "Ich hatte immer eine zusätzliche Antriebswelle dabei, außerdem eine Lichtmaschine und eine Zündspule. Irgendwann weiß man, an welchen Dingen es hapert."

Trotz aller Vorsätze ist der bekennende Hippie inzwischen erwachsen geworden. Die Haare sind grau und reichen nur noch bis kurz unters Ohr. Unter dem Pullover trägt er ein Hemd. Wenn er heute zu Treffen der Entenfans in aller Welt fährt, dann ohne Zelt und ohne Bierdose. "Diese Zeiten liegen hinter mir", sagt Franz. "Das war als Student ganz lustig, aber inzwischen freue ich mich, wenn ich abends ins Hotel komme und in einem richtigen Bett schlafen kann."

In seiner Firma beschäftigt der Herr der Enten fünf Karosseriebauer, während er privat mit einer ehemaligen Kundin verheiratet ist. Seine Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, bekamen zum 18. Geburtstag jeweils eine Ente geschenkt. Franz grinst. "Nicht alle waren am Anfang begeistert, aber inzwischen ist der Funke übergesprungen." Eine seiner Töchter arbeite zurzeit sogar an ihrem eigenen Projekt, einer schrottreifen Ente, die wieder auf Vordermann gebracht wird.

Eine Traum-Ente hat Franz noch nicht gehabt

Natürlich geht Franz auch selbst auf Entenjagd. Seine neueste Errungenschaft: ein 2 CV-Lieferwagen der französischen Post. Komplett lackiert und aufgemöbelt sieht das Auto aus, fast so, als komme es frisch aus dem Museum. Sogar die Postaufkleber hat er in Handarbeit nachgemacht. Franz nickt zufrieden. "Ich hatte Glück, weil ich das Auto in einem guten Zustand bekommen habe. Die Post hat damit ja nur Pakete durch die Gegend gefahren."

Also alles bestens in Entenhausen? Nicht ganz. So hat Franz längst nicht alle Ausführungen besessen, die der Oldiemarkt hergibt. "Eine Sahara-Ente wäre toll", meint er. "Davon träumt jeder Entenfan." Zum anderen stellt sich mittlerweile die Frage, wer das Geschäft übernimmt, wenn er sich zur Ruhe setzt. Einen Nachfolger hat er bislang nicht gefunden; junge Kfz-Mechatroniker interessierten sich kaum für ein Fahrzeug, das nicht einmal mehr gebaut wurde, als sie auf die Welt kamen. Franz ist trotzdem optimistisch, dass er irgendwann doch noch fündig wird. "Ich mache einfach erst mal weiter. Ich bin sowieso nicht der Typ, der zu Hause den Garten macht."

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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