Chrysler 300C Touring:Fettes Teil

Mit einer US-Limousine über Deutschlands Autobahnen zu brausen macht Spaß. Sich mit dem Chrysler 300C in deutschen Städten zu bewegen, gerät zum Abenteuer. Ein Praxistest.

Lars Langenau

Saft & Kraft Es ist ein monströses Teil, was einen da erwartet, mit und im Chrysler 300C. Ein wuchtiges, überaus nordamerikanisches Auto, wenn es denn so etwas gibt. Er wirkt wie ein mächtiger Bison mit Nasenring und Nüstern so groß wie Golflöcher. Ein Bulle, der gerade von einer überaus saftigen Weide in die Rodeo-Arena geführt wurde, und dem man auf freiem Feld nicht unbedingt begegnen möchte. Im Vergleich zu diesem Wagen wirkt der Großteil der anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer wie knochige, in Plastikabfällen nach Leckereien suchende indische Kühe am Straßenrand von, sagen wir einmal, Bombay.

Chrysler 300C Touring: Ja, er kann es durchaus flott, der Chrysler 300 C Touring.

Ja, er kann es durchaus flott, der Chrysler 300 C Touring.

(Foto: Foto: Chrysler)

Also einsteigen, mit dem Gefühl, John Wayne zu sein, den Stier an die Zügel genommen und auf geht's. Tatsächlich war es nach dem Versinken im Ledersitz und der Hand am mit Edelholz verzierten Lenkrad zunächst wenig so wie beim Rodeo. Das lag aber am automatischen Getriebe, das wir nach ein paar Zuckungen gut und fest im Griff hatten. Dann fix, schön mit einem sonoren Summen, den Sitz elektrisch ideal auch für große Menschen eingestellt. Das Schöne an diesen US-Schlitten ist ja, dass alles, aber auch wirklich alles, automatisiert ist - vom Schiebedach über Fensteröffner bis zum beleuchteten Flaschenhalter. Doch was tun, wenn die Elektrizität plötzlich versagen sollte? Wir wären hilflos den Engeln der Straße ausgeliefert. Passierte aber nicht.

Im Chrysler 300C fühlten wir uns so sicher, dass wir nach einigen hundert Kilometern dachten, auch ein Piepen ignorieren zu können. Es war, wie sich dann gerade noch an einer Autobahnausfahrt herausstellte, die Tankanzeige, die eigentlich auch sehr präsent im edel designten Armaturenbrett zu sehen war. Nur wahrgenommen haben wir das nicht, weil es eben so schön war, über die Autobahn zu rauschen und sich die Hirnwindungen mal nicht mehr mit Sorgen und Problemen vollzustopfen.

Immerhin: Offiziell gibt Chrysler einen Verbrauch von 8,3 Litern Diesel pro 100 Kilometer an, tatsächlich verfuhren wir rund 9,5 Liter - bei meist hohem Tempo.

Fettes Teil

Stuss & Genuss Der 300 C mit seiner markanten Chrysler-Schnauze verführt zum Schnellfahren: Bei 70 km/h hatten wir stets das Gefühl, noch zu stehen. Erst bei Tempo 180 merkten wir, dass wir ziemlich flott waren. Auch, als wir mit einem lächerlichen, postpubertären Verhalten einen 3er-BMW an der Ampel putzten, der uns zuvor frech überholt hatte. Schließlich konnten wir, wenn wir wollten, in knapp neun Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Zwar reicht die Tachoanzeige bis 300 km/h - doch bei 210 km/h war für uns Schluss. Irgendwann wird Autofahren dann doch zum Stress - nicht wegen des Wagens, aber wegen der vorher schon erwähnten indischen Kühe. Wunderbar fanden wir die standardmäßig in den 300-C-Modellen eingebaute Fahrlichtautomatik. Gerne hätten wir noch einige Tunnel durchfahren, um sie wieder und wieder zu erleben.

Chrysler 300C Touring: Legt einen mächtigen Auftriit hin - auch wenn die Touring-Variante aus dieser Perspektive nicht zu erkennen ist: Chrysler 300 C

Legt einen mächtigen Auftriit hin - auch wenn die Touring-Variante aus dieser Perspektive nicht zu erkennen ist: Chrysler 300 C

(Foto: Foto: Chrysler)

Toll auch die netten Ledersitze, in denen wir uns selbst nach sechs Stunden Fahrt noch wohler fühlten als nach einer Stunde in unserem alten Fernsehsessel. Begeistert waren wir - als hartgesottene Fahrer eines mehr als 20 Jahre alten Volvos namens Olov - vom Regensensor für die vorderen Scheibenwischer. Den Schalter für den Heckwischer haben wir aber lange und umständlich gesucht - obwohl er direkt überm Navi am Dachhimmel prangt.

Family & Friends Das Ding ist imposant - und versucht erst gar kein Understatement. Mit diesem Wagen zeigt man, dass man es einigermaßen geschafft hat, die Energiekrise einen nicht übermäßig juckt und Umwelt etwas ist, an dem man vorbeirauscht. Vom Hersteller wird er in der oberen Mittelklasse verortet, für uns gehört er in die Superduperklasse. Worüber wir uns dann aber doch wunderten, war der im Verhältnis zur Länge (knapp über fünf Meter) und Breite (1,88 Meter) doch eher kleine Kofferraum. Wer einen mehr als einwöchigen Familienurlaub plant, bekäme man da schon Probleme. Auch die Fahrt durch enge Gassen ist nicht ganz einfach. Immer wieder bleiben wir stehen und ließen entgegenkommende Fahrzeuge passieren, weil wir die Breite des Wagens anfangs nicht richtig einschätzen konnten. Und erst die Suche nach einem Parkplatz ... So bequem er ist: Dieser Chrysler 300C ist eben ein fettes Teil.

Fettes Teil

Auf rund 2000 Kilometern Fahrt kommt es in der Regel zu mindestens einer brenzligen Situation. Diesmal wollte ein Opel-Fahrer ohne Blick in den Rückspiegel und ohne Drehen des Kopfes auf die linke Spur ziehen. Wir hatten Glück, dass die Bremsen tadellos funktionierten und der Wagen mit seinem Leergewicht von 1,9 Tonnen dank ABS und BAS (so nennt Chrysler den Bremsassistenten) keinen Moment zum Ausbrechen neigte. Der Opel hingegen kam ziemlich ins Schleudern, entschuldigte sich aber später durch Handzeichen für seine gedankenlose Aktion.

Wunsch & Wirklichkeit Eigentlich ist's drinnen ziemlich laut. Ab Tempo 180 können Konversationen keineswegs mehr leise geführt werden. Und genau deshalb kann auch das "Boston Acoustics Sound System" mit sechs Lautsprechern sein wirkliches Können nur im Stau oder an der Ampel unter Beweis stellen. Als wird die Anlage allerdings mit einer CD von Stereohead mal richtig beanspruchten, gab der eine Lautsprecher auf der Fahrerseite beunruhigende Geräusche von sich.

Weitere Mankos sind das kleine Heckfenster und die überbreite D-Säule, die den toten Winkel an diesem Punkt zu einem weiten Scheunentor macht. Immerhin gibt es bei so eingeschränkter Sicht fürs Rückwärtsfahren eine intelligente Lösung mit dem Park-Pilotsystem, das dem Fahrer anzeigt, wie nah er dem hinteren Fahrzeug oder Gegenstand bereits gekommen ist. So etwas würden wir uns auch für unseren alten Volvo wünschen.

Gut ... geeignet für Langstrecken und zwei Kinder.

Aber .... zu groß, zu schwer, zu massig in der Stadt.

Also ... was für Leute, die auf dem Land wohnen, aber keine Landeier sind.

Chrysler 300 C Touring 3.0 CRD: 160 kW (218 PS); max. Drehmoment: 510 Nm bei 1600-2800 U/min; 0-100 km/h: 8,6 s; Vmax: 227 km/h; Euro 4/ULEV, CO2: 220 g/km; Testverbrauch: 9,5 l; Grundpreis: 39.890 Euro

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