Jedes Auto steht im Schnitt 23 Stunden am Tag. Niemand nutzt es, Geld kostet es trotzdem. Auf der anderen Seite sind immer mehr Menschen bereit, für die gemeinsame Nutzung von Privateigentum zu bezahlen. Das zeigt das Beispiel Airbnb. Was bei Wohnungen funktioniert, soll auch beim Auto möglich sein. Zumindest versprechen das Anbieter von privatem Carsharing wie Drivy oder Turo. Diese Unternehmen bieten Autobesitzern eine Plattform, auf der sie ihren Wagen stunden- oder tageweise vermieten können. Das klingt nach leicht verdientem Geld, aber ist es auch für jeden geeignet?
"Man muss das Auto schon als Nutzgegenstand sehen", sagt Tobias Wagner. Seit drei Jahren bietet er sein Auto bei Drivy an. Angefangen hatte es damals mit seinem Umzug wegen des Studiums nach Ingolstadt. Seinen Citroën C4 brauchte er auf einmal kaum noch selbst, da die Fahrt zur Uni auch ohne Auto problemlos klappte. Doch anstatt seinen Wagen zu verkaufen, stieg er ins private Carsharing ein. Mittlerweile lebt der 25-Jährige in München und fährt ein Elektroauto. Auch das bietet er im Schnitt alle zwei Wochen zur Miete an. Den Preis und die Verfügbarkeit legt er selbst fest. Von den Einnahmen gehen 21 Prozent an Drivy.
Drivy zählt in Deutschland aktuell 250 000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer (Vermieter und Mieter). 6000 Fahrzeuge sind auf Drivy in Deutschland verfügbar. Insgesamt teilen sich 2,5 Millionen Nutzer mehr als 50 000 Autos in Frankreich, Spanien, Großbritannien, Belgien, Deutschland und Österreich. Was Nils Roßmeisl, Deutschland-Chef von Drivy als "Auftrag im Sinne der Nachhaltigkeit" beschreibt, ist in erster Linie der Versuch, günstiger und flexibler zu sein als klassische Carsharing-Anbieter oder Autoverleiher. Etwa 30 Prozent günstiger ist laut Roßmeisl eine Drivy-Fahrt im Vergleich zu einem Mietwagen. Eine kurze Online-Suche ergibt, dass schon für unter 50 Euro ein Fahrzeug in München für ein komplettes Wochenende gemietet werden kann, zuzüglich Spritkosten. Zudem weiß der Mieter immer genau, welches Auto er bekommt und spart sich Wartezeiten und Papierkram am Schalter einer Autovermietung. Vollkaskoversichert sind die über Drivy vermieteten Fahrzeuge - wie auch bei den größten Konkurrenten Turo und Snappcar - bei der Allianz. Der Mieter kann zwischen verschiedenen Selbstbeteiligungsstufen wählen.
Wie viele Menschen sind bereit, ihr Auto in andere Hände zu geben? Die US-Firma Turo, die seit einem Jahr auch in Deutschland privates Carsharing anbietet und aktuell rund 2000 Fahrzeuge auf ihrer Plattform führt, hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Danach ist jeder fünfte Autobesitzer dafür offen, sein Fahrzeug mit anderen Menschen zu teilen. Deutlich niedriger ist dagegen zum Beispiel die Bereitschaft, sein Haus oder seine Wohnung unterzuvermieten (16,7 Prozent) - obwohl Airbnb wohl den meisten Menschen hierzulande mittlerweile ein Begriff ist. Dazu kommt: Jeder dritte Führerscheinbesitzer kann sich vorstellen, ein Auto eines privaten Anbieters zu mieten.
Warum ist privates Carsharing trotzdem noch ein Nischenmarkt? "Ganz einfach, die Menschen sind bei jedem neuen Angebot erst einmal skeptisch", sagt Marcus Riecke, der für das Deutschlandgeschäft von Turo verantwortlich ist. Die größte Angst ist dabei, dass jemand anderes mit dem eigenen Auto schlecht umgeht - also dass ein Unfall passiert oder es verdreckt zurückgegeben wird. Diese Vorbehalte sind laut Riecke nachvollziehbar, aber aus seiner Sicht unbegründet. "Wenn ich den Menschen persönlich kenne, dem etwas gehört, dann behandele ich sein Eigentum auch pfleglicher als bei einer anonymen Miete", gibt er zu bedenken. Tatsächlich gelten klassische Carsharing-Autos als nicht besonders gut gepflegt. Deshalb sei bei Turo auch die persönliche Übergabe des Autos zwischen Mieter und Vermieter ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells. Drivy bietet seinen Nutzern auch ein Modell, das vom klassischen Carsharing bekannt ist: Dort kann man sich als Vermieter eine kleine Box in sein Auto installieren lassen, durch die der Mieter das Fahrzeug einfach über sein Smartphone öffnen kann. Der Autobesitzer spart sich dadurch die Zeit für die persönliche Übergabe. Dafür kostet die "Drivy-Open"-Technologie auch 29 Euro Miete pro Monat.
Privates Carsharing ist kein Selbstläufer. Wie viel man am Ende mit seinem eigenen Fahrzeug verdient, hängt von vielen Faktoren ab. Wie alt ist das Auto? Welchen Preis verlange ich? Wie viele Tage stelle ich mein Auto zur Verfügung? Wie schnell reagiere ich auf Anfragen? Das alles beeinflusst am Ende, wie gut man auf den Plattformen gelistet wird. Das heißt konkret: Lehne ich viele Anfragen ab oder erhalte schlechte Bewertungen, weil mein Auto zum Beispiel in schlechtem Zustand ist, verschlechtert das mein Ranking. Turo sperrt zum Beispiel den Account nach der dritten Absage. Dafür bietet das Unternehmen in bestimmten Städten einen kostenlosen Fotoservice an, bei dem ein Profi-Fotograf das Auto in Szene setzt.
"Ich muss Zeit investieren und natürlich freundlich sein", weiß auch Drivy-Kunde Tobias Wagner. In seinen drei Jahren als Autovermieter habe er aber kaum schlechte Erfahrungen gemacht. Einmal ein Kratzer in der Alufelge, einmal gab es Probleme mit einem Mieter, weil der Wagen an einem anderen Abholort war, als es die App angezeigt hatte. "Aber insgesamt ist das für mich ein konsequentes, sinnvolles Konzept, wenn mein Auto nicht die meiste Zeit sinnlos herumsteht und ich am Ende auch noch einen Teil der Betriebskosten durch das Sharing decken kann", urteilt der 25-Jährige. Das Interesse an Privatmiete sei auf jeden Fall da: Sowohl in Ingolstadt als auch in München habe er kein Problem gehabt, genügend Mietinteressenten für seinen Wagen zu finden.
Eine Vermietung auf Drivy, Turo, Snappcar und Co. kann einem einen hübschen Verdienst einbringen. Laut Turo verdiente ein Autobesitzer pro Vermietung 2018 im Schnitt 122 Euro nach Abzug aller Gebühren. Dabei betrug die durchschnittliche Mietdauer drei Tage. Drivy gibt einen Verdienst von hundert Euro pro Vermietung an.