Car2go-Projekt in Ulm:Adieu ÖPNV

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Frank Müller ist umgestiegen. Sein eigenes Auto, ein Fiat Seicento, bleibt wochentags in der Garage. Innerhalb von Ulm ist der 30-Jährige fast nur mit den weißblauen Miet-Smarts von Car2go unterwegs.

Patrick Solberg

"Meistens fahre ich mit dem Car2go-Smart zur Arbeit", sagt der Ulmer Frank Müller, als er seinen rosafarbenen Führerschein gegen das Codierfeld an der Frontscheibe drückt: "Das spart mir 25 Minuten Fußweg und ich bin flexibel für den Rest des Tages. Oft nehme ich gleich noch meine Frau mit, die im gleichen Büropark arbeitet."

So begehrt, dass die vorgesehenen Parkplätze mitunter knapp werden: das Car2go-Projekt in Ulm (Foto: Foto: Pressinform)

Angefangen hatte sein Einstieg ins Carsharing-Geschäft Mitte März. Nachdem er bereits einiges vom Ulmer Car2go-Projekt gelesen hatte, wurde der Software-Entwickler von Harman-Becker durch eine Radiosendung endgültig auf eine Testphase aufmerksam. Er meldete sich bei SWR3 und gewann ein Startguthaben in Höhe von 50 Euro. "Das reichte für drei oder vier Wochen", erinnert sich Müller. Mittlerweile hat Car2go bei ihm sogar den öffentlichen Verkehrsmitteln den Rang abgelaufen, mit denen er und seine Frau zuvor bevorzugt innerhalb der Ulmer Stadtgrenzen unterwegs waren.

Pro Jahr ist Frank Müller mit dem Auto immerhin zwischen 12.000 und 15.000 Kilometern unterwegs. Auf das eigene Auto verzichten möchte er schon wegen der längeren Strecken zu Freunden und Verwandten am Wochenende nicht. "Doch in der Woche lasse ich den eigenen Fiat immer stehen und bin ausschließlich mit den Car2go-Autos unterwegs."

So wie Frank Müller machen es mittlerweile immer mehr Ulmer. "Seit dem offiziellen Start des Projekts am 27. März haben sich mehr als 7000 Personen registriert und den kleinen Code-Aufkleber auf den eigenen Führerschein kleben lassen", freut sich Projektleiter Robert Henrich: "An sich hatte ich bis Jahresende mit maximal 5000 Kunden gerechnet. Jetzt werden es im Sommer schon 10.000 sein."

Car2go-Projekt in Ulm
:Adieu ÖPNV

Frank Müller ist umgestiegen. Sein eigenes Auto, ein Fiat Seicento, bleibt wochentags in der Garage. Innerhalb von Ulm ist der 30-Jährige fast nur mit den weißblauen Miet-Smarts von Car2go unterwegs.

Patrick Solberg

An guten Tagen melden sich bis zu 200 Ulmer Bürger online auf der Website www.car2go.com an und lassen sich den Führerschein-Chip im Car2go-Shop im Stadthaus aufkleben. Dann kann es losgehen. "Da kann es in der Nähe des Marktplatzes schon einmal zu Engpässen kommen, weil viele die Smarts direkt ausprobieren wollen", sagt Henrich weiter.

Die Akzeptanz des ungewöhnlichen Carsharing-Projekts ist auch sonst besser als erwartet. 95 Prozent der insgesamt rund 200 Car2go-Smarts werden jeden Tag bewegt. Viele Autos haben am Tag mehr als zehn Kunden. Henrich: "Das Nutzerspektrum ist vielfältig. 90 Prozent der Kunden sind unter 50 Jahren alt. Manche mieten den Wagen für ein paar Minuten, andere für ein paar Stunden oder gleich einen Tag."

"Die meisten Strecken fahre ich im einstelligen Kilometerbereich", erzählt Frank Müller aus seinem täglichen Nutzungsprofil, während er einsteigt und den Sitz in die richtige Position bringt: "Ist doch einfach. Einsteigen, losfahren und wieder abstellen - das war's. Die meisten Fahrten kosten mich nicht mal zwei Euro."

Damit Frank Müller besonders einfach sehen kann, wo gerade eines der car2go-Mietfahrzeuge in seiner Umgebung frei ist, hat er sogar ein kleines Computerprogramm geschrieben. Auf seinem iPhone wird so in Sekundenschnelle der kürzeste Weg zum nächsten freien Miet-Smart angezeigt. Für Blackberrys ist die mobile Buchungskarte ebenfalls verfügbar. Alle anderen buchen per Telefon oder am eigenen Computer.

Nach den ersten Wochen gibt es eine Reihe von Kundenanregungen - jedoch halten sich Beschwerden und Probleme im Rahmen. Einige Kunden wünschen sich zum Beispiel mehr Parkmöglichkeiten. Im Zentrum von Ulm gibt es derzeit 130 Parkplätze, die für Car2go-Smarts kostenlos nutzbar sind. "Da könnten es schon ein paar mehr sein", findet auch Frank Müller.

Aber: Bald könnten es tatsächlich mehr sein. Daimler ist mit der Stadt Ulm und einigen Kaufhäusern in Kontakt, um die Zahl zu erhöhen. "Über 80 Prozent der Kunden wollen eine Spontanmiete. Eben einsteigen und losfahren", erklärt Henrich die Vorteile im Alltagsbetrieb. "Zudem sind über 90 Prozent der Fahrten Oneway-Touren."

Wenn es nach den Kunden geht, dürften es auch ruhig noch ein paar Smart mehr sein als die jetzigen 200. Es ist keine Seltenheit, dass man seinen Führerschein vergeblich vor das Magnetfeld an der Frontscheibe hält, da der Wagen bereits gebucht und somit besetzt ist.

Das Bezahlmodell hat sich Car2go bei den Betreibern der Mobilfunknetze abgeschaut: Eine Minute Smart fahren kostet 19 Cent - Steuern, Versicherung und Sprit inklusive. Ein Serviceteam reinigt, wartet und betankt die Fahrzeuge regelmäßig. Fürs Tanken zwischendurch liegt in jedem Handschuhfach eine Tankkarte. Wer nicht nach Minutentakt unterwegs sein will, der kann die Car2go-Smarts auch stunden- (9,90 Euro) oder tageweise (49 Euro) mieten. Wer das angemietete Fahrzeug bis 15 Minuten nach der avisierten Zeit nicht abholt, wird mit einer Strafgebühr von vier Euro belastet.

Das Projekt soll mittelfristig auf andere Großstädte ausgeweitet werden. Auch außerhalb Ulms sei das Interesse an Car2go groß, sagt Henrich: "Inzwischen liegen zahlreiche Anfragen von Städten aus aller Welt vor. Wir haben jeden Monat einen Verantwortlichen einer Metropole hier, der sich das ganze anschaut."

Die ersten internationalen Erfahrungen will Daimler ab Herbst 2009 mit 200 Smart Fortwo in der texanischen Hauptstadt Austin sammeln. Während Ulm gerade einmal 120.000 Einwohner hat, zeigt die Ausweitung auf die 750.000-Einwohner-Metropole in Texas, wohin der Weg gehen soll.

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