Test VW Amarok mit Tischer-Aufsatz:Unterwegs mit einem Auto-Rucksack

Lesezeit: 4 min

Bietet Platz und Flexibilität: VW Amarok mit Tischer-Wohnkabine. (Foto: Tischer)

Eine Kabine auf der Pritsche eines Pick-ups ist eine Mischung aus Wohnwagen und Wohnmobil. Das Konzept macht Campingplatz-Nachbarn neugierig, hat aber auch Nachteile.

Von Stefan Mayr

Kaum eingeparkt auf dem Stellplatz, die Außenjalousie ist noch nicht ganz ausgerollt, da kommt der Campingnachbar schon ums Eck. "Sie haben ja ein interessantes Mobil", sagt der Mann mit ostwestfälischem Akzent. Ob er mal ins Innere schauen dürfe, fragt Michael aus Detmold. Darf er. Der Nachbar klettert also durch den Seiteneingang ins Innere und macht große Augen. "So viel Platz, das hätte ich nicht gedacht", staunt er. "Und sogar mit Bad und Küche und so ein großer Kühlschrank." Da sei der Raum ja "wirklich perfekt" ausgenutzt.

Recht hat er. Und damit wären nach nicht einmal einer halben Stunde auf dem Tübinger Campingplatz schon mal zwei Sachen geklärt. Erstens: Wer Anschluss sucht, der macht mit einer Wohnkabine auf einem Pritschenwagen nichts falsch. Denn so ein Gefährt ist - und das ist die zweite Erkenntnis - immer noch ein selten gesehener Außenseiter zwischen all den Zelten, Wohnwagen und -mobilen.

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Doch es ist im Kommen, das Pickup-Camping - auf gut deutsch: die Wohn-Kabine zum Absetzen. Der Hersteller Tischer, ein Familienbetrieb aus Kreuzwertheim in der Nähe von Würzburg, berichtet von zweistelligen Wachstumsraten, wenn auch auf kleinem Nischenniveau: 200 solcher Rucksack-Buden stellt das Unternehmen pro Jahr her. Im Jahr 2019 werden es an die 220 sein, ein neuer Rekord.

Sie hat tatsächlich einige Vorteile, diese Wohnkabine, die man auf diverse Pickup-Modelle montieren kann - und bei Bedarf auch ganz schnell wieder absetzen. Halb Anhänger, halb Caravan, bietet dieser Mischling einen Urlaub genau zwischen den klassischen Camping-Welten: Mit ihm ist man agiler als mit Wohnwagen, dabei ist er aber günstiger als ein Reisemobil.

20 Minuten für das Absetzen der Kabine muss man schon einrechnen

Zwar dauert das Absetzen der Kabine (mit Hochschrauben der vier Stützfüße) gut 20 Minuten, also deutlich länger als das Abkoppeln eines Anhängers. Aber dafür steht danach ein richtiges Offroad-Auto bereit. Mit viel Kraft und Bodenfreiheit. Oder auch einfach nur ein Wagen, der am Urlaubsort auch in die Altstadt und in die meisten Parkhäuser passt.

Während Michael aus Detmold und all die anderen auf dem Campingplatz am besten auf befestigten Straßen und Stellplätzen bleiben, bietet der Wohnkabinen-Pickup ungleich mehr Freiheit. Tischer wirbt sogar mit der Aussicht auf "Offroad-Abenteuer". Und VW verspricht für den Amarok, auf den bei diesem Testfahrzeug die Kabine gepflanzt wurde, Wasserdurchfahrten bis zu einer "Wattiefe" von 50 Zentimetern, allerdings ohne Aufbau. Aber mit dem 600 Kilogramm schweren Rucksack auf dem Buckel sollte man solche Untiefen ohnehin eher meiden. Besser vorher den Wohnaufsatz ablegen. Dann stehen dem Ritt durchs Gelände nur noch Umweltauflagen und -bedenken im Wege.

Camping boomt wie nie, die Hersteller von Wohnfahrzeugen erreichen einen Absatzrekord nach dem anderen. Illustration: Alper Özer (Foto: N/A)

Mit dem Huckepack-Heim auf dem Buckel fühlt man sich auf Fahrten über die Schwäbische Alb wie auf einem Traktor. Mit allen positiven und negativen Nebenwirkungen: Kraft hat der Amarok zweifellos. Mit seiner Achtgang-Automatik hüpft er oft wie ein übermütiges junges Wildtier durch die Gegend. Auch jenseits von Tempo 130 kann der Dreiliter-TDI-Motor mit seinen 258 PS noch sportlich nachlegen - das gilt auch bergauf. Allerdings wird er da auch sehr durstig. Unter zwölf Liter auf 100 Kilometer geht dann nichts.

Weiterer Nachteil: Ab Tempo 120 wird es ruppig. So ruppig, dass die Vibrationen beim Sprechen hörbar auf die Stimmbänder schlagen. Und dem Beifahrer fällt es schwer, auf dem Navigationsgerät ein Ziel einzugeben, ohne sich zu vertippen. Bei kurvigen Strecken mutiert der Traktor wegen seines hohen Schwerpunktes zu einem kleinen Segelboot. Seekrankheit nicht ausgeschlossen, empfindliche Mägen seien hier vorgewarnt. Serpentinen? Sind mit dem Schaukelpferd allenfalls dann ein Genuss, wenn man weit unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bleibt.

Viel gemütlicher wird es, am Ziel angekommen, in der Wohnkabine. Schon beim Betreten überrascht, dass auch große Menschen aufrecht stehen können mit jeder Menge Kopffreiheit. Auch sonst fehlt nichts: Das Bett im Alkoven über der Fahrerkabine ist mit fast zwei Metern Länge und 1,50 Meter Breite großzügig bemessen, Tellerfedern unter der Matratze machen auch mehrtägige Trips bequem.

Davor befindet sich die U-förmige Sitzgruppe für bis zu vier Personen mit beweglichem Tisch. Der Umbau zum weiteren Bett geht einfach und schnell. Allerdings ist diese Liegefläche viel härter und schmäler. Laut Hersteller bietet die Wohnkabine vier Schlafplätze - das setzt allerdings ein sehr junges viertes Kind voraus. Zwei pubertierende Geschwister auf eine längere Reise mitzunehmen, ist nur sehr abenteuerlustigen Eltern zu empfehlen.

Die Küche lässt dagegen keine Wünsche offen: Der Gasherd mit drei Flammen und das Spülbecken haben jeweils einen praktischen Klappdeckel, der eine Arbeitsplatte hergibt. Der Kühlschrank ist mit 90 Litern großzügig bemessen. Der Clou des Raumwunders: Die Duschkabine mit Banktoilette und einem großen, hochklappbaren Waschbecken, alles auch noch optisch ansprechend. Mit an Bord ist eine Gasheizung mit Warmwasseraufbereitung. Der Frischwassertank fasst 96 Liter, der Abwassertank 45 Liter. Auch die vielen Schränke bieten viel Stauraum - jedenfalls gemessen an dem, was man der Kabine von außen zutraut. Den positiven Gesamteindruck verstärken Kleinigkeiten wie die dimmbaren Lichter oder das herausnehmbare Eisfach - für die Cocktails on the Rocks bei Sonnenuntergang.

Allerdings muss man sich den Spaß leisten können. Alleine der Amarok kostet zwischen 32 000 und 59 000 Euro. Dazu kommt die Kabine auf mindestens weitere 32 300 Euro. Wer neben der Grundversion auch einen klappbaren Fahrradträger (für zwei Räder), Außenmarkise und -leuchte, Radio und weitere Ausstattung wünscht, kann den Preis auf 38 000 Euro treiben.

Wer es noch luxuriöser und für Campingplatz-Nachbarn noch beeindruckender will, kann die Kabine auch auf die Mercedes X-Klasse setzen. Weitere mögliche Basisfahrzeuge sind der Nissan Navara oder Ford Ranger. Letztlich ist die Anschaffung der Tischer-Kabine vor allem jenen zu empfehlen, die ohnehin schon ein Pickup-Fahrzeug in der Garage haben - und dieses für den Urlaub aufmöbeln wollen. Alle anderen brauchen einen dicken Geldbeutel, der auch unvernünftige Investitionen verzeiht. Zum Testen bietet Tischer Vermietungen an.

Das Fahrzeug wurde der Redaktion zu Testzwecken vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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