Cabrios in Deutschland:Ende offen

VW Golf I Cabrio von 1989

Der erste Golf Cabrio setzte den Trend, bürgerliche Kompaktautos zu enthaupten.

(Foto: Volkswagen AG)

Auto fahren unter freiem Himmel scheint aus der Mode zu kommen. Warum eigentlich? Schließlich hat es unser Land doch irgendwie gelassener gemacht. Eine Hommage an das klassenlose Cabrio.

Von Jochen Arntz

Seien wir doch mal offen: Die ganz große Zeit der Cabriolets scheint langsam vorbei zu sein. Leider. Das deuten die Zulassungsstatistiken an, das zeigt die dürre Modellpalette der großen Hersteller für die nächsten Jahre; der deutsche Sommer macht es auch nicht besser, und dann sind da noch die Chinesen, die sowieso irgendwie keine Cabrios mögen. Das kann man bei der Luft über Shanghai gut verstehen, aber für die Absatzzahlen ist es schlecht, und schade ist es auch.

Nicht, dass es in diesen Tagen des heftigen Weltgeschehens wirklich relevant wäre, ob die Deutschen oder die Chinesen gerne ohne Dach zur Arbeit fahren, mit dem Wind ins Büro pendeln. Aber wenn man noch einmal einige Kilometer in einem Golf Cabriolet zurückgelegt hat, denkt man doch, dass solch ein Auto die Bundesrepublik irgendwie gelassener gemacht hat. Und das seit 35 Jahren schon, denn so lange gibt es den offenen Golf bereits, seit 1979. Dem Jahr, in dem die Deutschen nicht genug von den Village People und "Y.M.C.A." bekommen konnten, und Franz Josef Strauß Kanzlerkandidat wurde.

Der Golf war das Auto für Erdkundelehrer, Zahnärztinnen und Architekten

Damals war das neue Golf Cabrio eine Offenbarung an unscheinbarer Eleganz. Die offenen Käfer-Modelle, mit denen die Architekten gerne nach Sylt, die Zahnärztinnen zur Reitstunde und die Erdkundelehrer auf die Schwäbische Alb fuhren, sie waren bald verschwunden. Und mit ihnen die leicht knubbelige Dekadenz dieser alten Autos, die immer seltsam teuer waren für einen Käfer. Nun also kam der aufgeschnittene Golf mit dem Überrollbügel, der schnell mit dem Namen Erdbeerkörbchen versehen wurde. Er stand in dieser letzten Zeit der großen Weltideologien für die angenehmen und nicht zu aufdringlichen Segnungen des Kapitalismus, ein Auto für den praktischen Hedonismus, den die Deutschen so lieben. Eine kleine Ausschweifung mit gutem Wiederverkaufswert. Und noch ein bisschen wertvoller in so seltsam parfümierten Sonderausstattungen wie "Etienne Aigner". Klang nach Duty-free und weiter Welt.

Damals gab es ja den Porsche 911 noch nicht als Cabriolet, und wer große oder schnelle Autos mit variablem Verdeck fahren wollte, musste auf Engländer und Franzosen ausweichen, Jaguar und Peugeot. Womit man in der Reihenhaussiedlung auffiel, wenn auch nicht immer angenehm.

Anders mit dem Golf, der war absolut sozialverträglich und setzte den Trend, ganz bürgerliche Kompaktautos zu enthaupten. Bald gab es auch den Opel Kadett oder den Ford Escort ohne Dach. Die sahen zwar so elegant aus wie Heinz Erhardt auf der Sonnenbank, aber mit ihnen konnte man beim Sparkassenberater gut gebräunt vorfahren und bekam trotzdem Kredit.

Das war der Fortschritt? Na, ja

So setzte der Golf einen schnörkellosen Anfang der Freiluft-Jahrzehnte, einen Anfang aber, der bald vergessen werden sollte, weil das Cabriolet-Segment immer breiter und die Übersicht über das Angebot immer schwieriger wurde. Denn mit dem wunderbaren MX-5 von Mazda kam bald auch die Roadster-Renaissance aus Japan und Amerika nach Deutschland, dann boten BMW und Mercedes familientaugliche Cabriolets an, die selbstverständlich bald alle elektrisch funktionierende Verdecke hatten. Audi setzte später mit Varianten der großen Coupés und Limousinen nach, die nun Stoffdächer trugen, und VW, ja selbst VW vernachlässigte das klarste und eigentlich einfachste aller Cabrios: den Golf. Plötzlich, seit 2002, wurde es nicht mehr produziert, plötzlich sollte auch ein offener Volkswagen im Winter nicht mehr mit einer schwarzen Hülle geschützt werden, sondern mit einem Stahlklappdach. Das war der Fortschritt? Na, ja. Das neue VW-Cabrio hieß Eos, und schon der Name machte klar, dass hier ein bisschen zu viel Mittelmeer in Wolfsburg gewollt wurde.

Trotzdem, fast zehn Jahre, bis 2011, fehlte das Golf Cabrio in den Katalogen, der geschmeidige Eos rollte als Zweitwagen durch die Städte und das retrolustige Beetle-Cabrio stand wie früher der offene Käfer als Drittwagen in den Garagen.

Alles war wieder wie früher

Doch dann, vor drei Jahren, war plötzlich die Vernunft zurück, das Golf Cabrio, ein klassenlos praktisches Auto für das ganze Jahr. Alles war wieder wie früher, in den späten Siebzigern und Achtzigern, als der Golf aus einem Cabriolet ein Fortbewegungsmittel machte. Nur der Überrollbügel war verschwunden. Aus dem Erdbeerkörbchen wurde ein Erdbeerschälchen, wie der Spiegel so schön schrieb.

Und aus dem Cabrio wurde ein Auto, das trotz seiner offenen Karosserie auch auf der Autobahn nicht wankt und wackelt, das vier Leuten Platz bietet, einen noch so eben vernünftig großen Kofferraum hat, und das bei Fahrten auf deutschen Landstraßen mehr Mittelmeergefühl vermittelt, als der Eos im Designer-Namen trug.

Übrigens: Als der Cabrio-Boom in Deutschland noch groß war, gab es die Theorie, dass die Leute sich immer mehr offene Autos anschaffen, weil sie keine Kinder haben und keinen großen Wagen mehr brauchen. Mal abgesehen davon, dass der SUV-Boom, der gleichzeitig ausbrach, die steile These von der Kinderlosigkeit und den kleinen offenen Autos schnell widerlegte: Das Golf Cabriolet wird man für die Dezimierung der Deutschen nicht verantwortlich machen können. Eine vierköpfige Familie passt wirklich gut hinein und kommt auch nach vielen Autobahnkilometern ganz entspannt wieder raus. Zumindest dann, wenn man sich vorher halbwegs demokratisch darüber einig geworden ist, ob das Dach nun auf oder zu sein soll. Aber das ist ja stets die große zwischenmenschliche Herausforderung beim Cabriofahren.

Ist ein Golf Cabrio nicht faszinierender?

Wie mit jedem Golf wird also auch mit der offenen Version der Reiz des Praktischen bedient. Und nicht nur mit der Rückbank, die mehr als Notsitze bietet. Alles funktioniert ganz unspektakulär. Sicher, es ist schön anzusehen, wenn der neue Porsche Targa in 19 Sekunden wie ein Pfau sein Rad schlägt, das Dach entblättert und über dem Motor verpackt. Aber ist es nicht noch faszinierender, dass das Golf Cabriolet völlig unauffällig in neun Sekunden sein Verdeck-Päckchen schnürt? Da ist man doch mit dem Golf zehn Sekunden schneller in der Sonne.

Schöne Aussichten. Mal sehen, wie erfolgreich dieses Volkswagen-Cabriolet in einer Zeit bestehen wird, in der die Generation Golf alt wird - und sich statt mit Autos mit dem gutbürgerlichen Pendant zum Cabriolet beschäftigt: mit dem neuen Wintergarten an der Doppelhaushälfte. Vielleicht wird ihnen der Wind in den Haaren ja noch fehlen. Das Ende ist wie immer offen.

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