Busse mit Elektroantrieb:Kurz-Schluss an der Haltestelle

auto 08.06.

Kontaktlose Energieübertragung: Das Primove-System kann den Elektrobus im Stand und während der Fahrt laden.

Sechs bis sieben Tonnen muss eine Batterie wiegen, um genug Leistung für einen Bus im Nahverkehr bereitzustellen. Doch die Hersteller entwickeln Lösungen. Elektrisch angetriebenen Stadtbussen genügt manchmal schon ein Boxenstopp von 15 Sekunden für die Schnellladung.

Von Klaus C. Koch

Beinahe lautlos rollt der Bus vom Genfer Flughafen zum Messegelände Palexpo, auf dem alljährlich auch der Automobil-Salon stattfindet. Mit von der Partie und umringt von Neugierigen ist die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard. Artig hat sie das Band durchschnitten, um die kurze, hoch frequentierte Teststrecke für den Pendelverkehr freizugeben.

Im Bus selbst sind zeitweise nur der Druckluftkompressor, das Singen der Servolenkung und das Rauschen eines Lüfters zu hören. Überrascht von der flüsterleisen Fortbewegung springen auch manche der Ordnungskräfte entlang der Route erschrocken zur Seite. In ihren grellgelben Sicherheitswesten sollen sie eigentlich dafür sorgen, dass niemand unter die Räder kommt, wenn eines der Demonstrationsfahrzeuge plötzlich aus einer anderen Richtung kommt als erwartet.

In Großbritannien hatten Trolleybusse mit elektrischem Antrieb wegen des Risikos für Fußgänger und Radfahrer auch schon mal den Spitznamen Silent Death (Stiller Tod) weg. In Australien werden sie mitunter Whispering Death genannt - die mit dem tödlichen Strom flüstern, sozusagen. Die Entwickler geben zu, dass noch an einer passenden Akustik, einem auf elektronischem Weg zu erzeugenden Sound gearbeitet werden muss, um Passanten und Fahrgäste zu warnen, wenn ihr Bus auf die Haltestelle zurollt.

Schwierigkeiten an Kreuzungen

Der Klarheit halber sei erwähnt, dass Elektrobusse in der Schweiz, die ähnlich wie die Straßenbahn aus einer Oberleitung mit Strom versorgt werden, von Genf über Luzern und Zürich bis nach St. Gallen keine Seltenheit sind. Das Gewirr an Fahrdrähten hat allerdings schon so manchen Techniker zum Fluchen gebracht. Besonders an Kreuzungen sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Noch heikler wird die Lage, wenn Bahngleise in der Nähe sind und 600-Volt-Kabel Oberleitungen mit etlichen Kilovolt queren.

In Genf fahren über 350 Busse, davon 89 als Trolley. Allein für die Wartung der Fahrdrähte sind dort zwanzig Leute auf Achse. "Es ist die Hölle", sagt ein Mitarbeiter. "Es ist kompliziert", schwächt Olivier Augé vom Elektrokonzern ABB ein wenig ab. Sein Konzern stellt die Systeme für die Stromversorgung bereit. Eine echte Alternative zur Oberleitung gab es bisher nicht, weil die verfügbaren Batterien durch hohe Preise, geringe Reichweiten und begrenzte Lebensdauer negativ auffielen. Die Speicherschwäche hat ein neues Konzept auf den Plan gerufen: Die Zwischenladung.

Busse brauchen - vor allem wenn sie voll besetzt sind - schnell mal eine Leistung von 200 oder 300 Kilowatt. "Batterien, die das schaffen", sagt Jeremie Desjardins vom sonst eher in der Schienenverkehrssparte tätigen Hersteller Bombardier, "bringen sechs bis sieben Tonnen auf die Waage." Der zusätzliche Ballast muss im städtischen Einsatz ständig beschleunigt werden, was die Gesamtenergiebilanz verschlechtert. Außerdem können aufgrund der reduzierten Nutzlast und des eingeschränkten Platzangebots weniger Passagiere mitfahren.

Superkondensatoren für Spitzenleistungen

Bei Siemens wurden als Speicher für kurzfristig abrufbare Spitzenleistungen Superkondensatoren entwickelt. Sie liefern über kurze Distanzen beachtliche Energie und fangen kurzfristige Stromausfälle oder Spitzen beim Hochfahren der Elektromotoren ab. Für längere Strecken sind sie jedoch ungeeignet. Seit etwa zwei Jahren sind hingegen Batterien auf dem Markt, die sowohl das kurzfristige Zwischenladen mit einem regelrechten Stromschock, als auch den Abruf hoher Leistungsspitzen vertragen, ohne nach wenigen Ladezyklen den Geist aufzugeben.

Städtische Verkehrsbetriebe, die bereits über ein Bus- oder Straßenbahnnetz verfügen, haben den unschlagbaren Vorteil, dass sie nicht erst ein eigenes Netz von Ladestationen aufbauen müssen. In Genf dienen das Oberleitungsnetz der Trolleybusse und schwungvoll gestaltete Docking-Stationen an den Endhaltestellen als Zapfsäulen. Sie speisen die Energie über einen robusten Stromabnehmer auf dem Dach des Busses ein. Der Vorgang dauert etwa drei bis vier Minuten.

Auf der Strecke ist der Gelenkbus völlig unabhängig von der Oberleitung unterwegs. Besonderer Gag ist, dass alle drei bis vier Haltestellen noch mal mit einer blitzartigen Ladung von rund 15 Sekunden Dauer nachgetankt wird. Somit konnte auch die Batterie mit 40 kWh Kapazität und kaum mehr als einer Tonne Eigengewicht relativ klein gehalten werden.

Strom ohne Kabel durch Induktion

Ebenfalls über eine Oberleitung - aber über den Fahrdraht der Straßenbahn - lädt Siemens zwölf Elektrobusse nach, die seit kurzem für die Wiener Linien in der österreichischen Hauptstadt unterwegs sind. Der 40 Passagiere fassende Midi-Bus, dessen Karosserie von dem italienischen Hersteller Rampini stammt, fährt jeweils an den Endstationen einen Stromabnehmer aus und lädt seine 96-kWh-Batterie am Netz der Tram auf. Vorteil: Der Bus fährt ohne Notwendigkeit weiterer Baumaßnahmen auf der Grundlage bereits vorhandener Infrastruktur.

Dauerhaft ohne Stecker oder Stromabnehmer kommt nur das Primove-System von Bombardier aus. Das unsichtbare Induktionsladen soll demnächst in Mannheim auf der Linie 63, aber auch in Braunschweig, Brügge und Berlin realisiert werden. Die einzige wirklich kontaktlose Form der Energieübertragung funktioniert wie ein Transformator mit wenigen Zentimetern Luftspalt zwischen der Sendespule in der Straße beziehungsweise an den Haltestellen sowie einer Empfangsspule auf der Unterseite der Busse. Auch hier können Zwischenladungen die Reichweite der E-Busse verlängern. Die Konkurrenz behauptet allerdings hartnäckig, dass es Schwierigkeiten bei Schnee und Eis, sowie mit der elektromagnetischen Verträglichkeit geben könnte.

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