Business-Fliegerei:Firmenflotten haben große Probleme

Viele deutsche Großunternehmen sind auf eine eigene Flugzeugflotte angewiesen. Doch seit der Finanzkrise 2009 befindet sich das Geschäft mit der Business-Fliegerei im Sturzflug. Wenig Gewinn und viel Wettbewerb setzen die Charterfirmen unter Druck.

Andreas Spaeth

Flughafen Frankfurt, morgens um acht Uhr. Auf den Rollwegen drängen sich Großraumjets aus aller Welt. Bis zum abgelegenen Vorfeld für Geschäftsreiseflugzeuge ganz im Süden ist es eine fast viertelstündige Busfahrt vom Terminal aus. Dort steht Flugkapitän Steffen Merz mit einer brandneuen Cessna Citation XLS+, einem neunsitzigen Business-Jet, und wartet auf seine Passagiere. Er hat nur ein Ziel: Schnell hier wegzukommen, damit sein Slot, seine Startzeit, nicht verfällt. "Für diese morgendliche Hauptverkehrszeit mussten wir den Slot bereits vor vier Wochen beantragen", sagt Merz, "sonst weiß man nie, wann man hier wegkommt." Und teuer ist es auch: Rund tausend Euro kostet es, mit einem kleinen Jet einmal auf dem Rhein/Main-Flughafen zu landen und wieder zu starten, "aber das ist unsere Branche bereit zu zahlen für die Zeitersparnis", sagt Merz. Er und sein Kopilot haben heute eine kurze Strecke vor sich: Nur 180 Kilometer oder 22 Flugminuten geht es zum sogenannten Sonderlandeplatz Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg. Das ist der Werksflughafen der Würth-Gruppe, eines weltweit aktiven Großunternehmens mit insgesamt 65.000 Mitarbeitern. Mit seinen dezentral gelegenen Filialen in 80 Ländern rund um den Globus und dem Hauptsitz in der schwäbischen Provinz ist ein hauseigener Flugbetrieb für Würth "essenziell", sagt Merz.

Würth Aviation arbeitet auf ähnlich hohem Niveau wie große Airlines. "In Ausbildung und Training stehen wir einer Lufthansa in nichts nach", behauptet Merz, der neben seinem Piloten-Job auch Geschäftsführer der Würth-Flugabteilung ist. Die verfügt derzeit über drei kleinere Citation-Business-Jets, eine dreistrahlige Falcon 50 und eine zwölfsitzige, ebenfalls dreistrahlige Falcon 900. "Die kostet neu rund 40 Millionen Dollar und schafft von hier zehnstündige Nonstop-Flüge", erklärt Merz. Erst kürzlich war er mit Würth-Managern auf einer zwölftägigen USA-Reise zu Kunden und Filialen, "da sind wir 19 Teilstrecken zwischen kleineren Orten im Inland geflogen, das wäre ohne Business-Jet überhaupt nicht zu schaffen".

Nur Vissmann und Würth betreiben eigene Flugplätze

Die Würth-Gruppe ist neben Heizungsbauer Viessmann das einzige deutsche Unternehmen, das für die Firmen-Luftflotte auch einen eigenen Flugplatz betreibt. Das unterscheidet beide von deutschen Dax-Konzernen, von denen ein Drittel ihre werkseigene Flugzeugflotte, aber keine Piste betreibt. Den größten Werksflugbetrieb unterhält der Volkswagen-Konzern mit neun Flugzeugen, darunter einem Airbus A319, und rund hundert Mitarbeitern. Bei Würth Aviation ist alles etwas kleiner: 2011 wurden von 15 Mitarbeitern genau 5816 Passagiere zu rund 150 Zielen weltweit befördert, von kurzen Rennstrecken etwa nach Altenrhein am Bodensee bis nach Atlanta, Melbourne und Peking, dabei 2336 Flugstunden absolviert.

Airbus A319 On Show At JetExpo As BAE Merger Talks Continue

Den größten Werksflugbetrieb unterhält der Volkswagen-Konzern mit neun Flugzeugen, darunter ein Airbus A319 (im Bild).

(Foto: Bloomberg)

Fliegen bei Würth hat Tradition, Unternehmer Reinhold Würth ist selbst passionierter Pilot und schaffte bereits 1966 eine viersitzige Cessna 172-Propellermaschine als Firmenflugzeug an. "Als junger Kaufmann habe ich damit Kunden in ganz Deutschland besucht, damals gab es in Bayern noch unasphaltierte Bundesstraßen", erinnert sich der 77-jährige Patriarch. Er sitzt heute noch jede Woche selbst am Steuerknüppel seiner Jets, egal ob für einen kurzen Sprung nach Lahr oder für eine Australien-Reise. Ganz schwäbischer Kaufmann ist Reinhold Würth ein kühler Rechner: "Wir produzieren auch in unserer Flugabteilung zu marktüblichen Preisen und können gut genug rechnen, was uns der Flugbetrieb bringt und was er kostet. Im Gesamtergebnis ist das für uns enorm vorteilhaft." Wie die ganze Business-Fliegerei sieht sich aber auch Würth Aviation mit Vorurteilen und Kritik konfrontiert. "Wir werden oft als 'Champagnerflieger' gesehen, dabei sind wir ein reines 'Business Tool', also ein Geschäftsinstrument", betont Steffen Merz. Allerdings umgibt sich die Branche nach wie vor mit viel Geheimniskrämerei, was sich schon darin zeigt, dass kein Business-Jet-Betreiber von BMW bis Würth sich traut, das jeweilige Firmenlogo auf den Flugzeugen zu zeigen.

"Die Charterfirmen verdienen kaum Geld"

Durch die Finanzkrise 2009 ist die Business-Fliegerei weltweit stark eingebrochen und erholt sich nur langsam. "Die Charterfirmen verdienen kaum Geld, der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv, die Flugpreise sehr niedrig", sagt Bernd Gans vom Branchenverband GBAA, in der die Betreiber von 160 deutschen Business-Jets organisiert sind. Heute lässt sich bereits für 2000 Euro je Flugstunde eine Cessna Citation mieten, ein Preis der kaum die Kosten deckt.

Gleichzeitig klagen die Geschäftsflieger über schlechte Behandlung. Etwa über "unverschämte Zustände" (Merz) am Geschäftsflieger-Terminal in Berlin-Tegel und der schwierigen Situation für Business-Jets in Berlin generell. Die GBAA fordert daher den Weiterbetrieb des Nordteils des alten Flughafens Berlin-Tegel für Privatjets und die Flugbereitschaft der Bundesregierung.

Auch kommende neue EU-Regeln zur Verteilung von Slots machen den Jet-Betreibern Sorge. "2011 hatten Business-Jets europaweit einen Anteil von 7,2 Prozent am gesamten Verkehrsaufkommen, das ist sehr wichtiger Verkehr für die Wirtschaft, wir haben daher ein Anrecht auf Slots", sagt Bernd Gans. Bisher gibt es Regelungen, nach denen etwa in Frankfurt seit Eröffnung der vierten Bahn zwei Slots pro Stunde für Business-Flieger zur Verfügung stehen. Diese Rechte sieht die GBAA durch die EU bedroht.

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