Bus-Unfall auf der A 9:Warum brannte der Unglücksbus von Münchberg so schnell aus?

  • Nach dem tragischen Busunfall in Münchberg mit 18 Toten und 30 Verletzten wird die Unglücksursache weiter untersucht.
  • Experten weisen nun darauf hin, dass die Brandschutzanforderungen für Busse nicht so streng sind wie bei Bahnen oder Flugzeugen.
  • So könnte es sein, dass die im Fahrgastraum verwendeten Kunststoffe die Brandwirkung begünstigt haben.

Von Markus Balser, Herbert Fromme, Max Hägler, München/Berlin

Was genau zum Busunfall in Oberfranken geführt hat und vor allem zu dem Brand, das steht auch am Tag danach noch nicht fest. Die Staatsanwaltschaft Hof ermittelt. Die Fahnder konzentrieren sich auf den Fahrer, der bei dem Unfall ums Leben kam, als möglichen Verursacher.

Fest steht: Die Mächtigkeit des Feuers erstaunt die Experten. "Alle Brandsachverständigen beschreiben, dass es absolut ungewöhnlich ist, mit welcher großen Geschwindigkeit sich hier das Feuer ausgedehnt hat", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts. Als die Feuerwehrleute nach etwa zehn Minuten zum Unfall gekommen waren, konnten sie fast nichts mehr ausrichten. Tatsächlich warnen Fachleute seit einigen Jahren vor Gefahren bei Busbränden. Im Durchschnitt breche jedes Jahr bei einem von 100 Bussen ein Feuer aus, besagt etwa eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Jahr 2014.

Wenn etwa eine Leitung leckt, kann sich Kraftstoff entzünden, das kommt bei Autos, Lastwagen und Bussen vor - und einige vermuten darin auch die Ursache für den Brand in Oberfranken. Die Gutachter widersprechen indes Spekulationen, denen zufolge das Fahrzeug bereits vor dem Zusammenstoß mit einem Lastwagen gebrannt habe. Bislang gibt es dafür keine Hinweise. Vieles spreche dafür, dass der Bus erst aufgrund der Kollision mit dem Anhänger des Lastwagens Feuer gefangen habe.

In neuen Reisebussen sind Brandmeldeanlagen verpflichtend in ganz Europa vorgeschrieben. "Das ist wichtig, um verdeckte Gefahren in nicht einsehbaren Bereichen, zum Beispiel im Motorraum festzustellen", sagt Wolfgang Sigloch vom Sachverständigenverein Dekra, die vor mehr als einem Jahrzehnt bereits auf dieses Risiko aufmerksam gemacht hatten. Zu 75 Prozent brechen die Feuer im Motorraum aus, meist sogar während der Fahrt, haben Forscher der Universität Magdeburg herausgefunden. Auch das Bundesamt hatte deshalb zum Einbau von Brandmeldern im Motorraum geraten, weil die wachsende Bordelektronik anfällig sei. Allerdings kritisierte das Amt schon damals: Es gebe bei einigen Sicherheitsmaßnahmen zu lange Übergangsfristen.

Sachverständige sehen die verwendeten Kunststoffe kritisch

Unklar ist deshalb, ob der Unfallbus - ein Modell des niederländischen Herstellers VDL - damit ausgestattet war. Er war drei Jahre alt und war zuletzt im April 2017 einer Sicherheitsprüfung vom TÜV ohne Beanstandung unterzogen worden, heißt es vom Omnibusverband BDO, bei dem das betroffene Unternehmen Mitglied ist.

Unabhängig von der Ursache des Brandes weisen Sachverständige darauf hin, dass die Fahrzeuge aufgrund moderner Materialen im Unglücksfalle eher schneller in Flammen aufgehen als früher. "Mit der Zunahme von Kunststoffen als Werkstoff für die Inneneinrichtung von Linien- und Reisebussen aufgrund der guten mechanischen Eigenschaften bei niedrigem Gewicht, komme die Frage auf, ob das Sicherheitsniveau bezogen auf Brände in den letzten Jahren gesunken sei - besonders auch im Vergleich mit anderen Transportmitteln", heißt es in der Studie des Bundesamtes. Wegen der Brennbarkeit dieser Materialien sei "die Hauptbrandlast in Busbränden oft nicht mehr der mitgeführte Brennstoff, sondern die Kunststoffe im Bus".

Laschere Vorschriften als bei Bahnen und Flugzeugen

Dabei seien die Vorschriften zum Thema Entflammbarkeit von Materialien bei Bussen "weniger scharf als etwa bei Bahnen und Flugzeugen", sagt Dekra-Experte Sigloch. Allerdings gebe es Unterschiede in der Nutzung. So ist nicht in jedem Eisenbahnwaggon Begleitpersonal an Bord - im Bus sitzt immer der Fahrer, oder wie im jetzigen Falle sogar zwei. Zudem sei ein Bus schneller zu evakuieren. So würden sich unter anderem auch die unterschiedlichen Vorgaben erklären, sagt Sigloch. Unterm Strich bleibe der Bus das sicherste Verkehrsmittel.

Die Materialfrage kennen auch Feuerwehrleute - und sehen sie kritisch. Sie fürchten Busbrände nicht nur wegen der Gefahr eines schnellen Abbrennens. "Bei einem Unfall bleibt den Rettern nicht viel Zeit", warnt Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehr-Verbandes. Die Evakuierung sei ähnlich schwierig wie in einem Flugzeug. "Die Gänge sind eng, Sitze lassen sich noch in den Gang verschieben", warnt Knorr. Busse hätten große Mengen an Treibstoff an Bord, die einen Brand beschleunigen könnten.

Unter dem Eindruck des Unglücks auf der A 9 und der Schwierigkeit für die Rettungskräfte, zum Unfallort vorzudringen, hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag schärfere Strafen angekündigt. Wer bei stockendem Verkehr auf Autobahnen oder Außerortsstraßen keine Gasse für Polizei- oder Hilfsfahrzeuge bildet, soll demnach künftig mindestens 200 Euro zahlen und bekommt zwei Punkte in Flensburg. Ist eine Gefährdung damit verbunden, sollen es 280 Euro plus zwei Punkte plus ein Monat Fahrverbot sein, mit Sachbeschädigung 320 Euro.

Den materiellen Schaden des Busunglücks am 3. Juli wird die Versicherungsgruppe R+V bezahlen. Das Unternehmen bestätigte, dass die Tochtergesellschaft Kravag Versicherer des Reisebusses ist. Wer oder was das Unglück ausgelöst hat, spielt für die Leistungspflicht des Versicherers keine Rolle. Der Versicherer muss den Bus ersetzen, das dürfte etwa 400 000 Euro kosten. Viel höher wird aber die Belastung aus möglichem Schadenersatz für die Angehörigen von Todesopfern, Bestattungskosten, Schmerzensgelder, Behandlungskosten und möglicherweise lebenslange Behindertenrenten sein. "Wir können überhaupt noch nichts zur Schadenhöhe sagen", erklärte eine Sprecherin der R+V. Das Unternehmen hat Betroffenen psychologische Hilfe durch die Human Protect Consulting in Köln angeboten, die ebenfalls zur Finanzgruppe gehört.

Eklatante Unterschiede in den Brandschutzanforderungen

Die Versicherer mussten schon mehrfach für Busbrände aufkommen. 2008 brannte ein Bus auf der Autobahn 2 aus, 20 Menschen starben. Im Dezember 2011 verursachte ein Feuer in einem Depot der Nahverkehrsgesellschaft Vestische Straßenbahnen in Bottrop einen Millionenschaden. 70 Fahrzeuge wurden zerstört. Der Schaden belief sich auf 22 Millionen Euro.

Auch die Versicherer haben deshalb schon die Brandgefahren bei Bussen untersucht. "Unter den öffentlichen Verkehrsträgern wie Schienenfahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen stellt im Brandfall der Bus das gefährlichste Fahrzeug für die Fahrgäste dar", stellen die Experten in der dem Fachblatt Schadenprisma des Verbandes öffentlicher Versicherer fest: "Und das obwohl beispielsweise Straßenbahnen und Stadtbusse beziehungsweise Reisebusse und Fernzüge in etwa gleiche Evakuierungsbedingungen aufweisen." Die Unterschiede der Brandschutzanforderungen seien eklatant.

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