Bus der Zukunft:Stadtbusse fahren früher autonom als Autos

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Testfahrt in Amsterdam: Der Mercedes Future Bus soll Anfang des nächsten Jahrzehnts in Serie gehen. (Foto: dpa)

Sie sind kostengünstiger, sicherer und lernen schnell: Selbstfahrende Busse bieten viele Vorteile. Erste Versuche finden bereits statt - und sie sind erfolgreich.

Von Joachim Becker

Die Stadt der Zukunft? Könnte womöglich aussehen wie Bangalore. Die indische Metropole zeigt die wilde Seite der Urbanisierung. Noch schneller als die Wirtschaft wachsen die Probleme durch Luftverschmutzung und chronische Überlastung der Straßen. Dabei ist Bangalore ein bedeutender Standort der Luft- und Raumfahrtindustrie und eines der wichtigsten IT-Zentren des Landes. Staus gehören trotzdem oder gerade deshalb zum Stadtbild. An Arbeitstagen nutzen mehr als die Hälfte der 8,5 Millionen Einwohner die erschwinglichen öffentlichen Verkehrsmittel. Doch die 6000 Busse haben kaum eine Chance gegen die Flut von Privat-Pkw.

Viel effizienter als das Chaos auf den Straßen von Bangalore sind separate Bus-Fahrspuren (Bus Rapid Transit, BRT). Solche Schnellbuslinien bilden überall eine günstige Alternative zu den teuren U-Bahnen. Jeder technische Fortschritt bei dieser Form der Personenbeförderung kann also eine globale Wirkung entfalten - wenn er bezahlbar bleibt. Das macht die Forschung an automatisierten Systemen hier besonders interessant. Denn die Fahrer sind für zwei Drittel der gesamten Kosten im Betrieb von Stadtbussen verantwortlich. Fahrerlose Systeme würden sich also schnell amortisieren. Selbst wenn sich die Busse vom überfüllten Massentransportmittel zu relativ privaten Kabinen weiterentwickeln würden - also zu einer Mischung aus Kleinbus und Auto. In den USA sind entsprechende Pilotprojekte in Vorbereitung.

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Er fährt selbständig Haltestellen an, bremst und lenkt zentimetergenau an den Bordstein. Diesen Bus steuert allein der Computer. Wir sind trotzdem mitgefahren.

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Klar ist auch in Europa, dass der fortschrittliche Nahverkehr elektrisch und vernetzt fährt. "Stadtbusse eignen sich ideal als lernende Plattform. Über ein Back-end in der Cloud können sie Informationen zum Wetter, zu den Straßenverhältnissen und zur Zahl der beförderten Personen austauschen. Der folgende Bus auf der Linie profitiert also von dem Wissen des vorausfahrenden", sagt Eric Sax. Mit seinem Informatik-Team war der Institutsleiter am Karlsruher KIT auch an der Entwicklung des Mercedes Citypilot beteiligt.

Die Stuttgarter haben ihren selbstfahrenden Future Bus 2016 in Amsterdam vorgeführt. Drei Tage lang lief der Testbetrieb vom Flughafen Schiphol über 20 kurvenreiche Kilometer bis zur Stadt Haarlem problemlos. Der komplett computergesteuerte Prototyp (mit Sicherheitsfahrer) erkannte Hindernisse und bremste automatisch, kommunizierte mit Ampeln und steuerte Haltestellen zentimetergenau an. Anfang des nächsten Jahrzehnts soll der Citypilot als Assistenzsystem in Serie gehen und den öffentlichen Nahverkehr sicherer sowie effizienter machen.

Schwierigkeiten im Tunnel und im Winter

Sicherheit im Stadtverkehr ist gar nicht so einfach. Denn das System soll nicht nur Hindernisse frühzeitig erkennen, sondern auch den Fahrweg vorausschauend planen. Damit die Fuhre wie auf virtuellen Schienen läuft, muss sie zudem wissen, wann die nächste Kurve oder Abzweigung kommt. Zentimetergenau wohlgemerkt, denn ein Fahrzeug von zwölf Metern Länge, das auslädt und pendelt, lässt sich schwierig automatisiert in der Spur halten. "Wie bei allen ähnlichen Showcases weltweit sind wir vorher die Strecke abgefahren, um die Lokalisierung per Kamera unter allen Wetterbedingungen hinzubekommen", verrät Sax.

Doch in Tunneln hilft die GPS-Navigation nicht mehr weiter und selbst Kameras haben mit den unterschiedlichen Lichtbedingungen Schwierigkeiten. Noch eine Woche vor dem Event driftete der Future Bus auf die Gegenfahrbahn. Wie weit der Weg bis zur Serienreife ist, zeigte auch eine andere Überraschung: "Im Testbetrieb funktionierte das System nicht mehr, weil die Kamerabilder aus dem Winter nicht mehr dem Straßenbild im Frühling entsprachen", so Sax.

Im Nutzfahrzeug rechnet sich die automatisierte Technik leichter

Fazit des Forschers: "Wir sind weit davon entfernt, in einem Bereich hoch automatisiert zu fahren, der für das System unbekannt ist." Deshalb sieht Eric Sax viel mehr Automatisierungspotenzial bei Stadtbussen als bei Pkw, in denen man bei 200 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn Zeitung lesen kann. Anders als ein Privatauto "kennt" ein BRT-Bus seine Strecke. Vorausgesetzt, er bewegt sich mit eingebauter Vorfahrt auf einer reservierten Fahrspur und muss nicht ausweichen. Damit entfällt eine der schwierigsten Übungen für automatisierte Systeme im dichten Stadtverkehr.

Die zusätzliche Technik wird Roboterautos für Privatleute ohnehin schon teuer genug machen. Beim Einsatz in Nutzfahrzeugen rechnet sich das leichter, wie ein Beispiel des Experten zeigt: "Die Stadt Stuttgart braucht pro Jahr 3000 neue Busreifen für knapp 300 Busse. Viele davon, weil die Fahrer möglichst nah an die Bordsteine fahren wollen, um Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen das Einsteigen zu erleichtern." Die Alternative zu diesem Reifen-mordenden Service sei eine hochgenaue Anfahrt mit zehn Kilometer pro Stunde per Autopilot. Das sei ein sofort umsetzbares Geschäftsmodell, das jedem Betreiber von Stadtbussen auf Anhieb einleuchte. Auch das automatisierte Rangieren auf Betriebshöfen könne pro Jahr mehrere Hunderttausend Euro sparen, weil Bagatellschäden vermieden würden.

Ganz ohne Sicherheitsfahrer werde es trotz aller Automatisierung aber noch längere Zeit nicht gehen, erwartet der Professor. Perspektivisch ließen sich mit so einem System allerdings die Lenkzeiten verlängern, weil der Fahrer auf einfachen Abschnitten während der Fahrt Pause machen könne. Von den Kosten her sei die teure Technik kein Problem, denn die Abschreibung auf den Kaufpreis eines Stadtbusses liegen mit zwölf Prozent noch unter den Kraftstoffkosten. Investitionen in den Fortschritt rentieren sich also schnell. Damit der Verkehr trotz Urbanisierung nicht endet wie in Bangalore.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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