Luftverschmutzung:So könnte das Urteil zum Diesel-Fahrverbot ausfallen

  • Am heutigen Dienstag soll am Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung fallen, ob künftig Diesel-Fahrverbote möglich sind.
  • Der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher hatte das Urteil am vergangenen Donnerstag nach einem mehr als vierstündigen Rechtsgespräch vertagt.
  • Der Ausgang des Verfahrens gilt als völlig offen. Drei Szenarien sind wahrscheinlich.

Von Thomas Harloff

Eigentlich sind vier Stunden gar nicht so lang, wenn man bedenkt, worum es in dem Rechtsgespräch am vergangenen Donnerstag ging: um Fragen des Europarechts, des Bundesimmissionsschutzgesetzes, der Straßenverkehrsordnung. Erörtert wurde auch, ob Diesel-Fahrverbote in der Praxis überhaupt kontrolliert werden können und was schwerer wiegt: Umweltbelange oder dass fast zehn Millionen Dieselautos wahrscheinlich massiv an Wert und ihre Besitzer damit viel Geld verlieren würden. Nach gut vier Stunden sah der Vorsitzende Richter des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, Andreas Korbmacher, daher immer noch "erheblichen Beratungsbedarf" - und vertagte die Entscheidung auf den heutigen Dienstag.

Im Verlauf dieses Rechtsgesprächs zeigte sich keine klare Tendenz, wie Korbmacher urteilen wird. "Es ist alles noch offen, wir sind aber deutlich optimistischer", sagte deshalb Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die geklagt hatte. Ein Anwalt der beklagten Landesregierung Baden-Württemberg (es geht außerdem um ein Verfahren gegen Nordrhein-Westfalen) sieht in der Vertagung dagegen "ein gutes Zeichen für uns". Man habe den Senat zum Nachdenken gebracht.

Allein diese Einschätzungen zeigen: Noch weiß keiner, wie die Sache ausgehen könnte. Dies sind die drei wahrscheinlichsten Szenarien.

1. Das Bundesverwaltungsgericht ermöglicht Diesel-Fahrverbote

Das Bundesverwaltungsgericht würde damit keine Fahrverbote verhängen und sie auch nicht anordnen, sondern lediglich einen Rechtsrahmen schaffen. Die städtischen Behörden in Stuttgart und Düsseldorf müssten jedoch ihre Luftreinhaltepläne nachbessern und darin Sperrzonen für bestimmte Pkw verankern. Sie könnten nun festlegen, in welchen Straßen Fahrverbote gelten sollen und wer Ausnahmegenehmigungen bekommt, etwa Anwohner mit Behinderung oder Handwerker. Dies dürfte aber dauern, mit Fahrverboten wäre frühestens in Monaten oder gar Jahren zu rechnen.

Konkret betroffen wären Dieselfahrzeuge, die nur die Abgasnorm Euro 5 oder schlechter erfüllen, sowie Benziner mit Euro 2 oder schlechter. Diesel mit der Abgasnorm Euro 6 und Benziner mit Euro 3 oder besser dürften weiterhin uneingeschränkt in allen deutschen Innenstädten fahren. So sah zumindest das ursprüngliche Konzept aus. Richter Korbmacher brachte am vergangenen Donnerstag zudem ein sukzessives Vorgehen ins Spiel. Denkbar sei, zunächst Diesel der Abgasnorm Euro 4 (galt von 2005 bis 2009) und später Euro-5-Fahrzeuge (2009 bis 2014) mit einem Fahrverbot zu belegen. Er appellierte an die Behörden, sich mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit Gedanken über eine Zeitschiene zu machen.

Das Urteil wäre ein Erfolg für die Umwelthilfe. Die Landesregierungen würden mit ihren Revisionen gegen Urteile der lokalen Verwaltungsgerichte scheitern, die bereits zugunsten der DUH ausfielen.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hält Diesel-Fahrverbote für nicht zulässig

Damit würde das Bundesverwaltungsgericht anders entscheiden als die Vorinstanzen. Alles bliebe beim Alten, für Dieselfahrer würde sich vorerst nichts ändern. Es wäre ein Erfolg für die Landesregierungen, die stets argumentierten, dass Fahrverbote derzeit gar nicht zu kontrollieren seien. Die Behörden müssten dazu Autos anhalten und in die Papiere schauen. Das sei nicht praktikabel.

Sollte Korbmacher gegen Fahrverbote urteilen, könnte der Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums vom Wochenende eine Rolle gespielt haben. Demnach soll eine Rechtsgrundlage für "streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoffdioxid)" geschaffen werden. Kommunen hätten also die Möglichkeit, stark belastete Straßen oder Stadtbereiche für alle oder bestimmte Fahrzeuge zu sperren.

3. Das Bundesverwaltungsgericht leitet das Verfahren an den EuGH weiter

Dieses zuvor eher unwahrscheinliche Szenario gewann während des Rechtsgesprächs an Relevanz. Korbmacher warf am Donnerstag die Frage auf, ob das EU-Recht nicht eine andere Betrachtung der Verbotsfrage verlange. Der EuGH werde zunehmend ungeduldig über Verstöße gegen die Luftreinhaltevorschriften. Die DUH rechnet dagegen damit, dass Korbmacher selbst urteilt. "Wir gehen fest davon aus, dass das Gericht entscheiden wird. Wir wollen auch eine nationale Entscheidung", sagte Bundesgeschäftsführer Resch nach der Verhandlung.

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