Buffalo Bike in Afrika:Wie Fahrräder Entwicklungshilfe leisten

World Bicycle Relief
Foto: Gareth Bentley 2014

370 000 Buffalo Bikes gibt es weltweit. Der Rahmen entsteht in China, die Endmontage erfolgt in Afrika.

(Foto: World Bicycle Relief)

Das Buffalo Bike ist schwer, klobig, unverwüstlich. Mit den Rädern kommen die Ärmsten zur Schule und bringen Ärzte Medikamente in entlegene Dörfer. Ein riesiger Zugewinn für Afrika.

Von Michael Bauchmüller

Manchmal liegt Frederick K. Day mitten in der Nacht wach und grübelt über sein Fahrrad. Irgendwo müssen sich doch noch ein paar Dollar sparen lassen! Oder vielleicht ein paar Gramm! "Ich habe immer das Gefühl, wir können noch irgendetwas ganz anders konstruieren", sagt Day. Irgendetwas für den ganz großen Durchbruch. Denn Days Ziel ist eine Jahresproduktion von einer Million Fahrrädern. Ums große Geld geht es dabei allerdings nicht. Die Zeiten sind vorbei.

1987 hatte Day mit seinem Bruder Stanley zusammen den Fahrradteile-Hersteller Sram in Chicago gegründet. Am Anfang war es vor allem ein Teil, das der Firma half: die in den Lenkergriff integrierte Schaltung, der "Grip shift". Seither dreht sich im Leben des F.K. Day alles um Fahrräder - nur eben mittlerweile ganz anders: Was ihn nachts um den Schlaf bringt, sind die Feinheiten des Buffalo Bike, so ziemlich das Gegenteil eines schnittigen City-Rads. Stahlschwer, klobig, unverwüstlich: Mit weltweit bisher 370 000 dieser Fahrräder kommen die Ärmsten zur Schule oder in den nächsten Ort. "Ist zwar auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Day. "Aber ein Anfang."

Die Idee zum Fahrrad als Entwicklungshilfe kam den Sram-Leuten nach dem Tsunami in Sri Lanka. Statt Geld spendeten sie damals zusammen mit anderen 24 000 Fahrräder an betroffene Dörfer. Geplant war das als einmalige Aktion, aber es kam anders. Wer den Opfern eines Tsunamis helfen kann, der kann sich ja vom Rest der Armen nicht einfach so abwenden. So entstand die "World Bicycle Relief" und das zugehörige Rad: Stahlrahmen, Stahlgepäckträger, Stahllenker, Stahlräder. Rücktrittbremse, keine Schaltung, eine schmale Halterung für die Beleuchtung.

Es gibt Fotos, auf denen fahren halbe Familien damit durch den Busch, der Gepäckträger ist für 100 Kilogramm Last ausgelegt. Für deutsche Kellertreppen ist das Fahrrad ungefähr so gut geeignet wie das vom Postboten. In Afrika gibt es aber keine Kellertreppen. "Ideal für sambische Straßen", wirbt ein Anbieter in Lusaka.

Medikamententransporte per Fahrrad

Das wissen auch die Mitarbeiter von Path. Die amerikanische Organisation kämpft unter anderem in Sambia gegen die Malaria, bringt Medikamente und Mediziner - auch mit dem Fahrrad. "Sambia hat die Größe von Texas, aber nur halb so viele Einwohner", sagt Todd Jennings, der für Path dort arbeitet. "Vor allem in der Regenzeit ist das Straßennetz sehr beschränkt." Gäbe es da nicht das Buffalo.

23 000 von den Fahrrädern sind nun gegen die Malaria im Einsatz, sie gehören zur Ausrüstung der freiwilligen Gesundheitshelfer. Mit dem Rad machen die sich auf den Weg selbst in die entlegensten Dörfer, sie gehen jedem Malaria-Verdacht nach und testen Angehörige und Nachbarn der Erkrankten. Wer Malaria hat, wird behandelt. "Den Kampf gegen die Krankheit gewinnt man nur auf der Ebene der Haushalte", sagt Jennings. "Und die Fahrräder gewähren den Zugang, damit das passiert."

Ein riesiger Zugewinn an Produktivität

Logischerweise ist auch Day von dem Projekt ganz angetan. "Da kommt die ganze Magie zum Vorschein", sagt er. "Das ist, als würden wir eine Maschine ölen." Denn wer sich mit dem Fahrrad auf den Weg mache, könne sich um mehr Menschen kümmern: Es braucht weniger Zeit, sie zu erreichen. Die Rolle des Fahrrads für die Entwicklungshilfe ist bislang nur unzureichend gewürdigt worden, dabei macht es überall einen Unterschied.

Für Bauern etwa: Wer verderbliche Lebensmittel verkaufen will, der darf es nicht weit zum nächsten Markt haben. Mit dem Fahrrad aber lassen sich nun literweise Milch, ganze Käfige mit Hühnern transportieren. Für Kleinbauern in Afrika ist das ein riesiger Zugewinn an Produktivität - sie können mehr verdienen. "Wenn man so ein Fahrrad dann nach fünf Jahren wiedersieht, dann sieht es aus like hell", sagt F.K. Day. "Aber genau so muss es sein."

World Bicycle Relief
Buffallo Bike

Das Buffalo Bike ist simpel konstruiert. Das vereinfacht die Wartung.

(Foto: World Bicycle Relief)

Gefertigt in China, montiert in Afrika

Entsprechende Initiativen gab es schon reichlich, mal sponserten sie den Transport ausgemusterter Fahrräder aus Europa, mal den Aufbau von Fahrrad-Werkstätten in Mosambik. Eine Kieler Firma lässt gar in Ghana Bambus-Fahrräder fertigen, als hippe Alternative zum herkömmlichen Fahrrad für Europa. Aber ein massentaugliches und zugleich günstiges Fahrrad für Afrika, das ist neu.

Gefertigt werden die Rahmen in China, montiert aber wird in Afrika. In Kenia, Sambia, Malawi und Simbabwe werden die Räder in eigenen Fabriken zusammengebaut, insgesamt 1700 Mechaniker sind inzwischen für Montage und Wartung ausgebildet. Wegen der simplen Bauweise ist an dem Fahrrad allerdings nicht viel zu warten. Knapp 32 000 Fahrräder wurden in diesem Jahr bisher gefertigt, zwei Drittel gingen für 120 bis 140 Euro in den Verkauf. Das restliche Drittel gibt es nur mit einem Deal: Bildung gegen radeln.

Radeln - in eine andere Zukunft

Denn wer kostenlos ein Fahrrad will, soll etwas dafür tun: Schüler dürfen den "Büffel" nur dann behalten, wenn sie ihn zwei Jahre lang für den Schulweg benutzen - und die Schule so lange fortführen. Das wird vorab vertraglich vereinbart. Und weil Mädchen in vielen Entwicklungsländern beim Schulbesuch benachteiligt sind, gehen 70 Prozent der Schulräder an Mädchen. Mehr als 120 000 Schülerinnen und Schüler seien mittlerweile auf die Weise mobil geworden.

Andere aber machen es wie die Frau aus Simbabwe, die kürzlich beim örtlichen Buffalo-Händler in der Hauptstadt Harare auftauchte. Sie hatte sich in ihrem Dorf auf den Weg gemacht und 150 Kilometer zu Fuß zurückgelegt, um sich ein Fahrrad zu kaufen - mit 161 Ein-Dollar- Noten, mühsam angespart. Danach radelte sie heim. In eine andere Zukunft.

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