Brennstoffzelle statt Elektroantrieb:Wirklich erst übermorgen?

Viele Hersteller sind sich sicher, dass das kleine Bordkraftwerk der bessere Antrieb ist. Mittels schmucker Testfahrzeuge wollen einige Konzerne die politischen Entscheider überzeugen.

Susanne Kilimann

Batteriegestützte Elektroautos werden noch auf unbestimmbar lange Zeit das Problem der eingeschränkten Reichweite haben. Mit Schnellladeoptionen und dem Aufbau einer Infrastruktur für den schnellen Akkuaustausch will die Industrie Lösungen anbieten. Doch ob die auf unbegrenzte Mobilität geeichte Kundschaft solche Einschränkungen akzeptiert, muss sich erst noch zeigen. Verschiedene Autobauer wähnen sich daher mit der Brennstoffzellentechnologie auf der besseren Seite - weil man dem Kunden damit heute schon die gleichen Reichweiten bieten kann, die er von einem Benzin- oder Dieselfahrzeug kennt.

Bei Honda, einem der Brennstoffzellenpioniere, lief 2008 der erste FCX Clarity vom Band. Eine gut 4,80 Meter lange Limousine mit Brennstoffzelle, die von einem 100 kW/136 PS starken Elektromotor angetrieben wird. Produziert wurden bislang aber nur ein paar Hundert Einheiten - vor allem für die Testflotte, die im Sommer 2008 in Kalifornien an den Start gegangen ist.

In dem US-Bundesstaat, in dem die Spritspareuphorie in besonderem Maße kursiert, wird der Japaner mit der Brennstoffzelle ausgewählten Testkunden für eine monatliche Leasingrate von 600 Dollar zur Verfügung gestellt. Etwa zur gleichen Zeit lieferte auch Chevrolet sein Brennstoffzellenmodell "Equinox Fuel Cell" an Testkunden in New York und Südkalifornien aus.

In Europa dagegen werden die Autos mit dem kleinen Bordkraftwerk, das durch die Reaktion von Wasserstoff und dem Sauerstoff aus der Luft elektrische Energie erzeugt, noch überhaupt nicht vermarktet. Denn hier steckt der Aufbau der erforderlichen Infrastruktur noch in den Kinderschuhen.

Im vergangenen Jahr gab es laut einer Auswertung des TÜV weltweit 206 Wasserstofftankstellen - 92 davon auf dem nordamerikanischen Kontinent, 70 über ganz Europa verteilt. Um den Ausbau des Netzes im großen Stil voranzutreiben, braucht es entsprechende Subventionierungskonzepte - die Einführung der Technologie braucht also die Unterstützung der Politik.

Um die Entscheidungsträger der Europäischen Union von den Vorzügen der Brennstoffzellentechnik zu überzeugen, stelle man den FCX Clarity auch in Brüssel immer wieder vor, heißt es bei Honda Europe in Offenbach.

Toyota ist startbereit - wenn die Politik es will

Ähnlich sieht man das bei Toyota. Im Frühling 2010 schickte der Autobauer zwei stattliche SUV mit Brennstoffzellenantrieb nach Berlin. Die Fahrzeuge haben bereits einige Tausend Testkilometer in den USA zurück gelegt. Auch in Deutschland sollten die komfortablen Dickschiffe, bei denen nichts als Wasserdampf aus dem Auspuffrohr entweicht, ordentlich Eindruck schinden.

Ab 2015, heißt es bei Toyota, könnten Brennstoffzellenautos in Serie gehen - wenn der Markt, wenn der Verbraucher, wenn die Politik dies wünscht, wenn die Weichen auf Wasserstoff-Kurs gestellt werden.

Die SUVs, die Toyota seit zwei Jahren unter dem Kürzel FCHV-adv in kleinen Testflotten laufen lässt, verfügen bereits über ein hohes Maß Alltagstauglichkeit. So gehören die schlechten Kaltstarteigenschaften früherer Brennstoffzellen-Vehikel nach Aussagen der Entwickler der Vergangenheit an.

Durch eine optimierte Anordnung der Elemente vereist die Polymer-Elektrolyt-Membran, das Herzstück der Brennstoffzelle, auch bei minus 30 Gran Celsius nicht mehr. Sogar am kältesten Tag des deutschen Super-Winters habe man die Testfahrzeuge bei minus 37 Grad verlässlich starten können, so Toyotas Technik-Experte Dirk Breuer.

In Sachen Reichweite haben die Japaner mit ihrer zweiten FCHV-Generation auch respektable Fortschritte erzielt. Musste das Vorgängermodell noch alle 350 Kilometer einen Tankstopp einlegen, so kommt FCHV-adv mit einer Tankfüllung nun schon 600 Kilometer weit. Ermöglicht wird dies durch den neuen Hochdruck-Wasserstofftank. Der kann mit 700 bar statt wie bisher mit 350 bar befüllt werden, und dadurch 156 statt 148 Liter Wasserstoff aufnehmen.

Bei der Entwicklung des Wasserstofffahrzeugs hat Toyota von der Erfahrung mit dem Hybridmodell Prius profitiert. Der FCHV-adv verfügt ebenfalls über einen Hybrid-Antriebsstrang. Auch hier liefern verschiedene Kraftspender mal einzeln, mal im Verbund, die benötigte Antriebsenergie.

Beim Anfahren und bei niedriger Geschwindigkeit bedient sich der 90 kW / 122 PS starke Elektromotor direkt aus der Nickel-Metall-Hybridbatterie, die zurückgewonnene Bremsenergie speichert. Wird bei starken Beschleunigungsmanövern die volle Power benötigt wird, liefern Batterie und Brennstoffzelle gemeinsam den Strom fürs Elektroaggregat. Ist der Wagen mit gleichmäßiger, höherer Geschwindigkeit unterwegs, bezieht der E-Motor seine Kraft allein aus dem Brennstoffzellen-Stapel.

Keine Technik ohne Makel

Ganz ohne Makel ist auch diese Technik nicht. Das Brennstoffzellenkraftwerk büßt im Laufe der Zeit kontinuierlich an Leistung ein. So werden nach fünf Jahren nur noch etwa 95 Prozent, nach 15 Jahren noch 80 und nach 25-jähriger Betriebsdauer nur noch gut 70 Prozent der ursprünglichen Leistung erreicht, haben Berechnungen der Toyota-Ingenieure ergeben.

Damit stehe die Brennstoffzelle im Vergleich zum batteriegestützten Elektrofahrzeug aber immer noch glänzend da, betont der Autobauer. Denn eine wie auch immer geartete Batterie, die nur annähernd vergleichbare Lebensdauer vorzuweisen hat, sei derzeit überhaupt nicht in Sicht.

Das eigentliche Problem aber ist die Erzeugung von Wasserstoff, die noch immer aufwendig und teuer ist. Schwer kalkulierbar sind daher die Kosten, die auf künftige Brennstoffzellenfahrer zukommen werden. Momentan kostet das Kilo Wasserstoff an einer Berliner Tankstelle acht Euro, ein volle Tankladung für den FCHV-adv schlägt damit mit etwas mehr als 50 Euro zu Buche.

"Aber das ist ein politischer Preis", sagt Carsten Retzke, der sich bei der Total Deutschland GmbH um das Projekt Wasserstoff kümmert. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird Wasserstoff zur Zeit hoch subventioniert. Welche Wasserstoff-Preispolitik den Regierenden in den kommenden Jahren einschlagen werden, ist derzeit völlig ungewiss.

Unterdessen treiben auch andere Autobauer das Thema Brennstoffzelle voran. Bei Opel etwa läuft der HydroGen 4 in einer Stückzahl von 100 Einheiten in den Fuhrparks ausgesuchter Unternehmen und bei öffentlichen Versuchsreihen in allen Teilen der Welt. Bei der Fahrzeugtechnik seien die technischen Hürden gelöst, so Lars Peter Thiesen, der bei Opel für die Einführung der Wasserstofftechnik verantwortlich ist.

Daimler hat ebenfalls ein Brennstoffzellenprojekt laufen und will nach derzeitigen Stand im Jahr 2015 ein entsprechendes Serienfahrzeug vom Stapel lassen. Derzeit gibt auch Hyundai mächtig Gas, wenn es um die Brennstoffzelle geht. 2012 wollen die Koreaner den Startschuss für die Serienproduktion ihres ersten Fuel Cell Cars geben. Und für 2015, wenn bei den Mitbewerbern erstmals größere Stückzahlen von den Bändern rollen sollen, planen die Koreaner bereits eine Aufstockung der Produktion - auf 10.000 Einheiten pro Jahr.

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