Süddeutsche Zeitung

Brennstoffzelle:Mission ohne Emission

Eine Weltumrundung hat gezeigt, dass die Brennstoffzelle als Energielieferant noch nicht aus dem Rennen ist.

Joachim Becker

Im smoggeplagten Los Angeles hat die Zukunft längst begonnen. Mit fünf Wasserstofftankstellen ist die Metropole ein Vorbild für nachhaltige Mobilität. Nirgends sonst sind Brennstoffzellenfahrzeuge ein derart vertrauter Anblick.

Das könnte Vorbild für die Energiewende im Straßenverkehr sein: Hunderte flacher F(uel) Cells, die wie Seiten eines Buches aufeinanderliegen, liefern in den Autos genügend Strom für einen 100-kW-Elektromotor.

Wie bei einem ICE-Zug ist während der Fahrt das leise Sirren der E-Maschine kaum zu hören. Anders als bei der Bahn wird der Strom aber an Bord erzeugt: Die Reaktion von Wasserstoff und Luftsauerstoff hinterlässt nichts als Wasserdampf.

Die Technologie ist mittlerweile nahe an der Praxistauglichkeit. Das hat der F-Cell World Drive gezeigt, bei dem der alternative Antrieb auf Welttournee ging: Bis zum ersten Juni waren drei Mercedes B-Klasse Brennstoffzellenfahrzeuge durch 14 Länder und vier Kontinente unterwegs.

Keiner der Energiespender hatte auf der 30.500 Kilometer langen Strecke einen technischen Defekt. Steht die Wasserstoffzukunft also schon in den Startlöchern?

Nicht ganz. Wer heute mit Wasserstoff um die Welt fahren will, braucht eine enorme Logistik. Beim F-Cell World Drive wurden 56 Tonnen Automobil in einem Jumbojet von Kontinent zu Kontinent geflogen. 16 Begleitfahrzeuge samt Werkstattwagen mit 1850 Ersatzteilen stellten sicher, dass die Autos immer topfit waren.

Brennstoffzellenfahrzeuge sind zu 80 Prozent baugleich mit reinen Elektroautos. Ihr großer Vorteil sind die hohe Reichweite und die Form der Energiespeicherung. Anders als Batteriemobile, die stundenlang an der Steckdose hängen, können sie spontan nachgetankt werden. Wie bei einem Erdgasauto wird der Kraftstoff in wenigen Minuten an einer Säule gezapft.

Allerdings sind 700 bar Hochdruck nötig, um den flüchtigen Wasserstoff für eine akzeptable Reichweite zu verdichten. Zum Tross des F-Cell World Drive gehörte daher ein fünf Tonnen schwerer Kleinlaster, der als mobile Tankanlage fungierte. Angeliefert wurde der Kraftstoff in Tankwagen des Projektpartners Linde.

Mit den 200 bar aus dem Lkw wäre die B-Klasse F-Cell jedoch keine 400 Kilometer weit gekommen. Erst der große Kompressor, der beim Druckaufbau wie ein Büffel vor und zurück wippt, machte 700-bar-Boxenstopps in den abgelegensten Gegenden Chinas oder Kasachstans möglich.

Apropos Boxenstopp: Mit dem Spektakel, das Verbrennungsmotoren mitunter veranstalten, haben Brennstoffzellenfahrzeuge nichts gemeinsam. Ihr Elektromotor dreht zwar so hoch wie ein Renntriebwerk.

Anders als der Name vermuten lässt, lodert in Brennstoffzellen aber kein Feuer. Statt Explosionen im Zylinder löst der Dreh am Zündschlüssel schon bei 80 Grad eine kalte Wasserstoffreaktion aus. Mit dem "hausgemachten" Strom, der zwischen den Polen fließt, spurtet zum Beispiel die B-Klasse F(uel)-Cell in 11,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100.

Gebremst wird der Elan durch die drei schweren Wasserstofftanks im Unterboden: 1,7 Tonnen Gesamtgewicht sind viel für ein Kompaktauto - aber vergleichsweise wenig für Elektrofahrzeuge mit alltagstauglicher Reichweite.

Das schwächste Glied in der abgasfreien Mobilitätskette ist die Infrastruktur. Derzeit gibt es nur etwa 200 öffentliche Wasserstoff-Tankstellen auf der ganzen Welt.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2011/gf
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