Süddeutsche Zeitung

Brenner-Basistunnel:Durchbruch am Brenner

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Die große Röhre ist beschlossene Sache: 25 Jahre nach den ersten Überlegungen wollen Italien und Österreich den Eisenbahn-Basistunnel zwischen Innsbruck und Franzensfeste nun endlich bauen.

Von Michael Frank

Die große Röhre ist beschlossene Sache: Der Alpenhauptkamm wird durchbohrt für den einmal zweitlängsten Eisenbahntunnel der Welt. Er soll Güterströme in Nord-Süd-Richtung auf der Bahn bündeln und die Plage des Lastwagenverkehrs auf dem Weg über die Berge bändigen helfen.

Österreich und Italien haben sich endlich auf das epochale Bauwerk geeinigt. Für Verkehrsplaner ist der Brennerbasistunnel schiere Notwendigkeit; für Ökologen ein wichtiger Schritt zum Schutz der Alpen und für die Bevölkerung Nord- und Südtirols ein ganz kleiner Sieg über die stetig größer werdende Blechlawine, die das Land mit Lärm und Abgasen heimsucht. So gilt der Beginn der Arbeiten für viele nur als verzagter Endpunkt einer blamablen Serie politischen Versagens.

Plötzlich geht's auch um Umweltschutz

Denn ursprünglich sollte der Tunnel Kernstück einer großzügigen Tunnelmagistrale vom bayerischen Oberland bis Trient (Trento) im Etschtal oder gar Verona sein - eines kühnen, großräumigen und deutlich umweltschonenderen Projekts. Schon vor knapp 25 Jahren angegangen, ist davon nur der Basistunnel übriggeblieben.

Wäre es nach den düsteren Prognosen von Umweltschützern und Verkehrsplanern für die Entwicklung des Lastentransports über die Alpen gegangen - deren Zahlen schon längst übertroffen wurden - hätte der Tunnel schon im Jahr 2000 in Betrieb gehen müssen, um Umwelt und Bevölkerung zu entlasten. Aber die Politiker, obgleich sie es nicht an umweltbeflissenen Bekundungen fehlen ließen, hielten sich lange Zeit eher an das Motto: "Freie Fahrt zum Mittelmeer." Trotz der Proteste der Nord- und Südtiroler, die auch vor Autobahnblockaden nicht zurückschreckten, ging es mit der Alpendurchquerung lange nicht voran.

Österreichs Bundesregierung, die sich heute gern als Umweltschützerin feiern lässt, belächelte den Widerstand gegen den Alpentransit lange als Tiroler Folklore. Als Anfang der Achtzigerjahre die Schweiz erste Maßnahmen gegen Transitverkehr unternahm, feixte man in österreichischen Medienberichten über die innovationsfeindlichen Nachbarn. Auch in der Hoffnung auf Mautgebühren lockte Österreich den heute bejammerten Schwerlastverkehr noch über den Brenner. Legendär wurde der Satz, mit dem Tirols früherer Landeshauptmann Eduard Wallnöfer den Bau der Brenner-Autobahn feierte: "Verkehr bringt Leben."

Nun ist die neue Alpen-Untergrundbahn zwar beschlossen, die Finanzierung allerdings noch nicht. Je 30 Prozent der auf sechs Milliarden Euro veranschlagten Baukosten werden Österreich und Italien tragen, die Zusage der EU für das letzte Drittel steht noch aus. Wiens Hoffnung, auch Deutschland finanziell direkt am Tunnelbau zu beteiligen, ist gescheitert. Das Geld soll nun jeweils aus dem Etat und aus Sondermauten für Lkw kommen.

Auch wenn die Frachtfirmen jammern, rechnen sich Lastertransporte nach wie vor. Legendär geworden ist in Österreich das Beispiel der deutschen und holländischen Frühkartoffeln. Diese karrt man aus Kostengründen per Lkw über den Brenner nach Norditalien, wo man sie wäscht und verpackt, sie dann wieder nach Norden kutschiert, um sie dort zu verkaufen, wo sie gewachsen sind.

Der zweitlängste Tunnel der Welt - und doch nur eine Minimallösung

Die Brenner-Bahnröhren werden jedoch allenfalls den weiteren Zuwachs an Transporten auffangen, der sonst zusätzlich die Alpen überrollen würde: Die EU erwartet bis 2020 ein Anwachsen um weitere 55 Prozent.

Dabei ist das, was jetzt angebohrt wird, das größte Infrastrukturprojekt der EU sowie der nach dem 57 Kilometer langen Gotthard zweitlängste und leistungsfähigste Bahntunnel der Welt - und doch nur eine Minimallösung.

Vom Jahr 2022 an sollen auf 56 Kilometern zwischen Innsbruck und Franzensfeste (Fortezza) nördlich von Brixen in zwei getrennten eingleisigen Röhren täglich mehr als 400 Züge rollen, 80 Prozent davon Güterzüge. Die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 250 Kilometer pro Stunde wird die Fahrzeit von Innsbruck nach Bozen von zwei Stunden auf eine Dreiviertelstunde verkürzen.

Zusätzlich wird ein acht Kilometer langer Tunnel gebaut, der Innsbruck umgeht. Umfassendere Projekte sahen einmal ein Tunnelsystem mit bis zu elf Röhren vor, vom Alpenvorland bis nach Verona. Der gesamte Alpenstock sollte unterfahren werden. Andere Pläne führten die Bahntrassen in Grabenbauten diskret an der Gebirgsflanke entlang. Sie wurden aber als nicht finanzierbar verworfen, obwohl eine offizielle Rechnung nie präsentiert wurde. Und Bayern verweigerte von vornherein jede neue Infrastruktur im Oberland.

Nahe der Gemeinde Mils, wo die Zufahrt zum Brennertunnel von Kufstein her das Inntal quert, steht die Tirol-Kapelle. 1986 hat man das Heiligtum erbaut und der Mutter Gottes geweiht: Möge sie, die Drachentöterin, den lauten und giftigen Lindwurm Transitverkehr durchs "Heilige Tirol" bannen. Das Kapellchen wird auch künftig reichlich Pilger anziehen. Denn auch mit Tunnel wird die Bahn davor durchs Inntal rollen, wie durchs Eisack- und Etschtal in Südtirol auch.

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Quelle:
SZ vom 12.7.2007
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