Süddeutsche Zeitung

Messe "Boot":Schwimmen im Geld

Luxusyachten sind das Statussymbol der Superreichen. Die neue Generation der Internet-Milliardäre setzt allerdings auf Understatement statt auf Prunk, wie auf der Düsseldorfer Messe "Boot" zu besichtigen ist.

Von Ulrike Sauer

Halle 6 platzt aus allen Nähten. Noch bis Sonntag bringen die Werften hier auf der "Boot" in Düsseldorf ihre Superyachten in Stellung. Manche Hersteller pferchen 15 Boote auf den Stand. Das kalte Weiß der Geschosse gleißt im Scheinwerferlicht. Unter der Hallendecke tragen Sunseeker, Princess, Feadship, Ferretti und Azimut den Kampf um das größte Logo aus. Es geht um pure Potenz. Man buhlt um die High-end-Kunden. Mitten in dieser aufdringlichen Demonstration von Luxus liegt eine Oase der Ruhe und des Understatements. Sie ist abgeschirmt und einladend wie ein Resort. Am Eingang reicht ein dezenter Schriftzug: Sanlorenzo.

Für maritimes Flair sorgt die Yachtwerft aus La Spezia in Ligurien mit halboffenen Containern aus Metall. Ihren Messestand überwölbt eine offene Hallenstruktur mit Gurtbögen im Industriestil der 1960er-Jahre. Teakböden, Lampen von Flos, die Küche von Boffi und Designersofas verleihen dem Ganzen Lounge-Charakter. Kübelpalmen, Olivenbäume und Bambus schaffen Atmosphäre und Sichtschutz. Espresso wird in recycelbaren Kokostässchen aus Japan serviert. Diskretion ist Trumpf. "Ich verkaufe einen Lebensstil", lautet die Botschaft von Massimo Perotti, Chef und Eigentümer von Sanlorenzo. Der Italiener bietet mit seinem Auftritt ein Kontrastprogramm zur schrillen Show: Entspannung, Komfort und Luxus, der nicht zur Schau gestellt wird.

Sanlorenzo zeigt in der Halle 6 nur ein einziges Boot. Dafür ist der 27-Meter-Kreuzer SX88 eine der teuersten Yachten auf der Messe. Fünf Millionen Euro kostet das schwimmende Loft mit klaren Linien und zeitloser Eleganz. Cool, aufgeräumt, hypermodern - der 23 Knoten schnelle Halbgleiter ist eine Absage an den Protz. Viel weist aber darauf hin, dass Sanlorenzo den anbrechenden Zeitgeist damit bestens trifft und der Konkurrenz weit voraus ist. Denn neue Käuferschichten rütteln an den tradierten Gewohnheiten der Yachtindustrie.

Dem italienischen Designer graut vor dem Admiral-Nelson-Look mit Clubsesseln und Mahagoni

Die neue Eigner-Generation tickt anders als russische Oligarchen und arabische Ölscheichs, die das Geschäft über Jahrzehnte prägten. Die "Milliardärsklasse" ist stark gewachsen, schreibt der Schweizer Geldkonzern UBS. Zugleich verdrängen die Stars der Internet-Szene zunehmend die alten Patriarchen. Schon sechs Silicon-Valley-Milliardäre rangieren unter den superreichen Top Ten. Ihre Vorlieben heben sich ab von denen des Öl-Oligarchen Roman Abramowitsch, der die drittgrößte Yacht der Welt besitzt, das 162-Meter-Schiff Eclipse von Blohm + Voss.

Auch ein paar Vermögensklassen darunter reicht das Geld, um sich den Traum vom Luxusspielzeug zu erfüllen. Das Geschäft boomt gerade. 5000 Superyachten, das sind Boote über 24 Meter Länge, kreuzen durch die Meere. Ihre Besitzer sind heute 15 Jahre jünger als in den Neunzigern. Das Durchschnittsalter von derzeit 45 bis 55 Jahren werde sich bis 2040 auf 35 bis 45 Jahre verringern, erwarten Forscher der International University of Monaco (IUM). So rief die Auftraggeberin der Studie, die italienische Werft Rossinavi, die Geburt einer neuen Bootskategorie aus: "für Millennials entworfene Superyachten."

Junge Kunden wollen Yogaflächen statt Kitsch und Prunk

Der demographische Wandel konfrontiert die Branche mit anderen Ansprüchen. Um der nach 1980 geborenen Generation Lust aufs Boot zu machen, muss sich die Yachtindustrie von Kitsch und Prunk, Clubsesseln und Mahagoni-Vertäfelungen verabschieden. Eine Schlüsselrolle spielen für die Kunden der Zukunft: Umweltschutz, Technologie an Bord und zeitgenössisches Design. Sie wollen Freiflächen für Yoga oder Pilates, Platz fürs Zusammensein mit Freunden und Abenteuer-Spielzeug für Tauchausflüge, so die IUM-Forscher.

Perotti, 58, ist mit Sanlorenzo längst auf dem richtigen Kurs. Als der Turiner die Werft 2005 übernahm, lagen 22 Jahre Erfahrung beim italienischen Branchenführer Azimut hinter ihm. Noch während des Wirtschaftsstudiums hatte ihn der Gründer Paolo Vitelli angeheuert. Da war er 22, und Azimut beschäftigte 25 Leute. Später trug Perotti maßgeblich zum Aufstieg des Unternehmens bei. Als er ging, hatte Azimut 3000 Mitarbeiter, und Vitelli hatte sich vorgenommen, der größte Yachthersteller zu werden. "Er verlor dabei die Einzigartigkeit und den Luxus aus den Augen", kritisiert Perotti seinen Lehrmeister. Selbst entschied er sich für das Gegenteil.

Sanlorenzo machte Design zu seinem Alleinstellungsmerkmal. 2009, als die globale Finanzkrise die Umsätze der Yachtbranche einbrechen ließ und eine Pleitwelle auslöste, öffnete Perotti das Unternehmen für international gefragte Gestalter wie Rodolfo Dordoni und Antonio Citterio. Der Anspruch, aus Booten schwimmende Villen zu machen, in denen man sich wie zu Hause fühlt, wurde zur Chiffre seines Erfolgs. Vor der Krise lag Sanlorenzo bei den Superyachten an siebter Stelle, nun hält er den Spitzenplatz. Der Umsatz hat sich seit 2013 verdreifacht. 2019 soll er auf 460 Millionen Euro steigen. Perotti investiert gerade 100 Millionen Euro ins Unternehmen.

Vor zwei Jahren hielt er es sogar für nötig, einen Art Director an Bord zu holen. Er rief den Mailänder Stararchitekten Piero Lissoni. Er hatte die Freiheit, mit alten Regeln zu brechen. In der Yachtindustrie sei er als blinder Passagier an Bord gegangen, sagt der Designer. "Ich konnte Abstand nehmen von der angelsächsischen Schule, in der ein Exzess von Dekor und prätentiösen Materialien dominiert." Vor dem Admiral-Nelson-Look graut es ihm. Er sehe ein, dass Leute zeigen wollen, was sie haben. Nur warum diese Vulgarität?

Auf der "Boot" führt Sanlorenzo den radikalen Neuansatz an der SX88 vor. Offene Räume und große Glasflächen verbinden den Innen- und Außenbereich an Bord. Die Technik wurde konsequent aus dem Weg geräumt. Lissoni verbannte sogar den Kapitänsstand vom Hauptdeck auf die Flybridge. Das Steuer hätte das gesellige Loft-Leben gestört. Auf dem Achterdeck kann man sich in einem zum Wasser absenkbaren, 30 Quadratmeter großen Beach-Club vergnügen. Lissoni bezeichnet die SX88 auch als "social boat".

Die Yacht entfernt sich von den pfeilschnellen, lauten Spritfressern. Auf einem herkömmlichen Boot könne man während der Fahrt nicht lesen, einen Film gucken oder essen, sagt Perotti. Das störe die Leute zunehmend. Geschwindigkeit sei nicht mehr so wichtig. Die SX88 halbiert den Spritverbrauch, auf 300 Liter pro Stunde.

Den Wandel erklärt Perotti als Folge der Finanzkrise. "Sie hat die Köpfe verändert", sagt er. Vorher habe man sich eine Superyacht zum Angeben gekauft. Sie sei gewissermaßen wie die Burg des Mittelalters oder eine Palladio-Villa der Renaissance gewesen. "Das Show-off-Stadium haben wir endlich überwunden", sagt er lächelnd.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2019/cku
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